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Bewegung bei den Witwenrenten
Wenn der Partner stirbt, sollen auch Ledige eine Rente bekommen

Eine Mutter geniesst mit ihren Kindern die Winterfreuden.
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Jacqueline Arter und ihr Partner waren Exoten. Sie wollten eine Familie, aber keine Heirat, das war vor über 20 Jahren in der konservativen Innerschweiz. Doch die Meinung der Nachbarn war das kleinere Problem. Schwieriger wurde es, als der Vater sich das Leben nahm, der Sohn war noch ganz klein. Die Mutter hatte als Unverheiratete keinen Anspruch auf eine Witwenrente. Es sei «der Horror» gewesen, erzählt Arter. Keine Hilfe, dafür Streit mit den Behörden, denen sie über jeden Franken Kindesvermögen rapportieren musste. «Für Trauer war keine Zeit.»

GLP-Nationalrätin Corina Gredig (ZH) möchte aufräumen mit der Ungleichbehandlung bei den Witwenrenten. Nicht nur verheiratete Väter und Mütter sollen im Todesfall des Partners eine Hinterlassenenrente bekommen. Die Witwenrente soll auch Unverheirateten gewährt werden – grundsätzlich allen hinterbliebenen Eltern, wenn sie Kinder unter 25 beziehungsweise in Ausbildung haben. Das fordert Gredig in einer parlamentarischen Initiative, die sie am Dienstag eingereicht hat.

Verheiratete Witwen sind heute erheblich besser gestellt

Damit wäre Schluss mit den Vorteilen für verheiratete Witwen: Sie erhalten heute auch eine Rente, falls sie keine Kinder haben, sofern sie beim Tod des Partners älter sind als 45. Und sie behalten die Rente bis zur Pensionierung, auch wenn sie nicht mehr für ihre Kinder aufkommen müssen.

Witwen sind damit heute auch deutlich besser gestellt als verwitwete Männer. Diese bekommen nur dann eine Rente, wenn sie minderjährige Kinder haben. Das hat historische Gründe: Bei der Einführung der Witwenrente 1948 war der Mann allein für die Ernährung der Familie zuständig. Erst 1997 wurde eine – kleinere – Hinterlassenenrente für Witwer eingeführt. Die Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern in der Schweiz muss jedoch behoben werden, wie nach einem Urteil des Menschenrechts-Gerichtshofs vom Oktober 2020 klar ist. Ein verwitweter Vater aus der Ostschweiz hatte in Strassburg geklagt.

GLP-Nationalrätin Corina Gredig will mit der Ungleichbehandlung bei den Witwenrenten aufräumen.

Ein Beispiel dafür, wie auch verwitwete Väter in finanzielle Schwierigkeiten geraten, ist Daniel Häcki aus Engelberg OW. Als seine Frau vor zehn Jahren an einer Hirnblutung starb, waren die Kinder zwei und fünf Jahre alt. Es folgte ein Überlebenskampf. Zwar bekommt Häcki eine Hinterlassenenrente für sich und die Kinder, doch sie ist erstens kleiner als die Witwenrente. Und sie erlischt, wenn die Kinder 18 sind. Die Vollzeitbetreuung der Kinder war teuer und er konnte sie nicht von den Steuern abziehen. Die Folge waren hohe Steuern und Schulden. «Die Leute in meinem Umfeld meinen, das Gröbste sei doch jetzt vorbei», sagt Häcki. Doch das stimme nicht. Die Kinder kämen erst in die Ausbildung, und wenn sie mittendrin sind, erlischt der Anspruch auf Hinterlassenenrente.

Trost fand Daniel Häcki beim Verein Aurora, einer Kontaktstelle für Verwitwete mit Kindern. «Dort habe ich erstmals mit Personen sprechen können, die dasselbe erlebt haben», sagt er. Jacqueline Arter engagiert sich in dem Verein. Beide unterstützen den Vorstoss von Corina Gredig. Eine vollständige Gleichstellung aller hinterbliebenen Väter und Mütter sei das einzig Richtige, sagen sie. Und der Anspruch auf eine Rente bis die Kinder ihre Erstausbildung abgeschlossen haben, längstens bis sie 25 sind.

Bewegung im Parlament

Gredigs Vorstoss ist nicht der einzige zu diesem Thema, der momentan im Parlament hängig ist. Mitte-Nationalrat Marco Romano regt ein ähnliches Modell an. SP-Nationalrätin Yvonne Feri verlangt vom Bundesrat einen Bericht über Gleichbehandlung von Witwen und Witwern.

Bisher scheiterte eine Reform daran, dass eine Senkung der Witwenrente bei der Bevölkerung als chancenlos galt. Und eine Erhöhung der Renten für Witwer war nicht opportun wegen der Mehrkosten. Ein Mittelweg, wie ihn Corina Gredig vorschlägt, wäre womöglich nicht viel teurer als das heutige Modell, meint Gredig. Und zwar deshalb: Ende 2019 haben in der Schweiz 47’787 Witwen eine Rente bezogen, aber nur 1594 Witwer. Die Rentensumme für die Witwen betrug insgesamt 76,4 Millionen Franken, jene für die Witwer 2,1 Millionen. Die Summe der Witwenrenten ist also enorm viel grösser – auch deshalb, weil viele kinderlose Witwen heute eine Rente haben. Diese fielen dann weg. Das Bundesamt für Sozialversicherung will keine Schätzung über die Kostenfolgen anstellen. Das sei unmöglich, meint Sprecher Harald Sohns.

Die Summe für Witwenrenten beträgt 76,4 Millionen Franken. Jene für Witwer 2,1 Millionen.

Offenbar gibt es in dieser Frage Bewegung. Gredig hat Mitunterzeichnete aus allen Fraktionen für ihren Vorschlag, der bahnbrechend wäre, weil er auch Unverheiratete gleichstellen würde. «Ein Viertel aller Kinder werden heute ausserhalb der Ehe geboren», sagt Corina Gredig. «Wenn die Hinterlassenenrente diese Kinder ausschliesst, wird sie ihrem Namen nicht mehr gerecht.»

Einzig der Bundesrat ist offenbar anderer Meinung. Er ficht das Urteil aus Strassburg an, indem er es an die grosse Kammer weiterzieht.