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Meinung

Was steht wohl in den JFK-Akten?

Die Regierung wollte die Verschwörungstheorien zu seinem Tod entkräften: John F. Kennedy.
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Wenn etwas an Oliver Stones Film «JFK» von 1991 tatsächlich stimmte, dann der Untertitel: «The Story That Won't Go Away – Die Geschichte, die nicht verschwinden wird». Der Hollywood-Regisseur hat wesentlich dazu beigetragen, dass das heute noch so ist: Seine brillant geschnittene Verschwörungstheorieverfilmung mit Kevin Costner in der Hauptrolle weckte in Amerika die schmerzhafte Erinnerung an das Kennedy-Attentat vom 22. November 1963. Vor allem aber verstärkte der oscargekrönte Film den Verdacht, die US-Regierung samt CIA und FBI würden die wahre Täterschaft vertuschen. Mehr denn je wurde angezweifelt, dass Lee Harvey Oswald ein Einzeltäter war: Eine Mehrheit der US-Bürgerinnen und -Bürger glaubte an ein Komplott, die gesunde Skepsis gegenüber der Regierung, Teil der amerikanischen DNA, kippte in Ablehnung.

Diesem Vertrauensverlust musste Washington entgegenwirken: Der US-Kongress verfügte 1992 per Gesetz, dass alle Dokumente zu Kennedys Tod bis in 25 Jahren publik werden; inzwischen sind es bereits 5 Millionen Seiten. Damit sollten die 250 Verschwörungstheorien rund um den Mord des Jahrhunderts entkräftet werden. Nun kommt die Deadline: Bis am Donnerstag müssen die letzten 3000 streng geheimen Papiere deklassifiziert sein. Ausserdem noch 30'000 Files, die bereits einsehbar sind, bisher jedoch nur mit geschwärzten Passagen. Soll noch einer sagen, Kultur könne nichts bewirken.

Verschwörungstheoretiker-in-Chief

Aufhalten kann diesen Prozess nur noch der US-Präsident persönlich, falls er die nationale Sicherheit gefährdet sieht. Schwer vorstellbar, 54 Jahre nach dem Attentat. Dennoch sollen CIA, FBI und Justizministerium versucht haben, Donald Trump davon abzubringen, alle Akten freizugeben. Der hat nun aber mitgeteilt, dass er die Veröffentlichung der JFK-Files wohl nicht stoppen werde. Er glaube, dies sei im Sinne «voller Transparenz» das Richtige.

Ein Entscheid nicht ohne Ironie: Trump hat als Verschwörungstheoretiker-in-Chief immer wieder Lügen in die Welt gesetzt. Vor allem, als er behauptete, Barack Obama sei nicht in den USA geboren worden und deshalb kein rechtmässiger Präsident. Oder, als er einem Rivalen im republikanischen Vorwahlkampf unterstellte, dessen Vater sei mit Lee Harvey Oswald befreundet gewesen.

Doch was steht wohl in den JFK-Akten? Die zuständigen Archivare dämpften die Erwartungen, man habe keine «Bombe» entdeckt. Dennoch steht eine Armee von Historikern, Journalisten, Attentatsforschern und Hobby­detektiven bereit. Tatsächlich gibt es schwarze Löcher, etwa Oswalds mysteriöser sechstägiger Trip nach Mexiko-Stadt, wo er die sowjetische und die kubanische Botschaft aufsuchte. Das war nur wenige Wochen vor dem Attentat. Bereits bekannt ist, dass Oswald dort prahlte, er werde den Präsidenten töten. Zudem hatte er eine kurze Affäre mit einer Angestellten der kubanischen Botschaft, die für die CIA spioniert haben soll. Der US-Geheimdienst wie auch die Bundespolizei FBI hatten Oswald in Mexiko-Stadt auf dem Radar, sie überwachten die Aussenposten des Feindes permanent, es war Kalter Krieg. Nicht ausgeschlossen ist deshalb, dass die neu zugänglichen Dokumente den Verdacht erhärten werden, dass CIA und FBI versagt hatten, da sie die drohende Gefahr nicht erkannten.

«Der Feind der Wahrheit ist sehr oft nicht die Lüge»

Das Schlagwortregister des amerikanischen Bundesarchivs verweist jedoch auch auf einen 86-seitigen Bericht über Exilkubaner, die von der CIA unterstützt wurden. Oswald wollte die Gruppe angeblich in New Orleans infiltrieren. Des Weiteren sollen sich mindestens 400 Seiten mit E. Howard Hunt befassen, CIA-Agent während der Kennedy-Jahre und unter Nixon ein Watergate-Verschwörer. Hunt sagte auf dem Totenbett, dass er vom geplanten Mord an Kennedy gewusst habe. Da ist es dann nicht mehr weit bis zu Oliver Stone.

«Der Feind der Wahrheit ist sehr oft nicht die Lüge – bewusst, erfunden und unlauter –, sondern der Mythos – langlebig, überzeugend und unrealistisch.» Das sagte Präsident John F. Kennedy im Juni 1962 vor Studenten der Yale- Universität. Sein Mythos begann eineinhalb Jahre später an der Dealey Plaza, Dallas. Er wird nicht enden, er ist stärker als jedes Dokument.