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Untersuchung gegen David Cameron
Wie ein Ex-Premier im Lobbyisten-Sumpf versank

David Cameron am Remembrance Sunday am 8. November 2020 in London. 
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Unter den zahlreichen, lebenden Ex-Premierministern des Vereinigten Königsreichs sticht David Cameron mit einer einzigartigen Leistung heraus. Kein anderer hatte im Amt eine derart bedeutende Entscheidung zu verantworten wie er: Cameron verwettete die Mitgliedschaft seines Landes in der Europäischen Union.

Die Wette ging bekanntlich so: Ihr schenkt mir den Machterhalt, ich schenke euch ein Referendum, und es wird schon nichts passieren. Es kam dann anders. 2016 beschlossen die Briten per Volksentscheid den Austritt aus der EU und beendeten damit auch Camerons Amtszeit. Da war er gerade 49 Jahre alt.

David Cameron ist ein Produkt der britischen Oberklasse, was mit gewissen Ansprüchen an die Lebensführung einhergeht. Deswegen war es nicht weiter verwunderlich, dass sich der Frühpensionär von einem Milieu angezogen fühlte, das in London beheimatet und auf Karibikinseln zuhause ist – und das den Weg dazwischen im Privatjet zurücklegt.

Greensill brachte die Lösung

Über gleich vier dieser Jets verfügte Lex (Alexander) Greensill, sieben Jahre jünger als Cameron, aber unendlich viel reicher. Greensill gründete 2011 eine Investmentgesellschaft in London und bewegte mit seiner Geschäftsidee schnell grosse Mengen Geld: Greensill Capital spezialisierte sich in Supply Chain Finance – das Fintech-Unternehmen begleicht Forderungen in Windeseile, lässt den Schuldnern aber ein bisschen Zeit, um die Rechnung zu zahlen. Diese Brückenfinanzierung wird durch eine geringe Gebühr abgegolten.

Obwohl Greensill mit seinen privaten Geschäften ausgelastet schien, wurde er 2012, also in der Regierungszeit Camerons, zum unbezahlten Berater von Downing Street ernannt und erhielt Zugang zu den Schlüsselstellen der Regierung – auch um für ein Geschäftsmodell zu werben.

Das Finanzierungsmodell war deswegen für den britischen Staat und vor allem sein Gesundheitssystem interessant, weil schon immer das Problem bestanden hatte, dass die Regierung ihre Rechnungen zu langsam beglich. Kosten für Medikamente wurden im Gesundheitssystem etwa so spät erstattet, das kleine Apotheken in Finanzierungsnot kamen. Lex Greensill brachte die Lösung und wurde 2018 mit einem Vertrag über die Abwicklung der Gesundheitszahlungen belohnt. Schon 2017 war Greensill von Prinz Charles für seine Verdienste um die Geschäftswelt zum Commander of the British Empire (CBE) geschlagen worden – der Australier war im Herzen der britischen Gesellschaft angekommen.

Lobbyvorgaben eingehalten

Ebenfalls 2018 und damit exakt nach Ende der gesetzlich festgelegten Abkühlphase von zwei Jahren trat David Cameron wieder in den Dunstkreis von Greensill, nun als dessen Berater und Lobbyist. Wie hoch die Vergütung für den früheren Premier war, ist nicht belegt – manche Berichte sprechen von Aktienoptionen im (damaligen) Wert von 60 Millionen Pfund. Kleine Münze für den mehrfachen Milliardär Greensill, der selbst so klug war, schon Monate vor dem Absturz seines Unternehmens Anteile im dreistelligen Millionenbereich zu veräussern.

Camerons Lobbyarbeit war jedenfalls nicht von grossem Erfolg gekrönt. Berichten aus den nun vorliegenden Untersuchungen zufolge lud er mal zu Drinks ein oder führte ein Telefonat mit dem Finanzminister, wurde allerdings jedes Mal kühl abgewiesen. Unrecht ist seine Arbeit ebenfalls nicht. Die Lobbyvorgaben der britischen Politik hat er eingehalten. Erst am Sonntag räumte Cameron kleinlaut ein, er habe nun «wichtige Lektionen» gelernt, wenn überhaupt Verhaltensregeln aber keine Gesetze gebrochen – und überhaupt sollte er mit aktiven Politikern nur über die «höchst formellen Kanäle» Kontakt aufnehmen.

Die reuige Botschaft aus der Schäferhütte (Cameron schreibt in einer abgeschiedenen Klause in den Cotswolds seine Memoiren) kam gerade noch rechtzeitig: Tags darauf ordnete die Regierung Johnson eine förmliche Untersuchung der Angelegenheit an.