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Untergang der Credit Suisse
Wer ist schuld am Greensill-Debakel, Gottstein oder Khan?

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Thomas Gottstein war von Anfang 2020 bis vor einem Jahr Chef der Credit Suisse.
Iqbal Khan, Chef des weltweiten Vermögensverwaltungsgeschäfts der UBS. Bis vor drei Jahren war er in gleicher Stellung bei der Credit Suisse.
Thomas Gottstein war von Anfang 2020 bis vor einem Jahr Chef der Credit Suisse.
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Es war kurz vor dem Untergang der Credit Suisse, als die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) Ende Februar das Ergebnis ihrer zweijährigen Untersuchung zum Fall Greensill veröffentlichte. Sie kam zum Schluss, die Credit Suisse habe in mehrerer Hinsicht versagt.

Namentlich kritisierte die Aufsichtsbehörde, die Grossbank habe wenig Wissen und Kontrolle über die Positionen der Greensill-Fonds gehabt. Deren Auswahl und Prüfung nahm faktisch nicht die Credit Suisse als Asset-Managerin der Fonds vor, sondern die Firma Greensill selbst. Die Bank überliess es Greensill auch, den Versicherungsschutz für Kredite des Fonds in eigenem Namen abzuschliessen.

All das geschah bereits unter Iqbal Khan, dem damaligen Chef der internationalen Vermögensverwaltung für reiche Privatkunden (lesen Sie hier über das Versagen von Iqbal Khan). Er blieb bis Juli 2019 bei der Credit Suisse, dann wechselte er zur UBS. Dort ist er jetzt der wichtigste Mann neben Sergio Ermotti – und sein potenzieller Nachfolger. 

Inzwischen ist bekannt, dass ein Strafverfahren gegen Lex Greensill sowie gegen unbekannt läuft. Vier Manager müssen sich einem Finma-Verfahren stellen. Khan ist davon nicht betroffen, dafür Thomas Gottstein, wie der «SonntagsBlick» schrieb. Das Strafverfahren beschäftigt sich mit der Zeit ab Juli 2019. Genau damals ging Khan weg von der Credit Suisse.

Nun hat die SonntagsZeitung erfahren, dass Gottstein von der Finma einen Brief erhielt. In diesem teilt sie ihm mit, gegen ihn werde ermittelt, weil er im Zusammenhang mit Greensill möglicherweise seine Pflichten als Konzernchef verletzt habe. Wie ist das möglich?

Anzeige von Djokovic-Manager führt zu Strafuntersuchung

Eine gleichzeitig laufende Strafuntersuchung der Zürcher Staatsanwaltschaft geht auf die Anzeige eines enttäuschten Credit-Suisse-Kunden zurück. Sein Name ist A.K., eine in Tenniskreisen bekannte Persönlichkeit. Er war während einiger Jahre der persönliche Manager von Novak Djokovic. Die Familie K., mit Wurzeln in Israel, dem Iran und der Schweiz, machte sich einen Namen, weil sie in den Neunzigerjahren das erste ATP-Tennisturnier nach Russland brachte.

Seit Mai 2017 ist K. Kunde beim Israel-Desk der Credit Suisse. Er suchte nicht das Risiko. Laut seiner Anzeige hat er der Credit Suisse mehrfach erklärt, er sei in Investitionsfragen beratungsbedürftig. Wohl darum will die Credit Suisse ihre internen Aufzeichnungen über die Kundenbeziehung mit K. nicht offenlegen. Anfang 2020 hatte K. auf Empfehlung seines Kundenberaters 30 Millionen Dollar in Lieferkettenfonds von Greensill investiert. Davon waren 14 Millionen Dollar eigenes Geld, und 16 Millionen Dollar waren Kredite – eine sogenannte Leverage-Verschuldung, wie sie die Credit Suisse damals manchen reichen Kunden aufdrängte.

Warum riet K. der Kundenberater Mitte 2020 zum Ausstieg – nur, um ihm zwei Monate später die Fonds wieder zu empfehlen?

Am 1. Juli 2020 verkaufte K. diese Anlage auf Anraten seines Kundenberaters aber vorzeitig. Der Berater habe auf einen potenziellen Interessenkonflikt der Bank hingewiesen, lautete gemäss Anzeige die Begründung. Die Gutschrift von gut 30 Millionen Dollar erfolgte am 15. Juli. Im August 2020 teilte aber der Kundenberater mit, die Bank habe eine interne Sichtung vorgenommen und die Probleme mit dem Fonds behoben. K. verlangte trotzdem eine weitere Risikoabklärung, die offenbar positiv ausfiel. Jedenfalls beschloss er am 27. Oktober, erneut in Greensill-Lieferkettenfonds zu investieren, diesmal gut 5 Millionen Dollar, was er am 4. November 2020 auch tat.

Die Rendite des Fonds betrug 1,5 Prozent, was bei den damaligen Negativzinsen zwar nicht schlecht, aber auch nicht spekulativ hoch war. Der Zweck der Fonds war auch nicht spekulativ; offiziell ging es nur um die Vorfinanzierung von Lieferantenkrediten – und dies erst noch abgesichert mit einer Kreditversicherung.

Für den auf Wirtschaftsdelikte spezialisierten Zürcher Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel stellten sich aber nach der Pleite der Fonds im März 2021 brisante Fragen. Namentlich die: Ab wann wusste die Credit Suisse, dass die Versicherung nicht mehr mitmachen wollte? Fragen ergaben sich aber auch aus dem seltsamen Verlauf der Kundenbeziehung zwischen der Bank und K. Warum riet ihm der Kundenberater Mitte 2020 zum Ausstieg – nur, um ihm zwei Monate später die Fonds wieder zu empfehlen?

Zweifel innerhalb der Credit Suisse an Greensill

Der damalige Bankchef Thomas Gottstein sagte dazu in einem Interview mit der NZZ: «Unsere Risikochefin Lara Warner wurde erst am 22. Februar über das Auslaufen der Versicherung informiert.» Ob das stimmt, ist Gegenstand der Strafuntersuchung. 

Auch was die Qualität der Investitionen anging, gibt es Hinweise auf strafbare Handlungen. Gottstein sagte im Interview: «Wir haben letzten Sommer (2020) zwei Teams damit beauftragt, das Supply-Chain-Finance-Geschäft genauer zu überprüfen. Zum einen die sogenannte erste Verteidigungslinie, das zuständige Asset-Management-Team. Zum andern ging auch ein Auftrag an das Risikoteam, die zweite Verteidigungslinie.»

Laut Jean-Richard bestand Anlass, umfassende Ermittlungen über den Informationsstand des Credit-Suisse-Managements einzuleiten. Denn dieses wurde angeblich bereits im Juli 2019 gewarnt. Dabei ging es um konkrete Informationen über den Versicherungsschutz, die Bevorschussung künftiger Forderungen und sonstige Warnhinweise auf eine ungenügende Bonität des Lieferkettenfonds. Die Frage ist, was die bankinterne Untersuchung ergeben hat. Und warum es sein konnte, dass trotz dieser Untersuchung luftige Forderungen wie «hypothetische künftige Forderungen» belehnt wurden – so Jean-Richard in einem Memo, das der SonntagsZeitung vorliegt. Auch das könnte strafrechtlich relevant sein.

Finanzmarktaufsicht ermittelt gegen Gottstein

Um die Untersuchung voranzubringen, hat sich Jean-Richard eine ungewöhnliche Taktik ausgedacht. Zunächst hat er, wie üblich, die Polizei mit Untersuchungen beauftragt. Dabei stehen nicht die Kundenberater von K. im Vordergrund, sondern Personen im obersten Management der Credit Suisse.

So soll «mit hoher Priorität» Lara Warner überprüft werden, ebenso die für das Greensill-Geschäft zuständigen Asset-Manager. Genannt werden sechs Personen, darunter Philipp Wehle, damals Chef des weltweiten Private Banking mitsamt Asset-Management, Eric Varvel, damals Chef des Asset-Managements, und Michel Degen, Chef des europäischen Asset-Managements. Er kannte Lex Greensill persönlich.

«Ebenso ist mit hoher Priorität zu prüfen, ob vor dem 22.02.2021 Warnhinweise zum CEO Thomas Gottstein vorgedrungen sind», so Jean-Richard im Memo. Hierzu kam es im Frühling 2021 zu einer Aussprache mit der Finma. Die Staatsanwaltschaft versandte dazu bereits am 29. April 2021 ein Gesuch um einen Informationsaustausch. Das Thema ist jetzt Gegenstand der Finma-Untersuchung.