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Der nackte Wahnsinn
Was sich in 90 Jahren am Lauberhorn alles zugetragen hat

Christian Rubi, der erste Sieger des Lauberhorn-Rennens von 1930, war in Wengen auch als Skilehrer tätig, aufgenommen im Januar 1946.
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1930: Die rasante Britin bei der Premiere

Auf Rang 17 fährt kein Schweizer, kein Österreicher. Nein, eine Britin! Rund 20 männliche Konkurrenten lässt die Dame, von der nur der Nachname Carroll überliefert ist, bei der Lauberhorn-Premiere hinter sich. Es ist die Zeit, in der die Zuschauer ganz dicht an der Strecke stehen. Und man Gleichberechtigung nicht mal vom Hörensagen kennt. Die Zeitung «Sport» schreibt: «Wir machen keinen Hehl daraus, dass dieser Sport nicht der Sport der Frau ist.»

1939: Abkürzung dank einer Schulklasse

Der ungekrönte König der Lauberhornrennen, Karl Molitor, rast in der Abfahrt dem Sieg entgegen, aufgenommen am 21. Januar 1945. Molitor dominierte in den vierziger Jahren die Lauberhorn-Rennen und ist mit insgesamt 11 Siegen, 6 zweiten und 3 dritten Plätzen der erfolgreichste Sportler am Lauberhorn.

Am Abend vor dem Rennen meldet sich ein Wengener Lehrer bei Karl Molitor. Zusammen mit seinen Schülern hat er eine 150 Meter lange Abkürzung in der Strecke gestapft, die offiziellen Helfer ihrerseits waren damit beschäftigt, die Bäume mit Matratzen aus den umliegenden Hotels zu polstern. Wo die anderen eine Rechtskurve fahren müssen, soll der Lokalmatador das Tor direkt ansteuern. Er fackelt nicht lange und nimmt das unmoralische Angebot an. Zwar stürzt er mit seinen 220 cm langen Holzlatten, er rappelt sich aber auf und siegt. Mit 9 Sekunden Vorsprung.

1945: Wenn das «Schilthorn» am Start steht

Ihre Namen darf niemand erfahren. Weil sie während des Zweiten Weltkriegs als Flüchtlinge in Mürren interniert sind. Und so starten sechs Italiener unter Pseudonymen wie «Blitz», «Donner» oder eben «Schilthorn». Mit «Blitz» war Zeno Colò gemeint, der die Abfahrt als Dritter beendet und später Olympia- und WM-Gold gewinnt.

1965: Die etwas voreiligen Fotografen

Karl Schranz in Aktion in der Abfahrt bei den Weltcup-Rennen am Lauberhorn in Wengen. Doch 1965 wähnt er sich zu früh als Sieger.

Dominator Karl Schranz gibt schon Siegerinterviews. Doch auf einmal lichtet sich der Nebel; als Stefan Sodat mit Nummer 30 startet, scheint die Sonne. Der Österreicher fährt sensationell Bestzeit – und stellt die Fotografen vor Probleme. Diese haben ihre sieben Sachen längst zusammengepackt. Weshalb Sodat gebeten wird, zu Fuss nochmals zum Ziel-S hochzusteigen, damit Bilder geknipst werden können.

1970: Zwei Läufe zur selben Zeit

Fährt bei einem chaotischen Slalomrennen überraschend auf den fünften Platz: der 20-jährige Schweizer Heini Hemmi, gestartet mit der hohen Nummer 85.

Kein Scherz: Als Walter Tresch mit Nummer 78 seinen ersten Slalomlauf in Angriff nimmt, findet auf der Piste nebenan bereits der zweite Durchgang statt. Es sind derart viele Fahrer gemeldet, dass sich die Läufe zeitlich überlappen. Ebenfalls kein Witz: Die meisten Zuschauer schauen den spät startenden jungen Schweizern zu, aber nicht den Besten, die im zweiten Lauf um den Sieg fahren.

1976: Die Geburt des «Canadian Corner»

Dave Irwin am 9. Januar 1976 kurz vor seinem schweren Sturz bei dem er sich eine Gehirnerschütterung und Rippenbrüche zuzog.

Eine 180-Grad-Wende müssen die Abfahrer nach dem Hundschopf hinlegen. Die Kurve nach der Minsch-Kante, die im Flug anzudrehen ist, wird Dave Irwin und Ken Read zum Verhängnis. Die Kanadier riskieren viel, werden durch die Luft gewirbelt und purzeln Richtung Wengernalpbahn. Mit Hirnerschütterungen landen sie im Spital – die Passage heisst seither «Canadian Corner».

1980: Peter Müller im Gepäckwagen

Der Schweizer Peter Müller fährt am 19. Januar 1980 seinem Sieg in der Lauberhorn-Abfahrt entgegen.

In der ersten von zwei Abfahrten befindet sich Peter Müller auf Siegeskurs. Er macht aber kurz vor dem Ziel einen Fehler, wird nur Vierter. Die Enttäuschung ist riesig, auch bei den Medien. Ein Journalist reagiert forsch, Müller meint nach dem Interview, er komme sich nun vor wie die grösste Pfeife. 24 Stunden später fährt er mit dem Zug auf die Kleine Scheidegg, weil die Wagons überfüllt sind, sitzt er trotz heftigem Wind in den offenen Gepäckwagen. Mit gelüftetem Kopf geht er an den Start – und gewinnt.

1985: Der Portugiese ohne Rückspiegel

Nicht alle sind konkurrenzfähig im Abfahrtstraining. Am deutlichsten spürt dies Connor O’Brien. Der gebürtige Kanadier fährt nach einem Nationenwechsel für Estland, die Heimat seiner Mutter. Er darf erst als Letzter los und rast den Besten deutlich hinterher. Und doch gelingt ihm Einmaliges: O’Brien, heute millionenschwerer Spitzenmanager, holt den vor ihm gestarteten, völlig verdutzten Portugiesen Luis-Felipe Santos-Marques ein. Glücklicherweise kommt es nicht zum Zusammenstoss.

1987: Zurbriggen alleine auf weiter Flur

Pirmin Zurbriggen steht mit seinem Sieg in der Kombination am Ursprung der Debatte über den Sinn des Zweiteilers.

Es ist ein Weltcup-Sieg, der auf dem Serviertablett präsentiert wird: Allrounder Pirmin Zurbriggen gewinnt die Kombination. Wobei er an und für sich auch Letzter wird. Denn: Er ist der einzige Fahrer im Klassement. Nur der Walliser hat sich für die Abfahrt (Rang 9) und den Slalom (10.) eingeschrieben. Weshalb die Diskussionen über Sinn und Unsinn des Zweiteilers losgehen.

1991: Der schlimmste Tag

Ein Bild, das sich ins Gedächtnis eingebrannt hat: Gernot Reinstadler wird nach seinem Sturz abtransportiert.

Die Skiwelt steht unter Schock: Im damals noch auf dem Programm stehenden Qualifikationstraining zur Abfahrt verkantet Gernot Reinstadler im Ziel-S und fliegt ungebremst ins Sicherheitsnetz. Eine Skispitze verfängt sich darin, worauf der 20-jährige Tiroler eine Beckenspaltung und schwere Verletzungen im Unterleib erleidet. In der folgenden Nacht verstirbt er, sämtliche Rennen werden abgesagt. Als Folge des Unglücks werden schnittfeste Abweisplanen entwickelt und der Wengener Zielsprung massiv entschärft.

2007: Die cleveren Österreicher

Mario Matt jubelt nach seinem Sieg der Kombination. Sein Sieg bleibt umstritten.

In der Kombinationsabfahrt wird Mario Matt nur 34. Und doch darf er den Slalom eröffnen, weil Österreichs Verantwortliche den Braten riechen und ihrem Sieganwärter helfen: Hermann Maier und Georg Streitberger verzichten wie zwei weitere Konkurrenten auf den Zickzacklauf. Matt seinerseits nutzt die perfekte Piste, die später kaum noch fahrbar sein sollte, und gewinnt tatsächlich. Nicht wenige sprechen von einem Skandalrennen. Bald darauf wird die Regel geändert – wer sich in der Abfahrt nicht in die Top 30 einreiht, darf nicht mehr nachrücken.

2007: Der «füdliblutte» Österreicher

Rainer Schönfelder löst seine ausgefallene Wettschuld ein – und wird dabei fotografiert.

Slalom-Spezialist Rainer Schönfelder hat nach einem Sturz in der Vorwoche starke Schmerzen, er will vorzeitig aus Wengen abreisen, doch da zaubert sein Physiotherapeut noch ein letztes Ass aus dem Ärmel. Er wendet eine spezielle Manualtherapie an. Und Schönfelder verspricht: «Wenn es nützt, dann fahre ich morgen nackt den Berg runter.» Wettschulden sind Ehrenschulden; weil das Abfahrtstraining wegen des Wärmeeinbruchs abgesagt wird, fährt der Österreicher neben der Piste runter, nur mit Helm auf dem Kopf. Ein Fotograf schiesst das Bild seines Lebens, es wird gar in Japan und Mexiko, auf Zypern und in den USA gedruckt. Als Strafe kriegt Schönfelder einen Tag Sozialarbeit aufgebrummt. Von seinen Fans wird er gefeiert.

2017: Ein gewisser Hintermann zuvorderst

Nochmals Kombination, nochmals unfaire Bedingungen: Wegen Wetterkapriolen findet der Slalom vor der Abfahrt statt. Der Zürcher Niels Hintermann, mit der Referenz von Platz 21 als Weltcup-Bestergebnis angereist, wird 23. Am Ende gewinnt er. Vor «Grössen» wie Maxence Muzaton und Frederic Berthold. Wegen des Schneefalls verkommt die Abfahrt zur totalen Lotterie, die Organisatoren müssen gehörig Kritik einstecken.

2020: Feuz zum dritten

Beat Feuz krönt sich mit seinem dritten Sieg in der Abfahrt nach 2012 und 2018 endgültig zum König des Lauberhorns. Dabei setzt er für den dritten Triumph sogar seine Gesundheit aufs Spiel. Er verzichtet bei seinem Heimrennen auf das Tragen einer Schiene an der linken Hand, die seinen gebrochenen Mittelhandknochen schützen sollte. Weil der Start nach unten verlegt wird, braucht der 32-Jährige all seine Kraft für das flache Anfangsstück. «Das ist sicher nicht empfehlenswert, das würde ich nicht bei jedem Rennen tun, aber ich riskierte es.»

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phr/erh