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Als Schweizer in die NFL?
Wenn eine Million Gegner lauern

Timothy Schürmann spielt in Basel American Football, seit er 13 ist. Nun will er wissen, wie weit ihn sein Körper trägt. Für einen Platz in der NFL-Academy hat er sich gegen 3000 Konkurrenten durchgesetzt.
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Einerseits ist da jetzt dieser Traum. Doch andererseits die Stimme, die ihm sagt: «Träum bloss nicht!»

Klare Worte, eine ehrliche Einschätzung, so hart beides klingen mag – Timothy Schürmann ist froh darum. Der junge Basler, 19-jährig, hat sich den Mount Everest vorgenommen. Er spielt American Football und will es in diesem Sport dorthin schaffen, wo fast jeder schon American Football spielt: nach Amerika.

Auf Jungs aus Europa wartet dort eigentlich keiner: Es hat Talente genug. Pro Jahrgang spielen mehr als eine Million an einer Highschool, etwa 72’000 von ihnen gelingt auch der nächste Schritt, jener ans College. Und schliesslich gar in die Profiliga NFL? Dort hat es in einem guten Jahr 1200 Neulinge. Nur eine Handvoll stammt jeweils aus Europa.

Doch genau das, diesen Sprung von hier nach dort, hat Schürmann nun vor. Er wurde vergangenes Jahr ausgewählt, an der NFL Academy in London College-Reife erlangen zu dürfen, schulisch und athletisch, von 3000 Bewerbern ist er einer der nur 80 Aufgenommenen. Sieben Trainings pro Woche unter professionellen Bedingungen, täglich Schule, dazu Unterstützung bei den Bewerbungen für eine Universität – zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie war das sein Alltag im Norden Londons. Er lebt dort bei einer Gastfamilie.

Corona verschleppt den Prozess

Doch derzeit ist Schürmann zurück in Basel, vertreibt sich die Zeit mit Onlinekursen und individuellem Training und hofft, dass sein Bewerbungsprozess nicht wegen Corona scheitert. Ob es für ein Stipendium reicht? «Noch bin ich zuversichtlich», sagt Schürmann nach kurzem Zögern. Doch die Zeit verrinnt – jedoch darf er sowieso bis Sommer 2021 in London bleiben. Die Academy mit ihrem zweijährigen Lehrgang wurde erst letztes Jahr gegründet. Schürmann ist der einzige Schweizer.

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Einst ein talentierter Tennisspieler, betreibt er Football, seit er 13 ist. Beim Nationalliga-A-Team der Gladiators beider Basel hat er alle Nachwuchsstufen durchlaufen, und er spielte zwischenzeitlich auch in der U-17-Bundesliga. «Er ist zweifelsohne sehr talentiert, das zeigte sich früh», sagt Robin Haas. Der Bündner ist Chef-Juniorentrainer der Gladiators und hat Schürmann sechs Jahre lang trainiert. In dessen letztem Jahr in der U-19 der Gladiators liess er ihn gar auf beiden Seiten des Balles spielen: in der Offensive als Passempfänger und in der Defensive als Lineman.

In der NFL-Academy ist Schürmann als Linebacker gelistet – es ist in der Abwehr die Königsdisziplin. Schürmann hatte auf diesen Entscheid keinen Einfluss. Dass er das Spiel lesen könne, stuft er als seine Stärke ein. Haas lobt die exzellente Handtechnik, die Koordination und den Lernwillen seines ehemaligen Spielers.

Doch Talent oder Wille allein, sagt Haas, das reiche nicht. Der 45-Jährige weiss das, weil er seit vielen Jahren regelmässig an einer Universität in Colorado als Assistent arbeitet. Auch Schürmann ist klar: «Es braucht genauso viel Glück.» Auf den Tischen der Scouts landen täglich Hunderte, ja Tausende Bewerbungsvideos von Spielern, die von der Karriere träumen, gerade im Frühling, wenn die Frist zur Vergabe neuer Stipendien naht. «Man muss etwas Spezielles an sich haben, um aufzufallen», ist Schürmann bewusst.

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Bei den Gladiators beider Basel durchlief Timothy Schürmann alle Juniorenstufen. Er war so gut, dass er zuletzt in der Offensive und Defensive eingesetzt wurde.
Er fällt auf – auch den Scouts? Timothy Schürmann hofft auf ein Stipendium einer grossen Universität. Ob das realistisch ist, wird sich zeigen.
Timothy Schürmann ist der erste Schweizer, der die NFL-Academy in London absolvieren darf. Die Corona-Pandemie zwingt nun aber auch ihn zum Heimaturlaub in Basel.

Das mag generell gelten im Football, für Europäer (oder: Nicht-Amerikaner) ist es essenziell. Rund 50 Ausländer stehen derzeit in der NFL unter Vertrag, doch bis zum Saisonstart im September werden die jetzigen Kader fast halbiert. Nur wenige Spieler aus Europa haben es je zu NFL-Ruhm gebracht – die bekanntesten sind Morten Andersen, ein Kicker aus Dänemark, oder der Brite Jay Ajayi, der vor zwei Jahren als Runningback der Philadelphia Eagles die Superbowl gewann.

Zu tun hat das auch mit der Tatsache, dass im Gegensatz zu den anderen grossen US-Sportligen in der NFL eine dreijährige Ausbildung an einer Universität vorausgesetzt wird. Erst 2018 wurde erstmals überhaupt ein Spieler eingesetzt, der zuvor ausschliesslich in einer europäischen (Amateur-)Liga zum Einsatz gekommen war – der in Nigeria geborene Brite Efe Obada war das. Der Deutsche Moritz Böhringer wurde 2016 als erster Spieler direkt aus Europa im Draft-Verfahren verpflichtet, hat aber seither kein NFL-Spiel bestritten.

Glauser war ein Pionier

Allerdings ist eine College-Ausbildung genauso wenig ein Garant für eine NFL-Karriere. Der Aargauer Daniel Glauser, auch er ein ehemaliger Gladiator, hatte 2012 ein Stipendium an der erstklassigen Florida State University erhalten und bestritt mit den Serminoles einige Spiele. Es waren aber zu wenige, um ernsthaft ein Thema für die Profiteams zu werden. Im Gegensatz zu Glauser wurde sein Teamkollege bei den Seminoles, der Deutsche Björn Werner, im Draft der NFL von den Indianapolis Colts ausgewählt. Nach drei Jahren war jedoch auch sein Abenteuer vorbei. Das entspricht der Durchschnittslänge einer Profikarriere in der NFL.

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Efe Obada war der erste Spieler aus einer europäischen Liga, der in der NFL zum Einsatz kam. Das Bild zeigt ihn beim Gastspiel seiner Carolina Panthers im Rahmen der NFL International Series in seiner Heimat London.
Warf sich für die Florida State University in die Schlacht: Der Aargauer Linesman Daniel Glauser (Nummer 67).
Björn Werner war den Indianapolis Colts ein Erstrundenpick im Draft des Jahres 2013 wert. Drei Jahre bliebt der Deutsche in der NFL. Heute ist er Footballexperte im deutschen Fernsehen.

Für Timothy Schürmann ist dieses Thema weit weg. «Ich geniesse den Moment und spiele Football, weil es mir Spass macht», sagt er. Er sei in London rundum versorgt, sagt er. Und dass es mit einer Football-Karriere schwierig werden wird, habe er an der NFL-Academy am Tag eins zu hören bekommen. Ja, er schwärme von Florida State, dieser riesigen Uni in Floridas Hauptstadt Tallahassee, doch auch sein einstiger Juniorentrainer Haas habe ihm bei einem Besuch in London deutlich gesagt: «Hör auf zu träumen. Für dich als Schweizer ist ein Stipendium praktisch ausser Reichweite.» Schürmann findet, er kenne niemanden, der direkter sei.

Im Gespräch mit dieser Zeitung gibt sich Haas diplomatischer. Er sagt: «Ich denke, er kann sehr wohl ein Stipendium bekommen.» Eines von Florida State oder einer anderen Universität aus der höchsten Klasse, der «Football Bowl Subdivision», erscheint ihm aber wenig realistisch. Auch Schürmann ahnt: «Der Konkurrenzkampf um diese Plätze ist riesig.» Die verantwortliche US-Scoutingagentur hat ihn für einen Platz in der zweithöchsten Kategorie empfohlen, der Division I.

Doch was tut Schürmann, falls auch dies nicht klappt? Er nähme es wohl gelassen, sagt er: «Dann freue ich mich, dass mich mein Körper bis in die NFL-Academy gebracht hat – und beginne ein Psychologiestudium.»

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