Gleichgeschlechtliche EheWarum das liberale Thailand erst jetzt homosexuelle Paare gleichstellt
Thailand hat einen Ruf von Akzeptanz und Inklusion, tat sich aber jahrzehntelang schwer damit, ein Gesetz zur ehelichen Gleichstellung zu verabschieden. Jetzt ist es so weit.

Thailand ist bekannt für seine Offenheit und Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen: Sie sind seit langem in allen Bereichen des Lebens präsent. «Mai pen rai» – keine grosse Sache – ist ein nationales Schlagwort. Der buddhistische Glaube, dem mehr als 90% der Thais folgen, ist gegenüber LGBT+ offen eingestellt. Die gleichgeschlechtliche Ehe war daher scheinbar also unausweichlich. Doch so einfach ist es nicht.
Trotz der grundsätzlichen Offenheit gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe ist die thailändische Gesellschaft in grossen Teilen von konservativen Wertvorstellungen geprägt. LGBTQ+-Menschen berichten regelmässig von Diskriminierung im Alltag, verweisen aber auch darauf, dass sich die Dinge in den vergangenen Jahren stark gebessert hätten.
Der erste Pride-Marsch in Thailand fand erst vor 25 Jahren statt. Damals war es schwierig, eine Genehmigung von der Polizei zu bekommen, und der Marsch war eine chaotische Veranstaltung. Nach 2006 fanden bis 2022 nur zwei Pride-Märsche statt. Im Jahr 2009 musste ein geplanter Pride-Marsch in der Stadt Chiang Mai im Nordosten des Landes wegen Gewaltandrohungen abgebrochen werden.
«Wir wurden nicht akzeptiert, weder von unseren eigenen Familien noch von der Gesellschaft», erklärte die LGBTQ+-Aktivistin Ann Chumaporn gegenüber der BBC. «Es gab Zeiten, in denen wir nicht glaubten, dass die Gleichstellung der Ehe jemals kommen würde, aber wir haben nie aufgegeben.» Noch Anfang der 2000er-Jahre wurde Homosexualität vom thailändischen Gesundheitsministerium offiziell als Geisteskrankheit bezeichnet.
Ab dem 23. Januar ist in dem südostasiatischen Königreich die Ehe für alle erlaubt. Die Regierung hatte das entsprechende Gesetz im vergangenen Jahr abgesegnet.
Gesellschaftlicher und politischer Wandel in Thailand
Die erfolgreiche Durchsetzung des Gesetzes für gleichberechtigte Ehe wurde auch durch politische Entwicklungen in der jüngeren Geschichte Thailands begünstigt: Nach einem Staatsstreich im Jahr 2014 wurde das Land fünf Jahre lang von einer konservativen Militärregierung regiert. Diese war nur dazu bereit, eingetragene Lebenspartnerschaften von LGBTQ+-Paaren zu akzeptieren.
Durch die Wahlen 2019 kam es dann zum erhofften Wandel: Die junge reformorientierte Partei Future Forward, welche die gleichberechtigte Ehe uneingeschränkt unterstützt, schnitt unerwartet gut ab und gewann am drittmeisten Sitze.
Nur ein Jahr nach ihrem Wahlerfolg wurde die Partei aber durch ein umstrittenes Gerichtsurteil aufgelöst. Dies zog monatelange, von Studenten angeführte Proteste nach sich. LGBTQ+-Aktivisten spielten bei diesen Demonstrationen eine wichtige Rolle und verhalfen ihnen zu grösserer Sichtbarkeit.
Bei den Wahlen 2023 schnitt die Nachfolgepartei von Future Forward, die sich Move Forward nennt, noch besser ab als 2019 und gewann am meisten Sitze. Move Forward wurde von den konservativen Parteien jedoch an der Regierungsbildung gehindert. Zu diesem Zeitpunkt war die gleichgeschlechtliche Ehe aber nicht mehr wirklich umstritten. Die Verabschiedung des Gesetzes für die Ehe für alle gab der Koalitionsregierung, die ohne die Reformpartei gebildet worden war, die Möglichkeit einer schnellen politischen Errungenschaft.
Romantische Fernsehdramen, in denen es um Liebesbeziehungen zwischen schönen jungen Männern geht, sogenannte «Boy Love»-Dramen, haben in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen und dabei geholfen, die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen zu stärken. Die Serien gehören heute zu den erfolgreichsten Kulturexporten Thailands.
Wichtige Rechte für LGBTQ+-Paare
Das Gesetz zur ehelichen Gleichstellung, dem in beiden Kongresskammern zugestimmt wurde, führt zu Änderungen im Bürgerlichen und im Handelsgesetzbuch. Die Wörter «Männer und Frauen» und «Ehemann und Ehefrau» werden durch «Individuen» und «Ehepartner» ersetzt. LGBTQ+-Paare sollen so rechtlich vollständig mit Heteropaaren gleichgestellt werden.
Sunma Piamboon, die ein Reisebüro besitzt, sagt, klar geworden, wie wichtig eine rechtlich anerkannte Ehe sei, sei ihr, als ihre Partnerin Danaya mit schwerem Denguefieber ins Spital eingeliefert worden sei. «Die Ärzte fragten mich, wer ich sei, und ich sagte, ich sei die Freundin», berichtet sie. Die Ärzte seien nicht beeindruckt gewesen. «Ich konnte keine Entscheidung treffen, bis ihr Zustand ziemlich ernst wurde. Ich war so enttäuscht.»
Die Regierung und staatliche Behörden in Thailand sind historisch eher traditionell ausgerichtet. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Wandel vorzubereiten, seien Workshops für alle Bangkoker Bezirksbüros organisiert worden, die für die Registrierung von Ehen zuständig seien, berichtet die Verwaltung des Metropolraums Bangkok. Dabei sei für Geschlechtervielfalt sensibilisiert worden und es habe Anleitung gegeben, wie angemessen mit Paaren kommuniziert werden könne, die heiraten möchten.
«Es ist wie ein fehlendes Puzzleteil», sagte Sanon Wangsrangboon, stellvertretender Gouverneur von Bangkok, bei einem der Workshops im Januar. «Die Gesellschaft ist bereit. Das Gesetz ist auf dem Weg. Aber das letzte Puzzleteil ist das Verständnis der Offiziellen.» Er bekannte, dass es vielleicht Anlaufprobleme geben werde. Er hoffe aber darauf, dass es sich mit der Zeit verbessern werde.
Erst drei Länder in Asien kennen die gleichgeschlechtliche Ehe
Thailand ist das erste Land in Südostasien, das die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich verankert hat und nach Taiwan und Nepal erst das dritte Land in Asien.
Der Einfluss des Islams in Malaysia, Indonesien und Brunei macht die gesellschaftliche Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Ehe in diesen Ländern schwierig. LGBTQ+-Gemeinschaften sind mit Diskriminierung und Strafverfolgung konfrontiert. In Brunei steht auf Sex zwischen Männern sogar auf der Todesstrafe.
Auf den Philippinen wächst die Akzeptanz von LGBTQ+-Paaren, die offen zusammenleben. Doch die römisch-katholische Kirche lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe immer noch ab.
DPA/sme
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