App der StundeWas Clubhouse der Konkurrenz voraushat
Ja, mal wieder eine neue Social-Media-Sensation! Aber anders als so viele Flop-Apps hat Clubhouse mehr als nur ein bisschen Potenzial.
Alle paar Monate taucht ein neuer Dienst auf, der das neue Twitter/Instagram/Facebook/Tiktok und so weiter sein soll. Erinnern Sie sich zum Beispiel noch an Vero?
Der neuste Dienst, der um unsere Aufmerksamkeit und Gunst buhlt, heisst Clubhouse, der neue Star im Silicon Valley. Er stammt aus den USA, ist dort im Frühjahr im kleinen Rahmen gestartet und war vor allem bei Investoren beliebt, die dort ungestört tratschen konnten.
Möglich machen das ein paar grundlegende Unterschiede zu Facebook, Twitter und Co.:
Es geht um Audio: Es wird nicht geschrieben, gefilmt oder mit Fotos geprahlt. Bei Clubhouse dreht sich alles um Live-Audio. Grob vereinfacht, bietet die App Telefongespräche mit mehreren Teilnehmern. In frei zugänglichen und privaten Räumen kann man sich unterhalten, Vorträge halten, ganze Kongresse abhalten oder einfach nur nebenher etwas mithören.
Alles ist vergänglich: Wer bei Clubhouse mal einen Quatsch gesagt hat, muss nicht befürchten, dass einem das in ein paar Jahren um die Ohren fliegt. Sofern niemand just im peinlichsten Moment mit einem Audiorecorder heimlich mitgeschnitten hat, sind alle Gespräche vergänglich. Archiviert wird nichts. Live-Gruppen-Gespräche werden aber so lange gespeichert, bis die Diskussion beendet wird, heisst es in den Privatsphäre-Erklärungen. Das diene dazu, bei allfälligen Reklamationen und Protesten eingreifen zu können. Reklamiere niemand, würde das Gespräch gelöscht.
Nur auf Einladung: Mitmachen kann nur, wer eine Einladung hat und seinen richtigen Namen nutzt. Das hält einerseits das Publikum angenehm überschaubar und verhindert (mindestens im Moment noch), dass grober Unfug getrieben oder Schlimmeres gemacht wird.
In den letzten Wochen hat die App in den USA zusehends an Schwung gewonnen. Dieses Wochenende schwappte sie auch in den deutschen Sprachraum über. Da man sich nicht einfach anmelden kann, sondern auf eine Einladung (jedes Neumitglied kann zwei weitere einladen) hoffen muss, wurde die App schnell auf Diensten wie Twitter zum Thema. Wer dabei ist, verkündet das voller Stolz. Wer eine Einladung will, muss betteln gehen.
Diese Art von Verknappung ist bei neuen Webdiensten ein beliebtes Mittel, um einen Hype zu generieren und in die Schlagzeilen zu kommen. Selbst Googles E-Mail-Dienst Gmail startete 2004 mit einer ähnlichen Strategie. Dann kommt auch noch dazu, dass es die App aktuell nur fürs iPhone gibt. Mit einem Android-Handy bleibt man vorerst aussen vor.
Aber was macht Clubhouse nun so spannend, abgesehen vom Hype? Da sind einerseits die Leute, die da bereits nach wenigen Tagen auftauchen und sich beteiligen. Nebst den üblichen Verdächtigen, die von solchen neuen Diensten immer magisch angezogen werden, finden sich bereits viele spannende Leute aus Wirtschaft, Kunst, Politik und Medien.
Dialog statt Monolog
Ja, viele Diskussionen sind aktuell noch etwas selbstverliebt und selbstbezogen, aber das ändert sich hoffentlich bald, wenn der Neu-Effekt verflogen ist. Auch spannend ist die Art der Inhalte an sich. Statt wie bei einem Podcast, einem Zeitungsartikel oder einem Youtube-Video entsteht die Diskussion nicht danach oder darunter. Da sich jederzeit Leute zuschalten können (so der Moderator das erlaubt), ist alles viel dialogischer und viel flexibler und weniger starr.
Kein Wunder, wird Clubhouse häufig als eine Art Livepodcast mit Publikumsbeteiligung beschrieben. Es verbindet die Vorteile klassischer Massenmedien (in dem Fall Radio) mit den interaktiven und partizipativen Möglichkeiten des Internets.
Da es auf Bilder und Videos verzichtet, sinkt zudem die Einstiegsschwelle. Es reicht ein iPhone, um sich an der Diskussion beteiligen zu können. Die Bedienung der App ist kinderleicht: Man muss nur einem Raum beitreten, und schon hört man die Sprecher. Spricht man selbst, ist es genauso einfach wie Telefonieren.
Als eigenständiges soziales Medium wird es Clubhouse dennoch schwer haben. Wegen des Livecharakters eignet es sich weniger als Ersatz und eher als Ergänzung zu Twitter oder Facebook. Statt dort eine ellenlange Diskussion zu tippen, kann man sich künftig bei Clubhouse treffen und eine Sache erörtern. Aber ja, Menschen, die sich gerne beim Reden zuhören, werden dort viel Spass haben.
Aber längerfristig wird Clubhouse damit kaum zum nächsten Twitter und eher zu einem Übernahmekandidaten.
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