Pandemie in EntwicklungsländernWarum die prophezeite Apokalypse in Afrika ausblieb
Zum Beginn der Corona-Krise waren sich alle sicher: Afrika steht das Schlimmste bevor. Bill Gates warnte vor Millionen Toten. Ein halbes Jahr später zeigt sich: Wohl keine andere Weltregion ist bisher so glimpflich davongekommen.
Es war Frühjahr, und alle waren sich sicher, dass Afrika nur das Schlimmste bevorstehen könnte. Bill Gates warnte vor Millionen Toten, wenn nichts gegen die Ausbreitung von Corona in Afrika unternommen werde. «Der beste Ratschlag an Afrika ist, sich auf das Schlimmste vorzubereiten und heute damit anzufangen», warnte WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Nun, ein halbes Jahr später, sind die düsteren Prophezeiungen nicht eingetreten, scheint Afrika noch recht weit vom Abgrund entfernt zu sein. Wohl keine andere Weltregion ist bisher so glimpflich davongekommen. Derzeit haben sich in den 55 Staaten Afrikas über eine Million Menschen mit Corona infiziert, über 30’000 von ihnen sind gestorben. Auf einem Kontinent mit 1,2 Milliarden Menschen sind das gerade mal so viele Infektionen wie in Russland, das Verhältnis von Infektionen und Todesfällen ist siebenmal niedriger als in Grossbritannien.
Was also ist passiert?
«Ich dachte, wir steuern auf einen totalen Zusammenbruch hin», sagte der Südafrikaner Shabir Madhi der BBC. Madhi ist einer der führenden Immunologen des Kontinents und sah die Sache noch im Frühling ähnlich wie Gates. Er ging wie viele davon aus, dass sich die Pandemie auf einem Kontinent mit schwachem Gesundheitswesen und in den Metropolen sehr dicht besiedeltem Wohnraum schnell verbreiten werde. Die WHO ging von bis zu 44 Millionen Infektionen in den ersten zwölf Monaten aus. «Die Zahl der Infektionen ist unglaublich», sagt Madhi nun. Unglaublich niedrig.
Aber sind sie das wirklich? Die Zahl der täglichen Tests ist auf dem Kontinent sehr ungleich verteilt, in Südafrika werden jeden Tag bis zu 40’000 Menschen getestet, im bevölkerungsreichsten Land Nigeria nur um die 3000. Tansania liefert seit Mai gar keine Zahlen mehr zu Neuinfektionen, bei anderen Ländern kann man sich nicht sicher sein, ob die Daten stimmen.
Das Virus konnte sich in der ersten Phase nicht so schnell verbreiten wie in Europa.
Schaut man sich einzelne Länder an, sind die Zahlen noch drastischer, nach Angaben der Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) waren in Niger Ende Juli nur 373 von einer Million Einwohnern getestet. «Wo nur unzureichend getestet wird, bekämpfen wir diese Krankheit in der Dunkelheit. Ohne Tests gibt es tatsächlich keine Fälle», sagt Stacey Mearns vom IRC. Andere argumentieren aber, dass die Krankheit spätestens dann sichtbar sein müsste, wenn massenhaft Menschen stürben. Südafrikanische Behörden berichten, dass zwischen Mai und August 33’000 Menschen mehr verstorben seien als in vergleichbaren Vorjahreszeiträumen. Aus anderen Ländern liegen aber keine vergleichbaren Zahlen vor.
Ein Grund für die niedrigen Infektionszahlen ist, dass viele Regierungen in Afrika mit drastischen Massnahmen reagiert haben, manchmal sogar noch bevor die ersten Infektionen registriert wurden. Es wurden Ausgangssperren verhängt, Grenzen geschlossen und eine Maskenpflicht verhängt. Das Virus konnte sich in der ersten Phase nicht so schnell verbreiten wie in Europa.
Wer sich dennoch infiziert, hat in Afrika weit bessere Chancen zu überleben als in vielen anderen Staaten, was Forscher unter anderem auf das viel niedrigere Durchschnittsalter zurückführen; etwa die Hälfte der Menschen auf dem Kontinent ist unter 18 Jahren alt, in Europa ist das Durchschnittsalter über 40 Jahre.
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