Streit um GetreideblockadeWie der Weizen aus der Ukraine kommen könnte
Die Getreideausfuhr auf dem Seeweg sei prinzipiell möglich, sagte Russlands Aussenminister Sergei Lawrow in Ankara. Die Frage ist, ob Kiew Moskau traut.
«Fruchtbar» sei es gewesen, berichtete der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu vom Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergei Lawrow am Mittwoch in Ankara. Der Begriff trifft insofern, als es um das Getreide der Ukraine geht, einer der grössten Kornkammern der Welt, ohne das vor allem in Afrika und Asien die schlimmsten Hungersnöte seit Jahrzehnten drohen. Die Ukraine und Russland sind die grössten Weizenexporteure, knapp ein Drittel des Weltbedarfs decken sie.
Doch seit Wladimir Putin Krieg gegen die Ukraine führt, hat Russland deren Häfen am Schwarzen und am Asowschen Meer blockiert, die Ukrainer wiederum haben sie zu ihrem Schutz vermint. Auch andere – weit weniger wichtige – Ausfuhrwege sind zerstört und Lager teils in Hand des russischen Militärs. Es kommt fast kein Korn mehr aus dem Land.
Kreml fordert Rücknahme von Sanktionen
Das Treffen in Ankara hat daran nichts geändert, es gab keine Vereinbarung. Immerhin aber sagte der Russe, die Weizenausfuhr auf dem Seeweg sei prinzipiell möglich, also über das Schwarze Meer zum türkischen Bosporus. «Wenn die Ukraine jetzt, wie uns unsere türkischen Freunde sagen, bereit ist, entweder Minen zu räumen oder den Durchgang durch Minenfelder zu gewährleisten», so Lawrow, «hoffen wir, dass dieses Problem gelöst wird.»
Russlands Militär werde die Lage nicht ausnutzen, versicherte Putins Chefdiplomat, «das sind Garantien des Präsidenten Russlands». Was er nicht erwähnte, ist der Umstand, dass Russland mit der Waffe Hunger auch auf die Rücknahme von Sanktionen zielt. Er wies allein der Ukraine die Schuld zu an der Getreideblockade.
Die Türkei könnte laut Cavusoglu sofort helfen. Was fehle, sei die Zustimmung aus Kiew und Moskau.
Eine mögliche Lösung könnte sein, dass die türkische Marine beim Entminen von Häfen wie Odessa hilft und auf See als Geleitschutz fungiert, ein Zentrum in Ankara soll alles koordinieren. Schon am Dienstag hatte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar mitgeteilt, die Verhandlungen zeigten «deutliche Fortschritte». Woran es hake, sei das Vertrauen.
Dieses entfaltete sich auch am Mittwoch nicht. Russland fürchtet, die Ukraine könnte den Schiffsverkehr nutzen, um Waffen ins Land zu bringen. Kiew traut Moskaus Zusagen nicht und fürchtet Angriffe von See.
Lawrow spricht von einem «Problemchen»
Moskau sieht sich international mit dem Vorwurf konfrontiert, die Welt mit der Weizenblockade zu erpressen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen formulierte es am Mittwoch so: «Lebensmittel sind nun zu einem Teil des Terrorarsenals des Kremls geworden.»
In Ankara versuchte der Kremlgesandte, alles kleinzureden, der Westen stufe das Problem des blockierten ukrainischen Getreides als «universelle Katastrophe» ein. Doch sei es «in Wirklichkeit ein Problemchen, es ist klein». So klein, dass es laut UNO bis zu 1,4 Milliarden Menschen treffen kann.
Dabei sind die Silos der Ukraine gefüllt, mit der Ernte des vergangenen Jahres, etwa 22 Millionen Tonnen verschiedener Getreide. Aber womöglich wird aus all den Körnern nie Brot. Wird das Getreide nicht in den nächsten Wochen transportiert und verarbeitet, könnte es verderben. Zudem würden dann Lager für die neue Ernte fehlen. In Ankara betonte Aussenminister Cavusoglu, die Türkei könne sofort helfen im Schwarzen Meer. Was fehle, sei die Zustimmung aus Kiew und Moskau.
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