Krankheitssymptome im Netz Was uns Google-Daten über Covid-19 verraten
Trends in den Suchanfragen der weltweit grössten Internet-Suchmaschine könnten potenzielle Virus-Hotspots aufzuzeigen – und bisher unbekannte Symptome.
Wer sich nicht gut fühlt, fragt oftmals zuerst Dr. Google um Rat. Die Suchmaschine diagnostiziert einem sofort so viele mögliche (schlimme) Krankheiten, dass man sich dann doch mal lieber an den Arzt wendet. Das ist in der Corona-Krise nicht anders.
Das Schlagwort Coronavirus taucht in den beliebtesten Schweizer Google-Suchanfragen immer wieder auf. Es besteht reges Interesse, auf dem Laufenden zu bleiben. Vor allem aber interessiert uns doch, ob die Symptome, die wir haben, wirklich auf eine Covid-19-Erkrankung zurückzuführen sind, oder ob man nicht doch einfach nur eine Grippe hat.
Mit dieser immensen Fülle an Suchdaten lassen sich globale Tendenzen aufzeigen – und das Wissen zum noch jungen Virus erweitern, wie der englische Datenwissenschaftler und Buchautor Seth Stephens-Davidowitz in einem Gastbeitrag für die «New York Times» aufzeigte.
Equador: Ein grösserer Corona-Hotspot als gedacht?
Stephens-Davidowitz analysierte Daten von Google Trends, einem Tool, welches jedem offen steht, der sich für die von Google aggregierten Suchdaten interessiert. So lässt sich unter anderem einsehen, in welchem Land das Interesse nach dem Thema Coronavirus besonders hoch ist (derzeit vor allem im Mittleren Osten).
Was man nun analysieren kann, ist, in welchen Ländern besonders oft nach Begriffen und Wortketten gesucht werden, welche mit dem Virus und dessen Symptomen zu tun haben. So liessen sich potenzielle Corona-Hotspots entdecken, so die Schlussfolgerung von Stephens-Davidowitz.
Er fand heraus, dass die Suchanfrage «I can’t smell» («Ich kann nichts riechen») besonders in den US-Bundesstaaten beliebt ist, welche am meisten Infizierungen aufweisen. Ein Hinweis also, dass gehäufte Suchanfragen nach coronatypischen Symptomen und Prävalenz des Virus in einem Land zusammenhängen könnten.
In andere Sprachen übersetzt lässt sich das Spiel auf alle Länder ausweiten. So fand der Experte heraus, dass es in Ecuador nach offiziellen Zahlen zwar nur etwa einen Zehntel so viele Pro-Kopf-Infektionen wie in Spanien gibt, dafür etwa zehnmal häufiger nach «no puedo oler» («Ich rieche nichts») gesucht wird. «Die Suchdaten legen nahe, dass Equador vielleicht ein grösserer Covid-19-Herd ist, als die offiziellen Daten besagen», so Stephens-Davidowitz.
«My eyes hurt»
Neben den Gefahrenherden lassen sich anhand von gesammelten Daten aus Suchanfragen auch Symptombilder einzelner Krankheiten erstellen. Dafür hat der Experte Google-Daten einer Woche aller US-Bundesstaaten heruntergeladen und sie auf Dutzende Symptome hin analysiert, die er auf Medicinenet.com gesammelt hatte. Besonderes Augenmerk legte er auf die vom Coronavirus am meisten betroffenen Regionen. Die Vermutung: Diejenigen Symptome, die dort besonders oft gesucht wurden, sollten einen Zusammenhang zum Ausbruch von Covid-19 aufweisen und somit typisch sein.
Sein Ergebnis: In diesen Staaten besonders häufig gesucht wurden Wortketten im Zusammenhang mit Symptomen wie Fieber, Geruchsverlust und Schüttelfrost – keine grosse Überraschung, weiss man das doch bereits seit einiger Zeit. Ebenfalls sehr beliebt war jedoch auch die Suchanfrage «my eyes hurt» («meine Augen tun weh»). Augenschmerzen als coronatypisches Symptom war bisher weitgehend unbekannt. Eine Häufung dieser Suchanfrage stellte Stephens-Davidowitz auch im in den vom Coronavirus stark betroffenen Ländern Spanien und Italien fest.
Hundertprozentig erwiesen ist ein Zusammenhang des Symptoms Augenschmerzen mit Covid-19 damit natürlich noch nicht. Es könnte auch andere Gründe dafür haben, dass die Leute vermehrt danach gesucht haben, ist sich auch Stephens-Davidowitz bewusst. Er habe jedoch alternative Erklärungsansätze wie Allergien und die einfache Neugier der User im Internet ausschliessen können. «Ich denke, die Suchdaten bieten einen eindeutigen Beweis dafür, dass Augenschmerzen ein Symptom der Krankheit sein können.»
Augenschmerzen nicht sehr weit verbreitet
Gemäss offiziellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind die häufigsten Symptome einer Coronavirus-Infektion immer noch Fieber, Müdigkeit und ein trockener Husten. Symptome wie Augenschmerzen und Geschmacks- sowie Geruchsverlust nennt die WHO nicht.
Besonders häufig sollten die Augenschmerzen jedoch nicht auftauchen. «Das Gesamtvolumen der Suche nach Augenschmerzen bleibt trotz eines erheblichen Anstiegs in den Covid-19-Hotspots deutlich unter dem Suchvolumen für andere Symptome.» Ärzten und Gesundheitspersonal empfiehlt er jedoch trotzdem, sich mit dem Zusammenhang von Augenschmerzen und Covid-19 zu befassen.
sho
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