Emotionales Thema WetterWenn Klimaskeptiker TV-Meteorologen bedrohen
Gehässige Reaktionen auf Wettervorhersagen nehmen zu. In den USA hat ein langjähriger Meteo-Ansager nach Morddrohungen seinen Job aufgegeben – wie sieht die Situation in der Schweiz aus?
«Einfach nur krank, diese Hitze-Hysteriker!», wetterte Christoph Mörgeli am Sonntag auf Twitter. Grund für sein erhitztes Gemüt: Ein Warnhinweis von Meteo Schweiz auf seinem Handy. Unter einem Gefahrensymbol mit Ausrufezeichen steht «Schwere Hitzewarnung», darunter die Präzisierung «bis 20:00, Dienstag, 11. Juli». In Ascona, wo sich Mörgelis Handy zur Mittagszeit befand, wurde für den Tag eine Höchsttemperatur von 29 Grad Celsius angezeigt.
Über 31’000 Aufrufe und 110 Kommentare generierte sein Tweet bislang. Manche halten dagegen; die einen beschwichtigend mit «Für bestimmte Altersgruppen sind solche Temperaturen durchaus tödlich. Macht Sinn», während andere direkt auf den ehemaligen SVP-Nationalrat zielten: «Sie haben nichts verstanden… offensichtlich.»
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Diverse Kommentarschreiber stimmen Mörgeli zu: «Einfach krankhaft, dieses affige Klimakrise-Geschrei und Angstmacherei», schrieb eine Person. Ein anderer fand: «Wetterapps, die – seit neuestem – ständig unsinnige Warnungen verbreiten, gehören gelöscht.» Und dazwischen der Post «Ja, euch hat es bereits die letzten Hirnzellen weggebrannt!» Wobei nicht eindeutig ist, wen genau die kommentierende Person damit gemeint hat.
Die Diskussion war gewohnt emotional, kreiste aber bloss lokal auf Twitter. Anders sieht es aktuell in den USA aus. Dort kämpfen Meteo-Stationen zunehmend mit heftigen Reaktionen von Zuschauerinnen und Zuschauern. Im Bundesstaat Iowa hat ein langjähriger TV-Meteorologe vergangenen Freitag seinen Job beim Sender KCCI Des Moines gekündigt.
Im Shitstorm rechtskonservativer Zuschauer
In seiner letzten Sendung informierte Chris Gloninger das Publikum, er sei in einen Shitstorm von rechtskonservativen Zuschauern geraten – weil er es gewagt hatte, über den Klimawandel zu sprechen. Nach Todesdrohungen gegen sich und seine Familie zog der 38-Jährige nun einen Schlussstrich, auch, weil er, wie er weiter ausführte, wegen der Angriffe an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.
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Chris Gloninger galt beim Sender als beliebter Wetteransager. Das änderte sich im Sommer 2022, als er in einer Reportage Belege für den Klimawandel aufzeigte. Daraufhin soll er zig Droh-Mails erhalten haben. Zum Beweis postete er einige Screenshots bei Twitter. «Ich habe die Nase voll von deinen linken Verschwörungstheorien über Wetter und Klimawandel», heisst es in einem der netteren Nachrichten.
Einer der Kommentarschreiber wurde vergangenen September zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Gloninger während mehrerer Wochen mit E-Mails belästigt hatte. Damals soll der Sender Gloninger gebeten haben, seine Berichterstattung etwas abzuschwächen – offenbar, um die Einschaltquoten nicht zu gefährden.
2010 glaubte nur ein Drittel der amerikanischen Fernseh-Wetteransager, dass die Klimaerwärmung existiert.
Nun haben die Drohungen von Zuschauern aber offenbar eine neue Dimension erreicht. «Ich beende eine 18-jährige Karriere beim Fernsehen, von der ich seit der zweiten Klasse geträumt habe, deshalb bin ich ein wenig emotional», sagte der Meteorologe am Freitag vor laufender Kamera und kämpfte dabei mit den Tränen. Er gebe nicht auf, er werde versuchen, auf andere Weise Wege zu finden, um etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, denn das sei aktuell wichtiger denn je.
Dass TV-Meteorologinnen und -Meteorologen in den USA vermehrt angegriffen werden, hat auch damit zu tun, dass sie zunehmend die Klimaerwärmung thematisieren, statt bloss das Wetter anzusagen. Denn die Mehrheit von ihnen ist inzwischen davon überzeugt, dass die Klimakrise eine Tatsache und menschengemacht ist.
Das war vor wenigen Jahren noch ganz anders. 2010 glaubte nur ein Drittel der amerikanischen Fernseh-Wetteransager, dass die Klimaerwärmung existiert. Das zeigte eine Befragung der George Mason University in Virginia. Mehr als ein Viertel der Befragten stimmte gar der Aussage «Die globale Erwärmung ist ein Schwindel» zu.
Nun hat sich das aber komplett gewandelt. Bei einer neuen Umfrage der Universität im Jahr 2020 war die Zahl der TV-Meteorologen, die an einen Klimawandel glauben, auf 95 Prozent angestiegen; zwei Drittel fanden, die Krise sei grösstenteils oder vollständig menschengemacht. In sie steckt nun etwa die gemeinnützige Nachrichtenorganisation Climate Central grosse Hoffnungen, die amerikanische TV-Meteo-Redaktionen seit 2010 unterstützt, klimawissenschaftliche Inhalte zu erstellen.
«Es besteht kein Grund, die Berichterstattung in eine bestimmte Richtung anzupassen.»
Denn schon mehrfach haben Untersuchungen gezeigt, dass Amerikanerinnen und Amerikaner den TV-Meteorologinnen mehr vertrauen als etwa Politikern und Klimaaktivisten wie Al Gore. Meteo-Ansager gelten daher als beste Botschafter für den Klimawandel. Aber zu welchem Preis? Und dringen polarisierende Diskussionen auf Social Media bis zu den Schweizer TV-Meteorologinnen und -Meteorologen? Immerhin sagen diese ja auch nicht bloss das Wetter an.
Im Schweizer Fernsehen ist dies Teil des Sendekonzeptes. «Seit Bestehen der Sendung ‹SRF Meteo› beschränken wir uns nicht nur auf die Wetterprognosen der nächsten Tage, sondern wir thematisieren und beleuchten praktisch in jeder Sendung zusätzliche Fakten zu Wetter, Unwetter und Klima im weiteren und engeren Sinne», hält der «SRF Meteo»-Redaktionsleiter Thomas Bucheli auf Anfrage schriftlich fest.
Keine Drohungen gegenüber «SRF Meteo»
Den polarisierenden Klimawandel abschwächend zu behandeln, wie das angeblich der amerikanische Sender von Chris Gloninger gefordert hatte, steht bei SRF nicht zur Debatte. «Die Erklärungen, Einordnungen und Hintergrundinformationen erfolgen stets nach objektiv-wissenschaftlichen Grundsätzen und orientieren sich am aktuellen Erkenntnisstand der Wetter- und Klimaforschung. Es besteht daher kein Grund, die Berichterstattung in eine bestimmte Richtung anzupassen.»
Im Gegensatz zu Wetteransagern in den USA ist das Team von «SRF Meteo» gemäss Bucheli aber keinen Drohungen ausgesetzt. «Bei Klimathemen gab es schon immer einzelne kritische Stimmen, eine Zunahme oder Häufung stellen wir aber nicht fest.» Eine andere Erfahrung macht der ZDF-Wetterexperte Özden Terli, der in seinen Wetterberichten regelmässig Fakten über die Klimakrise vermittelt. Dafür wird er massiv angefeindet. Wie das aussieht, erklärte er etwa dem «Tagesspiegel»: «Ich zeige eine Grafik oder Animation und werde als politischer Aktivist beschimpft.» In Kommentaren, Mails und Tweets heisst es, er verbreite «Falschinformationen», «Propaganda» und sei ein «Scharlatan».
Kritische Reaktionen wie jene von Christoph Mörgeli haben «etwas zugenommen».
«Das Wetter ist ein emotionales Thema», sagt Barbara Galliker, Sprecherin von Meteo Schweiz. Beim nationalen Wetterdienst stellt man fest, dass kritische Reaktionen wie jene von Christoph Mörgeli «etwas zugenommen» hätten. «Diese bleiben aber meistens korrekt. Falls wir Kommentare erhalten, die unserer Netiquette widersprechen, schalten wir diese nicht auf.» Sich von der Kritik leiten zu lassen, kommt aber auch für Meteo Schweiz nicht infrage. «Wir sind den wissenschaftlichen Erkenntnissen verpflichtet und kommunizieren sachlich und objektiv.» An den von Christoph Mörgeli monierten Hitzewarnungen halte man daher selbstverständlich fest – zum Schutz der Bevölkerung.
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