Geldblog: Jetzt Buchgewinne realisieren?Wer verkaufen will, braucht einen Plan
Viele wollen ihre Buchgewinne ins Trockene bringen. Dabei sollte man sich rechtzeitig Gedanken über die Wiederanlage machen.
Aufgrund der aktuellen Börsensituation: Wäre es jetzt angebracht, meine gut laufenden Wertpapiere zu verkaufen, damit auch ich mich an realisierten Gewinnen erfreuen kann? Leserfrage von E.M.
Sie sprechen in Ihrer Frage ein Dilemma an, in dem sich derzeit viele Anlegerinnen und Anleger befinden: Das gute Anlagejahr 2021 hat vielen schöne Buchgewinne auf ihren Wertschriften gebracht, gleichzeitig gibt es Anzeichen, dass sich die Börsenstimmung bis zum Jahresende zeitweise eintrüben könnte. Da stellt man sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, seine Gewinne ins Trockene zu bringen, bevor eine starke Korrektur diese zunichtemacht. Der Gedanke dahinter: Wie die Ernte auf dem Feld sollte man von Zeit zu Zeit auch seine Aktiengewinne einholen. Um eine Antwort auf Ihre Frage zu finden, sollten Sie sich fragen, wie Sie die künftige Marktsituation einstufen, und welche Pläne Sie künftig mit Ihrem Kapital haben.
Wenn Sie einen Crash erwarten, dann müssten Sie verkaufen. Persönlich rechne ich nicht mit einem Crash, aber durchaus mit zeitweisen Korrekturen. Nach all den vielen Rekorden, die wir an den Aktienmärkten nur schon in diesem Jahr gesehen haben, ist es naheliegend, dass man vorsichtiger wird. Die starke Ausbreitung der Corona-Delta-Variante in Europa und den USA könnte die Konsumentenstimmung belasten und die starke Wirtschaftserholung etwas abbremsen. Einen Konjunktureinbruch wie bei der Coronakrise 2020 erwarte ich nicht, da es angesichts der Impfungen kaum mehr zu Lockdowns im grossen Stil kommen dürfte. Aber ich sehe durchaus eine Gefahr, dass der Aufschwung in den nächsten Monaten etwas an Fahrt verlieren könnte.
Man muss damit rechnen, dass die Nervosität an den Märkten angesichts der Coronasituation und den Diskussionen über die Geldpolitik wieder zunimmt und es vermehrt zu Korrekturen kommt.
Auch in China sehen wir schon eine Abkühlung des Aufschwungs. Die Unternehmen haben im ersten Semester mehrheitlich ausgezeichnet gearbeitet und erfreuliche Gewinne erwirtschaftet. Dieser Trend setzt sich bislang im zweiten Semester fort. Ich habe allerdings Zweifel, dass die guten Resultate des ersten Halbjahres noch zu überbieten sind. Soweit wir dies heute überblicken können, zeichnen sich für das gesamte Jahr bei den meisten Börsenfirmen erfreuliche Resultate ab – das Wachstum könnte aber auch bei den Unternehmensergebnissen etwas abgebremst werden.
Dies spricht dafür, dass die Aktienkurse, welche das künftige Wachstum der Unternehmen abbilden, kaum mehr viel Potenzial nach oben haben. Dennoch sind die Börsenaussichten keineswegs düster: Die Firmen sind gut in Form und vor allem die Zinsen sind weiter tief. Zwar dürfte die US-Notenbank gegen Ende Jahr damit beginnen, ihre milliardenschweren Anleihenaufkäufe zu reduzieren. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die Zinsen in den USA bereits steigen. Auch in Europa erwarte ich weiter tiefe Zinsen. Damit fliesst weiter viel Geld in die Aktienmärkte oder bleibt in diesen gebunden. Denn solange die Zinsen tief sind, bieten Obligationen kaum überzeugende Alternativen. Diese Kombination dürfte die Börsen auch künftig noch stützen.
Aber ich stufe das Potenzial der Märkte als gering ein. Vielmehr muss man damit rechnen, dass die Nervosität an den Märkten angesichts der Coronasituation und den Diskussionen über die Geldpolitik wieder zunimmt und es vermehrt zu Korrekturen kommt. Wenn Sie vor diesem Hintergrund Ihre Gewinne ins Trockene bringen, müssen Sie sich die Frage stellen, was sie nachher mit ihrem Geld machen. In den meisten Fällen ist man gezwungen, das Kapital wieder zu investieren. Die Hoffnung, dass man jetzt die Aktien teuer verkauft und diese dann etwas später deutlich günstiger wieder einkaufen kann, geht oft nicht auf. Das perfekte Timing findet man nur selten. Aus meiner Sicht kann es durchaus Sinn machen, teilweise ein paar Gewinne ins Trockene zu bringen – mehrheitlich würde ich aber investiert bleiben; ganz einfach darum, weil man ansonsten mit dem Problem der Wiederanlage konfrontiert ist, welche zusätzlich auch noch Gebühren auslöst.
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