Abstimmung vom 27. SeptemberWeshalb wir den Kampfjet-Typ nicht mitbestimmen dürfen
Die Schweizer dürfen erneut über den Kauf von Militärflugzeugen befinden – aber nur mit Ja oder Nein.
Die Niederlage war einzigartig, denn Armeevorlagen pflegen in der Eidgenossenschaft vor dem Stimmvolk in aller Regel zu bestehen. Ausnahmsweise sagte dieses aber beim Kauf des Gripen-Kampfjets Nein: am 18. Mai 2014, mit 53,4 Prozent.
Ausschlaggebend für dieses Nein war der Flugzeugtyp, wie die Nachwahlbefragung zeigte. Rund ein Drittel der Stimmenden sagt Nein – egal, um welchen Flugzeugtyp es geht. Demgegenüber sagt rund ein Drittel immer Ja. In der Realität aber fand der Gripen-Absturz von 2014 seine Ursache im Mitteldrittel der Abstimmenden. Hier sagten viele Armeebefürworter Nein zum Gripen, weil sie mit der Typenwahl des damaligen Verteidigungsministers Ueli Maurer (SVP) nicht einverstanden waren. Sie machten 13 Prozent der ablehnenden Stimmen aus.
Demokratiepolitisch interessant ist deshalb, was im Nachgang zum Schock für bürgerliche Sicherheitspolitiker geschah: Das Verteidigungsdepartement und die Parlamentsmehrheit einigten sich nach längeren Diskussionen hinter den Kulissen auf eine Beschneidung der direkten Demokratie: Das Volk soll nur noch über den Grundsatz des Jetkaufs abstimmen können, nicht aber über den Flugzeugtyp. Diese Entscheidung steht nun am 27. September 2020 bevor. Konkret gelangt ein Bundesbeschluss zur Abstimmung, der dem Bundesrat den Kauf neuer Jets im Wert von 6 Milliarden Franken in Auftrag gibt. Die Lieferanten sollen mit Schweizer Firmen Gegengeschäfte abschliessen, die sich auf 60 Prozent der Kaufsumme belaufen. Über die Art und Zahl der Kampfjets wird später der Bundesrat entscheiden.
«Das Stimmvolk soll sich dazu äussern können, ob die Schweizer Armee weiterhin über eine einsatzfähige Luftwaffe mit modernen Kampfflugzeugen verfügen soll oder nicht.»
Schliesslich, so argumentieren einige Politiker heute, bestehe die Mehrheit im Volke ja weder aus Piloten noch aus Flugzeugingenieuren. Was man ab 2016 im Verteidigungsdepartement, damals unter SVP-Bundesrat Guy Parmelin, genau in diese Richtung diskutierte, fand alsbald im Parlament eine Mehrheit, und zwar in beiden Kammern. Den Anstoss dazu gab BDP-Nationalrat Lorenz Hess (BE) mit einer Motion. Darin forderte er: «Der Bundesrat wird beauftragt, dem Stimmvolk raschestmöglich die Grundsatzfrage der Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen zu stellen. Die Beschaffung soll losgelöst von der Typenfrage entschieden werden können und im Rahmen des Armeebudgets erfolgen.»
Hess argumentierte damit, dass bei anderen Beschaffungen auch nicht über das konkrete Gerät abgestimmt werde: «Während auch andere Rüstungsgüter keine Volksabstimmungen benötigen, beispielsweise der Kauf von Artilleriegeschützen oder der Ersatz des Sturmgewehrs, soll sich das Stimmvolk hingegen grundsätzlich dazu äussern können, ob die Schweizer Armee weiterhin über eine einsatzfähige Luftwaffe mit modernen Kampfflugzeugen verfügen soll oder nicht.» Die Parlamentsforderung mündete in einen Planungsbeschluss, der dem Referendum unterlag – und damit den anstehenden Volksentscheid ermöglichte.
Angriffsfläche für ein Nein?
Die politische Linke beurteilt genau dieses Vorgehen als Schwäche der bürgerlichen Mehrheit, als eine abgekartete Sache zwischen Verteidigungsdepartement und Parlamentsmehrheit. Sicherheitspolitikerinnen von SP und Grünen kritisieren heftig, dass der Flugzeugtyp nicht bekannt ist, wenn das Volk zu entscheiden hat. Priska Seiler Graf (SP, ZH) sagt, das Stimmvolk habe gerade bei der Gripen-Abstimmung bewiesen, dass es einen «Papierflieger» von einem reifen Beschaffungsprojekt unterscheiden könne. Das Volk habe 2014 ein Beschaffungsdebakel mit aus dem Ruder laufenden Kosten verhindert. Als Beleg dafür führt sie an, dass der Gripen aus dem aktuellen Beschaffungsprozess zurückgezogen wurde. Entsprechend sei es falsch, dass dieses Mal nicht über den Typ entschieden werden könne. Das Volk verfüge, gerade auch in aussenpolitischen Fragen, die eng mit der Kampfjetauswahl verbunden seien, ebenfalls über ein feines Gespür.
In dieselbe Richtung argumentiert Marionna Schlatter (GP, ZH). Sie findet, der Typenentscheid gehöre zwingend vors Volk. Es sei ein Unterschied, ob die Schweiz eine F-35 der USA beschaffen wolle, mit Hunderten von Softwareproblemen und einer kurzen Lebensdauer, oder einen Eurofighter, dessen Beschaffung in Österreich mit Korruption verbunden gewesen sei. Die aussenpolitische Frage, mit wem die Schweiz bei diesem Milliardengeschäft und darum auch während der nächsten Jahrzehnte zusammenarbeiten wolle, sei entscheidend. Das Volk müsse mitbestimmen, von welchem Land man sich so sicherheitspolitisch abhängig machen wolle.
Ordnungspolitisch fragwürdig
Demgegenüber weisen bürgerliche Politiker darauf hin, dass es ordnungspolitisch fragwürdig sei, jedes Mal über Kampfjets abzustimmen, nur weil diese Lärm machten und am Himmel im Tiefflug sichtbar seien. Einer von ihnen ist der Schaffhauser SVP-Nationalrat und Pilot Thomas Hurter. «Genauso gern wie über die Jets würde ich einmal über die erhöhten Entwicklungshilfebudgets des Aussendepartements abstimmen, um zu sehen, ob die Mehrheit des Stimmvolkes dahintersteht», sagt er. Doch hier gebe es keinerlei Referendumsmöglichkeit. Entsprechend bezeichnet es Hurter als grundsätzlich falsch, dass überhaupt über die Kampfjets abgestimmt werden kann. Rhetorisch fragt er: «Weshalb über Jets abstimmen, nicht aber über teure Zugbeschaffungen bei den SBB?» Richtig wäre, nach Ansicht Hurters, das Volk zu befragen, ob und wozu es eine Armee brauche – aber sicher nicht, mit welchem Material sie ihren Auftrag erfüllen müsse. In anderen Departementen werde auch nicht über Materialbeschaffungen abgestimmt.
Bei aller Kritik an der Abstimmung sieht Hurter aber auch positive Punkte, falls ein Ja herauskommt: Damit erhielte die Armee, die sich seit einigen Jahren punkto Ausrüstung im Wiederaufbau befindet, eine erneuerte Legitimation durch den Souverän. Das sei angesichts eines zunehmend problematischen sicherheitspolitischen Umfelds dringend nötig.
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