Corona-Verschwörer in ZermattWas der QAnon-Slogan an der Fassade über die Walliserkanne-Wirte sagt
Nach einem Kleinkrieg um die Corona-Massnahmen sind die Betreiber des Restaurants wieder auf freiem Fuss. Doch wo hat der Widerstand eigentlich seinen Ursprung?

Mehr als einen Monat lang bricht die Wirtsfamilie der Walliserkanne in Zermatt das Gesetz, indem sie in ihrem Restaurant die Masken- und Zertifikatspflicht ignoriert. Selbst dann, als die Polizei die Zugänge zum Lokal amtlich bereits versiegelt hat und sogar Betonblöcke den Eingang zum Lokal verbarrikadieren. Die erneute Betriebsöffnung am letzten Sonntag tolerieren die Behörden allerdings nicht mehr: Das Wirtepaar und sein Sohn kommen in Polizeigewahrsam.
In der Szene der Corona-Skeptiker sorgten der Polizeieinsatz gegen die Wirtsleute und die Schliessung der Walliserkanne für grossen Wirbel. So kam es etwa zu Kundgebungen in Zermatt, bei denen auch die Freiheitstrychler mit von der Partie waren. Nicolas Rimoldi, Wortführer der Zertifikatsgegner, erklärte die festgesetzten Wirtsleute zu «politischen Gefangenen». Die Junge SVP kritisierte die «rohe Gewalt» der Polizei. Und die «Weltwoche» fand sogar, man solle die Wirte «feiern».
Die Betonblöcke sind mittlerweile wieder weg – und auch die drei Wirtsleute wieder aus der Haft entlassen. Doch nun ist ein Stück Fassade der Walliserkanne in den Fokus gerückt. Auf Twitter wird vom «Megafon», der Zeitung der Berner Reitschule, darauf hingewiesen, dass an einer Wand oberhalb eines Balkons beim Restaurant ein Graffito mit den Buchstaben «WWG1WGA» prangt. Das sei auf einem Video von Blick TV klar zu erkennen. Diese Abkürzung steht für «Where we go one, we go all» («Dort, wohin einer geht, dorthin gehen alle») und wird von Anhängern der QAnon-Verschwörungsmythen als Slogan verwendet. Damit stellt sich die Frage, welchen ideologischen Hintergrund die Betreiberbrüder haben.
«Es gibt keine Pandemie – es gibt keine Epidemie»
Bekannt ist, dass sowohl der am Sonntag inhaftierte Sohn als auch sein Bruder, der zurzeit ferienhalber im Ausland weilt und gegen den laut «Walliser Bote» ebenfalls ein Haftbefehl vorliegen soll, bereits als Verschwörungstheoretiker in Erscheinung getreten sind. Die beiden Geschäftsführer der Walliserkanne leugnen die Corona-Pandemie und ziehen Apartheidsvergleiche, wie einem knapp 15-minütigen Auftritt auf Kla.tv vor drei Wochen klar zu entnehmen ist. «Es ist nicht nachgewiesen, dass es eine Pandemie gibt. Es gibt keine Pandemie. Es gibt keine Epidemie», sagte einer der Brüder in die Kamera des deutschsprachigen Internetportals, das sein Publikum in der Szene der Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Corona-Leugner und Antidemokraten findet.

Derselbe Bruder wettere seit Monaten gegen Behörden, Beamte, Wissenschaftlerinnen, gegen Gesetze und Vorgaben und verstosse seit Monaten gegen das Gesetz, schrieb der «Walliser Bote» Ende Oktober. Die Betreiber riefen auf Facebook zu Widerstand gegen die Corona-Massnahmen auf – und erhielten viel Zuspruch, heisst es weiter.
Die Polizei, eine Firma
Auf einem Videoclip auf Twitter ist zu hören, wie einer der Wirte die Polizisten während eines Einsatzes als «Bedienstete der Firma Polizei» bezeichnete – ein Begriff, der zum aktiven Wortschatz vieler «Reichsbürger» gehört. Auf die Sequenz hat ebenfalls «Megafon Reitschule» aufmerksam gemacht. Die Bewegung der Reichsbürger hat in den letzten Jahren auch in der Schweiz immer mehr Sympathisanten gefunden. Auch sie zweifelt die Legitimation des Rechtsstaates an. Auf einem weiteren Video hört man, wie der Betreiber zu den bewaffneten Beamten sagt, dass er sich «dann eventuell ebenfalls eine Schusswaffe organisieren müsse.»
Laut «Megafon» sind die Wirte auch schon vor Corona aufgefallen. Dazu postete die Zeitung auf Twitter ein Screenshot eines Kommentars auf Tripadvisor. Darin erwähnt ein Gast ein Handgemenge («Dies vor einem Kleinkind») und beschwert sich über das aggressive Verhalten des Inhabers. Offenbar kein Einzelfall. Mittlerweile hat Tripadvisor die Bewertungsfunktion geschlossen. «Aufgrund eines aktuellen Ereignisses, das die Aufmerksamkeit der Medien erregt hat und einen Anstieg an Bewertungseinreichungen zur Folge hatte, die keine persönlichen Erlebnisse widerspiegeln, werden wir für diesen Eintrag vorübergehend keine neuen Bewertungen veröffentlichen», schreibt das Unternehmen dazu.
Wieder aus Polizeihaft raus
Die Aufmerksamkeit der Medien werden das Lokal und der weltberühmte Touristenort wohl nicht so schnell los. Auch das Zwangsmassnahmengericht in Sitten schliesst nicht aus, dass die Beschuldigten aufgrund ihrer bisherigen strikten Weigerungshaltung auch zukünftig nicht gewillt sein könnten, die entsprechenden behördlichen Massnahmen zu akzeptieren. Den Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine einmonatige Untersuchungshaft lehnt es aber ab.
Das Gericht betrachtet gemäss seinen am Donnerstag veröffentlichten Erwägungen «den dringenden Tatverdacht» als «klar gegeben», dass sich die Beschuldigten der Hinderung einer Amtshandlung, des Siegelbruchs, des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen sowie allenfalls der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte schuldig gemacht haben.

Das Vorliegen eines besonderen Haftgrundes, der für die Anordnung von Untersuchungshaft neben dem dringenden Tatverdacht zusätzlich erfüllt sein müsste, verneint das Gericht jedoch. Die Staatsanwaltschaft teilte bereits mit, dass sie den Entscheid nicht anfechten wird.
Drohungen «nicht ernst gemeint»
Das Gericht erachtet die gesetzlich verlangte drohende Schwere möglicher weiterer Vergehen als nicht gegeben, um eine weitere Präventivhaft zu begründen. Die Bejahung dieses besonderen Haftgrundes setze voraus, dass ernsthaft zu befürchten sei, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahr machen.
Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf die «Frage» eines der Beschuldigten, ob beziehungsweise dass er sich «dann eventuell ebenfalls eine Schusswaffe organisieren müsse». Diese Äusserung ist laut dem Gericht im Rahmen der mündlichen Auseinandersetzung mit der Polizei gefallen und damit im Kontext zu sehen.
In Berücksichtigung der strengen Rechtsprechung lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, dass die Äusserung auch ernst gemeint sein könnte beziehungsweise umgesetzt werde. In den Akten seien keine weiteren konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, dass durch Drohungen das Leben von Drittpersonen ernsthaft gefährdet sein könnte.
Gericht sieht keine Verdunkelungsgefahr
Zu der von der Staatsanwaltschaft als weiteren Haftgrund geltend gemachten Kollusions- und Verdunkelungsgefahr hält das Gericht fest, es sei noch nicht abschliessend untersucht worden, wer für welche Straftaten, insbesondere die Siegelbrüche, verantwortlich gemacht werden könne. Es sei jedoch aktenkundig, dass die beschuldigten Personen dazu bereits polizeilich befragt sowie auch von der Staatsanwaltschaft bereits einvernommen worden seien.
Dass die Beschuldigten nach ihrer Freilassung versuchen könnten, zu involvierten Personen Kontakt aufzunehmen und das Verfahren zu torpedieren, sei eine rein theoretische Annahme. Mangels konkreter Verdunkelungsgefahr sei die Anordnung von Haft nicht zu rechtfertigen.
nag/sda
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