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Expat-Netzwerk «Zurich Together»
Wie aus Einsamkeit eine der grössten Communitys von Zürich entstand

Etwas gemeinsam zu unternehmen, erzeugt bei vielen Teilnehmenden von «Zurich Together» ein Zusammengehörigkeitsgefühl.
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«Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich einsam bin», sagt Ben Crawshaw. Der 38-Jährige übersiedelte mit seinen Eltern im Alter von vier Jahren von Manchester an den Zürichsee und ist froh, hier aufgewachsen zu sein. «Eine bessere Kindheit hätte ich mir nicht vorstellen können», sagt der gebürtige Brite in untadeligem Züritüütsch.

In der Schule sei er beliebt gewesen und habe viele Freunde gehabt. Mit Beginn seiner Lehrzeit als kaufmännischer Angestellter habe er dann einen Teil seiner Jugendfreunde nach und nach aus den Augen verloren. «Meine Kollegen haben angefangen, zu heiraten, Kinder zu kriegen und mir Slots zu geben, wann sie für ein Treffen Zeit haben», erzählt Crawshaw.

Die Geburtsstunde von «Zurich Together»

Dann, im Frühsommer 2017, beobachtete er auf der Chinawiese am Zürichsee verschiedene Gruppen von Leuten, die zusammensassen und sich unterhielten. «Ich habe mich gefragt, wo ist meine Gruppe? Und da mein Gefühl der Einsamkeit immer stärker geworden ist, gründete ich meine eigene», erklärt der britisch-schweizerische Doppelbürger.

Kurz darauf spricht er in einem Irish Pub acht verschiedene Leute an. «Wir haben festgestellt, dass alle ähnliche Probleme haben», so Crawshaw. Sie vereinbarten, sich künftig einmal pro Woche zu treffen. Jeder brachte dazu einige Kolleginnen und Kollegen mit. Schon bei der zweiten Zusammenkunft nahmen etwa 60 Leute teil – es war die Geburtsstunde von «Zurich Together».

Ben Crawshaw möchte, dass «die Leute die Schweiz und ihre Schönheiten kennen lernen.»

Die internationale Online-Community will mit Veranstaltungen Expats und Einheimische in und um Zürich zusammenbringen, damit neue Freundschaften entstehen. «Gerade Expats kommen oft wegen der Liebe oder des Berufs nach Zürich. Eigentlich haben sie hier alles – einen guten Lohn, eine schöne Umgebung und einen hohen Lebensstandard –, aber ihr Bedürfnis ist es, Anschluss zu finden», sagt Crawshaw.

Heute zählt sein Netzwerk rund 36’000 Follower auf Facebook, Meetup sowie Instagram. Sieben bis zehn Events werden pro Woche angeboten – darunter Speed-Friending, Sprachenstammtische, aber auch Ausflüge, Tanzkurse oder Maskenpartys. Diese Zeitung konnte an einigen der oft kostenlosen Anlässe teilnehmen. Altersbegrenzungen gibt es keine – die Teilnehmer reichen von jungen Studentinnen und Berufstätigen bis hin zu Leuten, die Jahrzehnte verheiratet waren und sich nun neu finden müssen. «Ich verdiene an ‹Zurich Together› nichts, sondern wollte ein soziales Netz aufbauen, das einen auffängt», sagt der Inhaber einer kleinen Eventagentur.

Polizei verwechselte Pub-Crawl mit Demo

Jede und jeder könne sich darauf verlassen, dass so gut wie jeden Montagabend der Sprachenstammtisch mit rund 100 Teilnehmenden stattfinde. Dabei können Interessierte andere Leute aus der ganzen Welt kennen lernen und sich auf Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Französisch oder Spanisch unterhalten. Die zugehörigen Länderflaggen stellt Crawshaw oft selbst auf die Tische. «Nur Dating-Events mache ich keine. Dafür gibt es bereits genug Plattformen», sagt der Zürcher.

Schon etwa vier Wochen nach Gründung von «Zurich Together» im Sommer 2017 zog es mehrere 100 Interessierte zu einer Neonlicht-Party in einen Zürcher Club. «Viele Clubs riefen mich an, wer das organisiere», erzählt der 38-Jährige. Ein paar Monate später erregte eine Pub-Crawl-Tour, bei der etwa 250 Teilnehmer von einer Bar zur nächsten zogen, Aufsehen in der Limmatstadt. «Die Polizei stoppte uns mit Blaulicht, weil sie annahm, wir würden demonstrieren», sagt Crawshaw mit einem Schmunzeln.

Gemeinsam statt einsam – hier bei einem Treffen im Zürcher Chinagarten, wo im Jahr 2017 alles begann.

Für das allererste Speed-Friending in einem Zürcher Lokal hätten sich im Vorfeld 380 Leute online angemeldet. «Aufgetaucht sind dann nur 150, weshalb der Wirt sauer war, da er mit weit mehr Leuten gerechnet hatte», erzählt Crawshaw. Deshalb wird inzwischen ein symbolischer Beitrag von fünf Franken für die Teilnahme am Speed-Friending verlangt. «Wenn man einen kleinen Beitrag zahlt, ist es auch ein Commitment, dass die Veranstaltung funktioniert. Aber ‹Zurich Together› wird gratis bleiben», kündigt er an. Das Netzwerk soll künftig eine Non-Profit-Organisation werden.

«Sehen Zürich und Schweiz mit anderen Augen»

Schon heute könne jeder einen Event für die Community organisieren. Dafür brauche es lediglich zwei, drei Eigenschaften: «Du musst pünktlich sein, freundlich sowie jede und jeden akzeptieren. Und du musst das, was du anbietest, gern und mit Passion machen», sagt Crawshaw.

Inzwischen zählt «Zurich Together» 33 Organisatoren, die etwa Spieleabende, Bouldern, Wanderungen oder Drinks nach der Arbeit anbieten. «Ich höre immer wieder, dass Leute sich einsam gefühlt und gefragt haben, ob Zürich und die Schweiz wirklich das Richtige für sie sind. Jetzt haben sie ein Daheim gefunden und sehen Stadt und Land mit ganz anderen Augen.»

Eine Gruppe von «Zurich Together» wanderte unterhalb des 2800 Meter hohen Pizolgipfels.

Crawshaw organisiert neben kostenlosen Spaziergängen durch Zürich auch mehrmals pro Jahr gemeinsame Wochenendtrips zum Selbstkostenpreis. «Ich bin stolz, dass ich hier aufgewachsen bin, und möchte, dass die Leute die Schweiz und ihre Schönheiten kennen lernen», sagt der «Zurich Together»-Gründer.

Jeder zehnte Teilnehmer ist Schweizer

Dafür mietet er ganze Chalets und Ferienwohnungen in Engelberg, Lenzerheide oder Interlaken und teilt die Kosten auf bis zu 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, die auf eigene Faust – aber oft gemeinsam – anreisen. «Wir gehen zusammen Ski fahren und schlitteln, im Sommer schwimmen und zum Canyoning. Am Abend kochen wir zusammen Spaghetti, das kostet nicht so viel und schweisst zusammen», so Crawshaw. Viele, die zu Beginn noch niemanden aus der Gruppe gekannt hätten, würden von den Wochenendtrips als kleine Familie zurückkehren. «Für mich ist es das Schönste, wenn neue Freundschaften entstehen», sagt der 38-Jährige.

Stolz ist er auch, dass bei vielen Events rund zehn Prozent Schweizer vertreten sind. Sie würden den internationalen Spirit von «Zurich Together» teilen, weil sie selbst durch die Welt gereist seien und etwa Couchsurfing ausprobiert hätten. «Alle können Freundschaften knüpfen, niemand muss sich einsam fühlen», ist Ben Crawshaw überzeugt.