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Wer soll die günstigen Wohnungen bekommen?

In der Stadt Zürich sind bereits heute 27 Prozent aller Wohnungen gemeinnützig: Neubau der Familienheim-Genossenschaft Zürich am Friesenberg. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)
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Was will die Initiative?

In der Schweiz werden jedes Jahr etwa 50'000 Wohnungen gebaut. Der Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz fordert, dass künftig jede zehnte neue Wohnung gemeinnützig sein soll. Dieser Wert muss und soll jedoch nicht in allen Kantonen erreicht werden: Nur dort, wo es an preisgünstigen Wohnungen mangelt – in den Städten und ihrem Einzugsgebiet sowie in Tourismusregionen –, soll er darüberliegen. Überdies soll der Bund den Kantonen und Gemeinden die Möglichkeit geben, ein Vorkaufsrecht von Grundstücken bundesnaher Betriebe geltend zu machen.

Braucht es überhaupt mehr bezahlbare Wohnungen?

Heute stehen in der ganzen Schweiz so viele Wohnungen leer wie seit Jahren nicht mehr, die sogenannte Leerwohnungsziffer ist vergangenes Jahr auf 1,66 Prozent gestiegen; liegt sie über 1,5 Prozent, spricht man von einem funktionierenden Wohnungsmarkt.

Aber: Die Unterschiede sind je nach Region riesig. Während im Waadtländer Winzerdorf Yvorne 15 Prozent aller Wohnungen leer standen, sind es in den Zentren Zürich (0,14 Prozent), Bern (0,55 Prozent), Genf (0,63 Prozent) oder Basel (1,02) deutlich weniger. Vor allem Personen mit kleinem Budget finden oft keine bezahlbare Wohnung und müssen solche Städte verlassen.

Wann ist eine Wohnung gemeinnützig?

Die Bewohnerinnen und Bewohner zahlen nur die tatsächlichen Kosten, etwa für Hypotheken, Unterhalt, Rückstellungen und Abschreibungen. Niemand verdient daran.

Wie hoch ist der Anteil gemeinnütziger Wohnungen heute in der Schweiz?

Er beläuft sich auf 3,8 Prozent. In den grossen Städten ist es allerdings schon heute eine Herausforderung, den aktuellen Anteil zu halten. In Zürich, wo 27 Prozent aller Wohnungen gemeinnützig sind, werden jedes Jahr zwischen 2000 und 3000 neue Wohnungen erstellt. Die Stadt und die Genossenschaften müssen also über ein Viertel davon selber bauen, damit dieser Anteil nicht sinkt.

Das Problem: Die Stadt verfügt nur noch über wenige Landreserven, und Zukäufe sind teuer. Die Preise werden durch Bieterverfahren derart in die Höhe getrieben, dass die Wohnungen nur noch dann günstig vermietet werden können, wenn Zürich Geld einschiesst.

Um die geforderte Quote zu erreichen, müssten doppelt so viele gemeinnützige Wohnungen gebaut werden wie heute.

Ist es unter diesen Umständen realistisch, dass jede zehnte Wohnung von einer Genossenschaft oder einer Gemeinde gebaut wird?

Gemäss dem Verband der Wohnbaugenossenschaft Schweiz ist es realistisch. Heute werden 2500 der 50'000 Wohnungen von gemeinnützigen Bauherren erstellt. Um die Quote zu erreichen, müssen es künftig 5000 sein. In Basel oder Bern sind auch noch mehr überbaubare Areale verfügbar als in Zürich. Die Frage ist allerdings, ob die Städte sie auch bekommen. Die Initianten wollen deshalb Kantonen und Gemeinden ein Vorkaufsrecht einräumen, wenn bundesnahe Betriebe, insbesondere die SBB, ihre Areale verkaufen.

Wie funktioniert ein Vorkaufsrecht?

Steht ein Grundstück zum Verkauf, kann es eine Gemeinde oder ein Kanton zum selben Preis kaufen, zu dem es der Höchstbietende gekauft hätte. Der Verkäufer erleidet keine Einbusse.

Ein solches Vorkaufsrecht ist ein grosser Eingriff in die freie Marktwirtschaft. Wie begründen es die Befürworter?

Die Bahnunternehmen haben das Land vor langer Zeit erhalten, um darauf eine Infrastruktur zu bauen, die der Allgemeinheit zugutekommt. Sie haben es gratis erhalten oder zu einem günstigen Preis. Wenn Gemeinden oder Genossenschaften darauf bauen, dient das Grundstück weiterhin einem gemeinnützigen Zweck.

Was kostet die Initiative den Bund?

Heute profitiert der Bund davon, dass er über seinen sogenannten Fonds de Roulement Genossenschaften Darlehen vergibt: Er erhält Geld dafür, dass er ein Darlehen aufnimmt, und er erhält Geld dafür, dass er es vergibt. Das Geld nimmt er zu einem Satz von minus 0,5 Prozent auf und vergibt es zu 1 Prozent. In den letzten zehn Jahren war die Bilanz nicht ganz so positiv: Zwar nahm er auch in diesen Jahren aus den Zinsen 12 Millionen mehr ein, es fielen aber auch Verwaltungskosten von 14,5 Millionen an.

Der Bund musste allerdings erst grosse Summen in den Fonds einschiessen und muss ihn wohl auch weiter äufnen, wenn die Initiative angenommen würde – auch wenn der Gegenvorschlag des Bundesrats, den Fonds um weitere 250 Millionen aufzustocken, nur dann gilt, wenn das Volksbegehren abgelehnt wird. Aber: Wenn Genossenschaften und Gemeinden alleine nicht 10 Prozent aller neuen Wohnungen erstellen könnten, müsste allenfalls der Bund selber zu bauen beginnen. Mit unbestimmten Kostenfolgen.

Wer bekommt die gemeinnützigen Wohnungen?

Das entscheiden die Genossenschaften und Stiftungen, welche die Wohnungen bauen. Sie vergeben sie nach ihren eigenen Vorgaben. Dabei schauen sie auf das Einkommen und darauf, wie viele Personen in einer Wohnung leben, aber auch auf eine gute Durchmischung. So wollen sie verhindern, dass wie in anderen Ländern ganze Siedlungen nur von Personen bewohnt werden, die wenig verdienen oder auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.

Wie lange soll die 10-Prozent-Quote gelten?

Sie soll immer gelten. Wenn aber über die ganze Schweiz der Anteil von gemeinnützigen Wohnungen bei 10 Prozent liegt, ist das System nach Ansicht der Initianten im Gleichgewicht, und es braucht keine ausserordentlichen Massnahmen mehr.

Wer sind die Befürworter und die Gegner der Initiative?

Grüne, SP und Gewerkschaften unterstützen die Initiative, alle anderen Parteien, die Wirtschaftsverbände sowie der Bundesrat lehnen sie ab.