Kolumne Nadine JürgensenWeg mit der Heiratsstrafe!
Nach vierzig Jahren hin und her braucht es bei der Besteuerung von Ehepaaren endlich eine pragmatische Lösung.
Kürzlich kam am Rande einer Veranstaltung eine einflussreiche Wirtschaftsfrau auf mich zu. Sie fragte: «Meinst du, die Individualbesteuerung wird durchkommen? Ich mache mir Sorgen.» Tatsächlich zeigt die Vernehmlassung des Bundes: Ausser der FDP, der GLP und Economiesuisse findet die Idee momentan keine Unterstützung. Warum eigentlich?
Dazu müssen wir von vorne anfangen: Schon 1984 hatte das Bundesgericht entschieden, dass die Heiratsstrafe verfassungswidrig ist und abgeschafft werden müsse. Von «Heiratsstrafe» war die Rede, wenn Ehepaare mindestens 10 Prozent mehr direkte Bundessteuern bezahlen als unverheiratete Paare in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Kantone sind dieser Forderung nachgekommen, nur auf Bundesebene kann man sich bis heute nicht einigen.
Die damalige CVP war 2016 mit ihrer Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe fast erfolgreich: Sie stolperte jedoch, als sie in der Steuervorlage auch noch die gleichgeschlechtliche Ehe ausschliessen wollte – das Stimmvolk sagte knapp Nein. Dazu beigetragen hat auch ein ärgerlicher Fehler der Steuerverwaltung. Sie vermeldete vor der Abstimmung, dass 80’000 Ehepaare von der Heiratsstrafe betroffen seien. Tatsächlich sind es aber 454’000 (darunter auch Rentnerehepaare), die Verwaltung hatte Familien mit Kindern nicht eingerechnet.
Nun stehen drei Volksinitiativen zur Debatte: Eine davon kommt von den FDP-Frauen. Sie wollen die Individualbesteuerung einführen, sodass jede Person eine eigene Steuerrechnung einreicht. Beseitigt wäre damit die Ungerechtigkeit, dass ein tieferes Zweiteinkommen zum höheren Ersteinkommen hinzugerechnet und übermässig besteuert wird.
Doch es gibt auch Schwachstellen an der individuellen Besteuerung: Zum einen geht Steuersubstrat in der Höhe von einer Milliarde Franken verloren, was jedoch mit einer erhöhten Erwerbstätigkeit der Frauen teilweise kompensiert werden könnte. Zum anderen würden Alleinerziehende sowie Familien mit nur einem Einkommen oder nur einem geringen Zweiteinkommen stärker besteuert. Die Mitte setzt deshalb mit ihren beiden Initiativen auf Steuersplitting: Ehepaare würden weiterhin gemeinsam besteuert, jedoch würde das Einkommen zusammengerechnet und dann geteilt.
Wie auch immer: Auf das Parlament wartet Arbeit. Während die Kantone den Mehraufwand zusätzlicher Steuererklärungen fürchten, will die Mitte das traditionelle Familienmodell schützen. Ich persönlich wäre für folgende Umsetzung: Für junge Paare, die neu heiraten, gilt im Grundsatz die Individualbesteuerung. Für sie würde eine Heirat steuerlich günstiger. Für alle anderen gälte das Splitting, auf Antrag wäre die Individualbesteuerung möglich, wenn die Steuerdifferenz gross genug wäre. Wir brauchen nach vierzig Jahren hin und her endlich eine pragmatische Lösung.
Nadine Jürgensen ist Juristin, Unternehmerin und FDP-Kandidatin für den Nationalrat.
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