Formel 1 GP FrankreichWenn Mercedes für einen Boxenstopp 43 Stunden braucht
Beim Dauerweltmeister herrschen Pleiten, Pech und Pannen. Max Verstappen liegt vor Lewis Hamilton – daneben läuft ein verbaler Kleinkrieg.
1,82 Sekunden, und am Auto von Red Bull sind in Weltrekordzeit vier Räder gewechselt. Bei Mercedes kann das schon einmal 43 Stunden dauern.
Es war in Monaco, als ein Mechaniker den Schlagschrauber am Wagen von Valtteri Bottas schräg ansetzte, das Präzisionswerkzeug wie wild drehte, die Radmutter ihre Zähne verlor und Bottas seinen Podestplatz. Erst zwei Tage später hatten die Dauerweltmeister das vermaledeite Ding vom Mercedes gewuchtet. Bis sich Bottas davon und Teamkollege Lewis Hamilton von seinem 7. Platz erholt hatten, dürfte es noch etwas länger gedauert haben.
Es herrscht gerade nicht Feierlaune beim erfolgsverwöhnten Formel-1-Rennstall, es herrschen Pleiten, Pech und Pannen. Als zuletzt in Baku Lewis Hamilton die formidable Chance erhielt, Max Verstappen in der WM zu überholen, weil dem Niederländer bei über 300 km/h der Reifen geplatzt war, machte ein kleiner Knopf an der linken Rückseite des Lenkrads alles zunichte.
Zuletzt zwei kräftige Ohrfeigen
Beim Neustart drückte der Brite unabsichtlich auf diesen «magic button», wie sie ihn bei Mercedes nennen. Dadurch wurde die Bremsbalance nach vorne verschoben, was gut ist, wenn sich die Reifen vorne erhitzen sollen. Sollten sie während des Rennens aber nicht. Hamilton schlitterte beim Angriff auf Verstappens Teamkollegen Sergio Pérez geradeaus: 0 Punkte statt WM-Führung.
Monaco und Baku hielten zwei kräftige Ohrfeigen bereit für das Vorzeigeteam, für die Streber der Formel 1. Sieben Punkte gab es für Mercedes in den zwei Rennen. Eine bescheidenere Ausbeute erlebte es letztmals 2012. Red Bull holte in Monaco und Aserbeidschan 62 Punkte. In der Konstrukteurswertung sind die Österreicher enteilt, in der Fahrer-WM liegt Verstappen allerdings nur vier Punkte vor Hamilton, am Sonntag ist Le Castellet erst Station 7 von 22.
Doch dass ihn Fahrer aus einem anderen Team überhaupt so bedrängen, daran muss sich der siebenfache Weltmeister erst einmal gewöhnen. Dass er in Baku rundenlang nicht an Pérez vorbeikam, nannte der 36-Jährige «eine erstaunliche Erfahrung».
Teamchef Wolff poltert gegen seine Leute
Auch Toto Wolff, sein Chef, hat offensichtlich seine liebe Mühe mit der derzeitigen Situation. Jedenfalls polterte er nach Baku wie selten gegen sein eigenes Team. «Wir haben unsere Erwartungen nicht erfüllt», sagte er. «Alle zusammen. Lewis, die Ingenieure, ich. Einfach alle.»
Nun ist es in diesen Tagen so, dass weder bei Mercedes noch bei Red Bull jemand etwas sagen könnte, ohne dass gleich die verbalen Giftpfeile aus der Gegenrichtung kämen. Also reagierte Red-Bull-Teamchef Christian Horner selbst auf diese Aussagen von Wolff, den er einen «Schwätzer» nennt. «Er hat keine Angst, sein Team öffentlich zu rösten. Ich finde das nicht gut», sagte der Engländer.
Fachportale schreiben mittlerweile von einem «Kleinkrieg» zwischen den Rennställen. Vor allem Red-Bull-Sportchef Helmut Marko und sein österreichischer Landsmann Wolff tragen eine durchaus unterhaltsame Fehde in der Öffentlichkeit aus. Wolff nannte Marko auch schon «Mister Grumpy», Herrn Griesgram.
«Wir haben die schnellste Kombination aus Auto und Fahrer, doch bei dem Glück, das Mercedes hat, muss man um jeden Punkt froh sein, um den man sich absetzen kann.»
Der Angesprochene wiederum setzte letzte Woche zum Seitenhieb an: Red Bull habe dank Verstappen «die schnellste Kombination» aus Auto und Fahrer, «doch bei dem Glück, das Mercedes hat, muss man um jeden Punkt froh sein, um den man sich absetzen kann».
Für allerlei Wortgefechte hatten jüngst auch die Heckflügel von Red Bull und anderen Teams gesorgt. Diese sollen zu biegsam gewesen sein, was die Autos auf den Geraden schneller machen würde. Wolff drohte mit einem formellen Protest – in Baku hatte Red Bull dann ein anderes Modell am Auto. Und Red-Bull-Teamchef Horner ätzte, Wolff solle doch «den Mund halten», schliesslich seien es ja die Frontflügel von Mercedes, die viel zu beweglich seien.
Jedenfalls werden die umstrittenen Teile ab diesem Rennwochenende in Frankreich vom Weltverband FIA genauer getestet. Überhaupt soll es in Le Castellet vorbei sein mit der Herrlichkeit Red Bulls. Die letzten beiden Grands Prix waren Stadtkurse, die Schleicherkurven liegen dessen Autos. Der Mercedes dagegen mag es zügig, und solche Strecken kommen nun.
Auch der Blick zurück dürfte Hamilton zuversichtlich stimmen: Die bislang zwei Rennen seit 2018 und der Rückkehr Frankreichs in den Kalender gewann er. Doch zumindest mit seinen Spazierfahrten von Sieg zu Sieg scheint es vorbei zu sein.
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