Netflix-Serie über gnadenlose britische MassenmedienWas sie auf Netflix spielt, ist ihr selbst passiert
Die angloamerikanische Schauspielerin Sienna Miller, derzeit in der Serie «Anatomy of a Scandal» zu sehen, hat den Terror der Massenmedien selbst erlebt, der ihrer Figur widerfährt.
Sophie und James sind glücklich miteinander verheiratet, sie haben einen Sohn und eine Tochter, beide sehen gut aus und wohnen schön. Sophie hat sich nach ihrem Studium fürs Muttersein entschieden, James ist ein populärer konservativer Minister und mit dem Premier eng befreundet; die beiden Männer haben wie Sophie in Oxford studiert und sind dort auch mehrmals zusammen abgestürzt.
Dann aber kommt James abends heim, nervös und blass, und er sagt seiner Frau: «I fucked up. Big time.» Das ist in seinem Fall wörtlich zu verstehen: Der Minister hatte eine fünfmonatige Affäre mit einer Mitarbeiterin. Der einzige Grund, dass er sein Fremdgehen gesteht: Ein Massenblatt wird die Geschichte am selben Abend ins Netz stellen.
So beginnt «Anatomy of a Scandal», eine neue, eben aufgeschaltete Miniserie auf Netflix, und wie schon bald klar wird, weitet sich der Skandal immer weiter aus. Erst behauptet die ehemalige Geliebte, der Minister habe sie im Lift kurz nach Ende der Affäre vergewaltigt, dann sagt das auch eine Frau, die während des Studiums die beste Freundin von Sophie war, der Gattin des Ministers. Es kommt zum Prozess, und was dort alles passiert und wie er ausgeht, verraten wir natürlich nicht.
Die «Sun» log die Ärzte an
Das Unheimliche an der Serie liegt an einem Aspekt ausserhalb von ihr: dass die Schauspielerin Sienna Miller, welche die betrogene Ehefrau spielt, während Jahren eine Form von Belästigung erdulden musste, die ihr auch in der Serie widerfährt. Den Terror englischer Massenmedien. Allen voran der «Sun» von Rupert Murdoch. Sienna war mit 23 Jahren zum Star geworden, als sie im Remake des englischen Films «Alfie» eine verführerische, aber manisch-depressive Frau spielt, deren Krankheit die Beziehung zu Alfie (brillant gespielt von Jude Law) zerstört, in den sie sich verliebt hat.
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Von diesem Moment an wurde die Schauspielerin, die damals eine Affäre mit Jude Law hatte, durch die britischen Massenmedien gejagt. Deren Brutalität im Fertigmachen von Prominenten ist berüchtigt. Als sie in einer Londoner Produktion von Shakespeares «As You Like It» auftrat – wenn das kein ironischer Titel ist –, enthüllte «The Sun», dass sie schwanger war. Und das, bevor ihre eigene Familie davon wusste. Von diesem Moment an sei ihr öffentliches Leben furchtbar gewesen, wie sie jetzt dem «Guardian» erzählt.
Journalisten der «Sun» hatten sich als besorgte Fachleute ausgegeben und die Ärzte der schwangeren Schauspielerin getäuscht. Miller entschied sich damals zur Abtreibung, hat aber mit ihrem Ex-Partner Tom Sturridge eine zehnjährige Tochter und lebt in New York, ihrer Heimatstadt; die heute 40-Jährige war als Tochter eines amerikanischen Vaters und einer englisch-südafrikanischen Mutter in London aufgewachsen. Die Eltern liessen sich scheiden, als Sienna 5 Jahre alt war.
Die Schauspielerin, die auch als Model Karriere machte, klagte gegen die Zeitung, der Prozess endete in einem Vergleich, bei dem die «Sun» der Geschädigten eine Menge Geld zahlen musste. Zudem erlaubte ihr der Richter, vor dem Londoner Gerichtsgebäude eine Stellungnahme gegen die Art von Journalismus vorzulesen, die sie als «toxisch» bezeichnet.
Als sie für die Rolle der Sophie in der neuen Netflix-Serie angefragt worden war, hatte sie zunächst abgelehnt. Die englische Gattin eines Tory-Ministers zu spielen, fand sie zu wenig interessant.
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Das Nein nach dem Ja
Dann aber begann sich die Schauspielerin für das Schicksal der Figur zu interessieren, die erst von ihrem Mann und dann von den Medien betrogen und verraten wird. Beim Lesen des Drehbuchs fiel ihr bei den Sexszenen auch auf, dass Männer das anfängliche Ja einer Frau, zum Beispiel, geküsst zu werden, als ein Ja zu allem interpretieren. Das immerhin scheint heute klarer als auch schon. Nein meint auch dann Nein, wenn es vorher Ja geheissen hatte.
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