Niedergang einer Messe-IkoneWeltgrösste Uhrenmesse abgesagt: «Die Baselworld ist tot»
Der schlingernde Messekonzern MCH verschiebt seine einstige Vorzeigeveranstaltung erneut. Beobachter gehen davon aus, dass sie sich nicht mehr erholt.
Es ist gerade mal zwei Monate her, dass die Verantwortlichen der MCH-Gruppe die Wiederauferstehung ihrer Uhrenmesse Baselworld beschworen haben: Für die kommende Austragung im Frühling 2022 habe man sich neu erfunden und den neusten Trends der Branche angepasst, sagten Unternehmenschef Beat Zwahlen und der Baselworld-Verantwortliche Michel Loris-Melikoff.
Die grossen Worte sind schon wieder Makulatur. Am Freitagmorgen teilte MCH mit, die weltgrösste Uhren- und Schmuckmesse finde nicht statt. Man brauche noch mehr Zeit, um die Bedürfnisse der Aussteller genauer zu analysieren. Als weiteren Grund nennt MCH die verschärfte Corona-Situation.
Gleichzeitig gab Loris-Melikoff bekannt, dass er seinen Posten räume – laut dem Unternehmen aufgrund der Absage der Messe. Er hatte seinen Posten erst 2018 angetreten und die Ausgabe 2019 über die Bühne gebracht. Seitdem fand keine weitere Baselworld mehr statt.
Loris-Melikoff wollte sich am Freitag nicht weiter dazu äussern. Ein Unternehmenssprecher schreibt: «Das ist ein persönlicher Entscheid von Michel Loris-Melikoff, den ich nicht kommentiere. Ihm wird sicher nicht Erfolglosigkeit oder Fehlverhalten vorgeworfen.»
Die Grossen sind abgesprungen
Verschiedene Branchenkenner sagen, die genannten Gründe für die Absage seien vorgeschoben. Es fehlten schlicht die Aussteller, um die Messe gewinnbringend durchführen zu können.
Einer davon ist Oliver Müller vom Beratungsunternehmen Luxeconsult. «Die Baselworld ist tot», sagt er. Er sehe keine Möglichkeit, wie die einst stolze Messe neben dem erstarkten Genfer Uhrensalon Watches and Wonders weiterhin bestehen wolle.
Zu diesem waren in den vergangenen Jahren die meisten grossen Marken wie Rolex, Patek Philippe und Chopard übergelaufen. Vor zwei Jahren verliess der weltgrösste Uhrenkonzern Swatch Group die Messe. In den letzten Monaten sind der Baselworld weitere Hersteller abgesprungen. «Darum habe ich erwartet, dass sie die nächste Ausführung absagen müssen», sagt Müller.
«Klar ist, dass es die Baselworld, wie man sie bis 2019 gekannt hat, nicht mehr geben wird.»
Ein anderer Experte, der nicht genannt werden will, bestätigt: «Die Baselworld war eigentlich schon vor der neusten Ankündigung tot.» Man versuche zwar jetzt, sie nochmals aufzubauen. «Aber, wenn überhaupt, wird Basel höchstens noch ein kleines Anhängsel zum grossen Event in Genf sein.»
Die Kommentatoren lägen falsch, entgegnet der MCH-Sprecher. «Klar ist, dass es die Baselworld, wie man sie bis 2019 gekannt hat, nicht mehr geben wird.» Aber es bestehe ein ausreichendes Marktpotenzial für das neue Geschäftsmodell.
Noch 2015 hatte die Baselworld 150’000 Besucherinnen und Besucher gezählt. An der bisher letzten Ausführung 2019 waren es noch 80’000. Im gleichen Zeitraum fiel die Zahl der Ausstellerfirmen von 1500 auf 500. Berater Müller urteilt: «Die Baselworld-Führung hat die Uhrenhersteller jahrelang arrogant behandelt und finanziell geschröpft. Es war nur eine logische Konsequenz, dass diese sich nach Alternativen umgesehen haben.»
In den vergangenen vier Jahren ist der MCH-Aktienkurs wegen des Niedergangs der Baselworld von knapp 70 auf 11 Franken gefallen. In dieser Zeit hat allein der Kanton Basel-Stadt als lange Zeit grösster Aktionär rund 300 Millionen Franken verloren.
Auch die anderen staatlichen Eigner, der Kanton und die Stadt Zürich sowie der Kanton Basel-Landschaft, der sein Aktienpaket letztes Jahr abgestossen hat, mussten Verluste hinnehmen.
Heute ist die Firma Lupa Systems im Besitz von James Murdoch, Sohn des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch, mit gut 32 Prozent die grösste Aktionärin.
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