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Warum verliess die Familie überstürzt den Campingplatz?

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Beobachter gehen davon aus, dass das brutale Vorgehen auf professionelle Killer schliessen lässt, die sichergehen wollten, dass keine Zeugen überleben: Gendarmen bewachen den Zugang zum Tatort.
Der Tatort wird erneut untersucht: Beweismarkierung auf dem Waldparkplatz bei Annecy.  (8. September 2012)
Der Verdacht auf Sprengstoff hat sich nicht erhärtet: Ein Soldat einer auf Bomben spezialisierten britischen Einheit verlässt einen Wagen vor dem Haus der ermordeten Familie Hilli in Claygate. (10. September 2012)
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Die mysteriöse Bluttat in den französischen Alpen, bei der vergangene Woche vier Menschen getötet wurden, stellt die britischen und die französischen Ermittler weiterhin vor Rätsel. Die Polizei prüft gemäss Eric Maillard, Einsatzleiter vor Ort in Annecy, mehrere mögliche Hintergründe des Verbrechens: ein Familienstreit, ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Vaters der beiden überlebenden Mädchen oder den irakischen Wurzeln der Familie. Der 50-jährige Saad al-Hilli, der vor zehn Jahren aus dem Irak in die Nähe von London gezogen war, arbeitete gemäss unbestätigten britischen Presseberichten als Ingenieur bei Surrey Satellite Technology (SSTL), eine zum Rüstungs- und Luftfahrtkonzern EADS gehörende Firma im Bereich des Satellitenbaus. Er sei demnach in einen Geheimvertrag mit der britischen Verteidigungsindustrie involviert gewesen.

Nach eigenen Angaben schliessen die französischen Ermittler auch einen Auftragsmord, einen missglückten Raubmord oder die Tat eines Psychopathen nicht aus. Hinweise auf einen Erbstreit stritt der Bruder des getöteten Familienvaters dagegen bisher ab. Die Polizei setzte seine Vernehmung aber fort. Er hatte sich letzte Woche bei den Ermittlern gemeldet, um Presseberichte zu dementieren, wonach er sich mit seinem Bruder um das Erbe des Vaters gestritten hätte.

Ermittlungen laufen weiter unter Hochdruck

Ermittlern zufolge hat die britische Polizei das Haus der Opferfamilie im britischen Claygate weiter untersucht und einen Safe geöffnet. Was sich darin befand, wurde aber nicht bekannt.

Auch der Tatort nahe der Ortschaft Chevaline wurde weiter untersucht. Dabei versuchten die Ermittler unter anderem herauszufinden, wie lange Opfer oder Täter benötigt haben könnten, um bestimmte Strecken zurückzulegen. Die Ermittler wollen so eine bessere Vorstellung vom zeitlichen Ablauf der Tat bekommen. Auch Material aus Videoüberwachungen in der Gegend wird noch eingesammelt.

Notruf von Franzosen

Die Tageszeitung «Le Parisien» berichtet , der erste Notruf sei von einem Franzosen abgesetzt worden – bislang war nur von einem britischen Fahrradfahrer die Rede gewesen, der die Polizei verständigt habe. Der Mann, der nur Philippe D. genannt wurde, sagte der Zeitung, er sei mit zwei Freundinnen in einem Auto den Waldweg hochgefahren, als ihnen der britische Fahrradfahrer entgegengekommen sei. Dieser sei «in Panik» gewesen.

«Er hat mir in schlechtem Französisch erklärt, dass sich ein bisschen weiter oben ein Drama abgespielt hat», zitierte die Zeitung Philippe D. «Er wollte die Rettungskräfte alarmieren. Ich habe nicht verstanden, ob er kein Handy oder keinen Empfang hatte.» Am Tatort hätten sie auch das schwerverletzte Mädchen gesehen, diese habe nicht reagiert. «Ich dachte sie ist tot.» Er habe dann die Polizei verständigt.

Verdächtiger Mann aufgefallen

Derweil melden sich in den Medien zunehmend auch Personen zu Wort, die der Familie in deren letzten Tagen begegnet waren. So wollen etwa zwei dänische Touristen beobachtet haben, wie sich der Vater in den beiden Tagen auf dem Campingplatz Village Camping Europa seltsam verhalten habe. Zunächst habe er ihnen gegenüber erwähnt, dass seine Familie eine Woche bleiben werde, nach zwei Tagen hätten sie dann jedoch bereits wieder ausgecheckt – um wenige hundert Meter weiter weg in den Campingplatz Solitaire du Lac zu gehen. Das sagten sie gegenüber der britischen Zeitung «Telegraph». Zudem sei er vier- oder fünfmal täglich ohne seine Familie mit dem Auto aus dem Campingplatz gefahren und jeweils 20 oder 30 Minuten später wieder zurückgekehrt.

Zwar habe niemand die Familie besucht, aber den beiden Touristen sei ein «ungewöhnlicher Mann» aufgefallen, der den Campingplatz in der Zeit besuchte, als sich auch die Familie dort aufhielt. Er habe ausgesehen, als stamme er «aus dem Balkan».

«Kinder lügen nicht»

Eine Quelle, die der französischen Polizei nahesteht, hat dem «Telegraph» zudem erzählt, dass sich der Vater mit mehreren Personen in der Region getroffen habe. Zwar stünden noch nicht alle Namen fest, aber der Ablauf der letzten Tage der Familie könne mittlerweile bereits besser rekonstruiert werden.

Die Verwandten, die nach Frankreich gereist sind, um die jüngere Tochter wieder nach England zu holen, hätten demnach grosse Angst, selbst Opfer eines Verbrechens zu werden. Sie hätten zusätzlichen Polizeischutz beantragt; dieser sei ihnen auch gewährt worden.

Ihre Schwester, das siebenjährige Mädchen Zainab, das beim Anschlag schwer verletzt worden war, ist aus dem künstlichen Koma erwacht. Gemäss der französischen Zeitung «Figaro» hat es sofort sehr ängstlich reagiert, so als wäre die Erinnerung an die Bluttat noch sehr präsent. Die Ermittler versuchten nun, das Mädchen vorsichtig zu befragen, ohne es zu stark unter Druck zu setzen, sagte Maillard. Seine Aussagen würden gefilmt, damit es sie nicht mehrmals wiederholen müsse. «Das Mädchen ist die einzige direkte Verbindung zur Bluttat, die wir haben. Kinder lügen nicht. Wenn Zainab aussagt, wissen wir daher, was auf dem Parkplatz geschehen ist», wird Maillard im «Figaro» zitiert.

Tatort wird erneut untersucht

Dieser Parkplatz – der Tatort – wird heute erneut untersucht. Auch die Ermittlungen in dessen Umkreis seien ausgeweitet worden, teilte die Polizei mit. Die Zufahrt zum Parkplatz war gestern auf rund drei Kilometern Länge komplett gesperrt worden. Auch Material aus Videoüberwachungen von angrenzenden Gemeinden, Supermärkten oder Privatpersonen wird derzeit noch gesammelt.

Das Ehepaar al-Hilli, die Mutter der Frau und ein zufällig vorbeikommender Radfahrer waren letzte Woche auf dem Waldparkplatz erschossen worden. Die vierjährige Tochter Zeena überlebte unverletzt, weil sie sich im Auto unter der Leiche ihrer Mutter versteckte. Ihre siebenjährige Schwester Zainab erlitt durch heftige Schläge einen Schädelbruch sowie eine Schussverletzung.

AFP/rbi/mw