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Wimbledon-Sensation
Wie Alice im Wunderland

Erobert Wimbledon im Sturm: Emma Raducanu, 18-jährige Wildcard-Spielerin.
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Es ist eine Feel-Good-Story, wie sie nur Wimbledon schreiben kann. Nur schon auf die Idee zu kommen, einer 18-jährigen Spielerin ohne Referenzen und mit einer Klassierung von 338 eine Wildcard für die Championships zu geben, schien verwegen. Oder zumindest grosszügig: Denn damit war klar, dass sie ihr bisheriges Preisgeld mehr als verdoppeln würde, erhalten doch Startverliererinnen umgerechnet schon 61’000 Franken.

Und dann, drei Siege später, ist sie plötzlich das Covergirl des Turniers, schmückt Titelseiten und bezaubert ganz Wimbledon und Grossbritannien.

Ihr Name: Emma Raducanu, geboren in Toronto, Vater Rumäne, Mutter Chinesin, Musterschülerin mit Bestnoten und einem unbeschwerten Lächeln, das für jede Zahnpastawerbung infrage käme. Mit ihrem 6:3, 7:5 über die Rumänin Sorana Cirstea (WTA 45) qualifizierte sich Raducanu am Samstag sensationell für die Achtelfinals.

Damit verbesserte sie einen 42 Jahre alten Rekord und ist nun die jüngste Britin, die in der Profiära so weit gekommen ist. Und da sie mit der Australierin Ajla Tomljanovic (75) auf eine andere Aussenseiterin trifft, darf sie nun sogar von noch mehr träumen. Immerhin schlug sie auch schon Vitalia Diatschenko (150) und Marketa Vondrousova (42).

«Meine Eltern hatten mir gesagt, ich würde viel zu viele Tenniskleider einpacken.»

Emma Raducanu

«Ich bin so froh, dass mir der Verband eine Wildcard gegeben hat, und wollte einfach das Beste daraus machen», sagte Raducanu. Sie hatte auf der WTA-Tour erst im vergangenen Monat debütiert, in Nottingham, wo sie sogleich verlor, und spielt erst ihr zweites grosses Turnier. «Das war mit Abstand die grösste Arena, in der ich je gespielt habe», sagte sie im Siegerinterview auf Court 1. Und erzählte: «Meine Eltern hatten mir gesagt, ich würde viel zu viele Tenniskleider einpacken. Und jetzt muss ich sogar noch den Wäscheservice in Anspruch nehmen.»

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Ihre Wildcard verdiente sie sich in der Woche danach, als sie bei einem ITF-Turnier die Viertelfinals erreichte. Das wichtigste Argument, um eine dieser Einladungen für Wimbledon zu bekommen, war halt schon immer ein britischer Pass. Inzwischen muss sich Emma Raducanu vorkommen wie Alice im Wunderland, und sie bewegt sich in diesem realen Traum mit spielerischer Unbekümmertheit. «Vor den Matchs sage ich mir: ‹Warum nicht? Jemand muss ja in der zweiten Woche spielen, warum nicht ich?›»

Die Lehre der Grossmutter

Raducanu wird vom Publikum auf Händen getragen und steigert sich in dieser Atmosphäre zu Schlagkombinationen und Leistungen, die sie selber von sich noch gar nicht gekannt hatte. Allerdings steht ihr mit Nigel Sears auch ein sehr erfahrener Coach zur Seite, der schon mit verschiedenen Spitzenspielerinnen gearbeitet hat, etwa Ana Ivanovic oder Daniela Hantuchova.

Raducanu kam am 13. November 2002 als Tochter eines rumänischen Vaters, Ian, und einer chinesischen Mutter, Renée, in Toronto zur Welt. Sie zügelte mit ihren Eltern, die beide in der Finanzwelt arbeiten, als Zweijährige nach London. Mehrmals im Jahr besucht sie in Rumänien ihre Grossmutter. Ihre Mutter habe sie Disziplin und Respekt vor anderen Leuten gelehrt, erzählt sie. «Meine Eltern haben hohe Erwartungen und treiben mich an. Und ich habe immer versucht, ihnen gerecht zu werden. Ich hoffe, ich habe sie diese Woche stolz gemacht.»

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Ihr spezieller Hintergrund zeigt sich auch in ihren Vorbildern: Zu denen gehören einerseits die Rumänin Simona Halep, andererseits die zurückgetretene Chinesin Li Na. «Die Mentalität, die diese beiden mitbringen, hat mir definitiv geholfen. Beide kommen aus Ländern, in denen sehr hart gearbeitet wird.»

Keine aussergewöhnliche Juniorin

Raducanu war keine aussergewöhnlich starke Juniorin, über Rang 20 der Weltrangliste kam sie nicht hinaus, immerhin stand sie 2018 in Wimbledon und Roland Garros in den Viertelfinals. Sie sei damals allerdings durch die vielen schulischen Verpflichtungen sowie einige Verletzungen gebremst worden, sagt sie. «Das war manchmal etwas frustrierend. Vor allem, wenn man sieht, wie viele junge Spielerinnen momentan auf der WTA-Tour Erfolg haben.»

Nun macht sie selber vor, wie es geht: «Das Wichtigste ist, dass man die Gelegenheit packt, wenn sie kommt. Bislang gelingt mir das ganz gut.» Wertvolle Erfahrungen sind für sie auch, dass sie nun plötzlich mit Spitzenspielerinnen wie Voudrousova oder Muguruza trainieren kann. «Es hat definitiv etwas in meinem Kopf klick gemacht. Wow, das ist das Niveau, auf dem ich trainieren muss», erzählt sie.

Zielstrebig und ehrgeizig: «Ich hoffe, ich habe meine Eltern diese Woche stolz gemacht», sagt Emma Raducanu.

Raducanu hat eben ihre Schulausbildung beendet und wartet auf die Abschlussnoten in Mathematik und Wirtschaft. Diese Jahre hätten ihr gutgetan, auch sozial, sagt sie. Und sie hätten ihr etwas den Druck als Tennisspielerin genommen. «Man kann nicht den ganzen Tag Tennis spielen. Wenn man daneben noch etwas anderes macht, hilft das, mental aktiv zu bleiben.»

Ein gutes Abendessen für die Eltern

Und schon drückt wieder ihr Ehrgeiz durch. «Alle denken, dass ich absolut fanatisch bin wegen meiner Schulnoten. Meine Eltern sagen, ich sei verrückt. Alles andere als die Höchstnote akzeptiere ich nicht.»

Mit dieser Konsequenz spielt sie auch Tennis. «Ich versuche, hier jeden Punkt zu spielen, als ob es mein letzter in Wimbledon wäre, ein Matchball.» Damit trickst sie sich selber aus, doch es funktioniert. Bereits hat sie sich etwa auf Rang 175 verbessert und ihr Preisgeld auf umgerechnet 230’000 Franken gesteigert. Übersteht sie auch die Achtelfinals, kommen nochmals 150’000 Franken und etwa 50 Ränge dazu. «Ich werde meine Eltern bestimmt zu einem guten Essen einladen», verspricht sie.