10 Jahre nach Fukushima Wie sich die Schweizer Energiepolitik verändert hat
Ausstieg aus der Kernkraft, die «Mutter aller Debatten» für ein neues Energiegesetz, Gaskraft kein Thema: Die Katastrophe von Fukushima war eine Zäsur für die Energieversorgung der Schweiz.
Die Katastrophe
Am Freitag, 11. März 2011, löst ein Erdbeben in Japan einen gewaltigen Tsunami aus. Er flutet das japanische Kernkraftwerk Fukushima, was schliesslich zu einer Kernschmelze in drei der sechs Reaktoren führt.
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Am Montag, 14. März 2011, nur drei Tage nach der Katastrophe, teilt die Energieministerin, Bundesrätin Doris Leuthard, mit, dass die drei Rahmenbewilligungsgesuche für neue Atomreaktoren sistiert werden. Sie ordnet eine Sicherheitsüberprüfung der bestehenden Kernkraftwerke an. Das Bundesamt für Energie soll analysieren, ob die Schweiz ohne neue Kernkraftwerke auskommen kann.
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi verfügt zudem zwei Sofortmassnahmen: Ein externes Notfalllager in Reitnau wird am 1. Juni 2011 in Betrieb genommen. Die Betreiber der KKW rüsten in ihren Anlagen zusätzliche Anschlüsse für die Wasserzufuhr zu den Brennelementlagerbecken nach.
Das Ensi lanciert zusätzlich einen umfangreichen Aktionsplan, um die Lehren von Fukushima in der Schweiz umzusetzen. Weiter beteiligt es sich aktiv am EU-Stresstest für Reaktoren im Jahr 2011.
Die Debatte
Am 25. Mai 2011 gibt der Bundesrat bekannt, dass die Schweizer Kernkraftwerke am Ende ihrer Betriebszeit stillgelegt werden sollen. Sie werden nicht durch neue Reaktoren ersetzt. Der Bundesrat setzt auf die neue Energiestrategie 2050. Im Fokus: bessere Energieeffizienz, Ausbau von Wasser-, Sonnen- und Windkraft. Wenn nötig braucht es fossile Energie wie Gaskombikraftwerke und Importe.
Es wird weiter ein Programm für Energieforschung lanciert. Der Entscheid wird im Herbst 2011 bestätigt. Im September 2013 verabschiedet der Bundesrat die Botschaft zur Energiestrategie 2050 und zur Volksinitiative für einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie. Es beginnt im Parlament eine dreijährige Debatte mit über 500 Anträgen. Sie wurde die «Mutter aller Debatten» genannt.
Beznau I geht 2015 vom Netz: Im Stahl des Reaktordruckbehälters wurden Materialfehler entdeckt. Der Reaktor wird drei Jahre abgeschaltet bleiben. Es stellen sich Fragen, ob die Sicherheit des Betriebs noch gewährleistet ist.
Die Nachrüstungen
Das Ensi schliesst die Arbeiten des Aktionsplans 2016 ab. Das Fazit laut Aufsichtsbehörde: Die Schweizer KKW weisen einen hohen Schutz gegen die Auswirkungen von Erdbeben, Überflutung sowie extremer Wetterbedingungen auf.
Das Ensi verlangt aber auch Nachrüstungen für Mühleberg und Beznau: eine von der Aare unabhängige Kühlwasserversorgung des Notstandsystems in Mühleberg und neue seismisch robuste Systeme zur Kühlung der Brennelementbecken in beiden Anlagen.
Die Abstimmung
Das Parlament sagt im September 2016 Ja zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050. Das Volk sagt aber am 27. November 2016 Nein zur Atomausstiegsinitiative, die den Bau neuer Atomkraftwerke verbieten und die Laufzeiten der Reaktoren begrenzen wollte. Der Bundesrat und das Parlament hatten sie zur Ablehnung empfohlen, weil die Initiative zu einer übereilten Abschaltung führen würde.
Am 27. Mai 2017 folgt die Referendumsabstimmung zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050. Die Stimmbevölkerung sagt deutlich Ja und nimmt damit das revidierte Energiegesetz an, das den Energieverbrauch senken, die Energieeffizienz erhöhen und die erneuerbaren Energien fördern soll. Es gibt einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernkraft. Der Bau neuer Kernkraftwerke wird verboten.
2018 geht Beznau nach drei Jahren Stillstand wieder ans Netz. Im November 2018 verschärft der Bundesrat den Notfallschutz um Kernanlagen.
Das Mühleberg-Aus
Am 20. Dezember 2019 wird das Kernkraftwerk Mühleberg abgeschaltet. Die übrigen Kernkraftwerke können solange in Betrieb bleiben, bis der Sicherheitsnachweis nicht mehr erbracht werden kann.
Am 25. September 2020 nehmen der National- und der Ständerat die Totalrevision des CO2-Gesetzes an. Damit soll der Weg zu einer fossilfreien Zukunft geebnet werden. Allerdings gibt es eine Referendumsabstimmung im Juni 2021.
Das Bundesamt für Energie präsentiert am 26. November 2020 einen Weg, wie die Schweiz ihre Energieversorgung bis 2050 ohne Kernkraft klimaneutral umbauen kann. Die Botschaft in den Energieperspektiven 2050+: Dieses Ziel kann auch ohne Gaskraft erreicht werden. Mit den üblichen Instrumenten: dem Ausbau der Fotovoltaik, mit elektrisch betriebenen Autos, Wärmepumpen und Brenn- und Treibstoff wie Biogas und Wasserstoff. Allerdings bleiben ziemlich grosse Restemissionen, 12 Millionen Tonnen Treibhausgase jährlich, das ist aus heutiger Perspektive immerhin immer noch rund ein Viertel der Emissionen. Diese müssten durch Technologien reduziert werden, die CO2 an der Quelle abscheiden und das Treibhausgas im Untergrund für lange Zeit speichern.
Die Studie Excar (Extremhochwasser an Aare und Rhein) wird am 22. Februar 2021 präsentiert. Für die Nuklearaufsichtbehörde Ensi zeigt dieser Bericht, dass die Sicherheit für die Kernkraftwerke auch bei einem extremen Hochwasserereignis gewährleistet ist.
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