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Zwei Volksinitiativen im Nationalrat
Warnung vor Prämienschub setzt Parlament unter Zugzwang

Die Schweiz hat weltweit eines der besten Gesundheitswesen, aber auch eines der teuersten.
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Die Jahre der Nullrunden bei den Krankenkassenprämien sind vorbei. Der Kassenverband Santésuisse warnt vor einem zweistelligen Prämienanstieg fürs nächste Jahr. Der Nationalrat sucht nun in der Sommersession ein Gegenmittel. Wir zeigen auf, welche Projekte diskutiert werden und wie deren politische Chancen sind.

Mitte will eine Kostenbremse

Die Mitte will den Anstieg der Gesundheitskosten gesetzlich begrenzen. Die Ausgaben der obligatorischen Grundversicherung sollen an die Lohnentwicklung gekoppelt werden. Dies fordert die Kostenbremse-Initiative, die am Dienstag im Nationalrat beraten wird. Das Wachstum der Gesundheitskosten pro Kopf dürfte zwei Jahre nach Annahme der Initiative noch maximal ein Fünftel über der Erhöhung der Nominallöhne liegen: Steigen diese um ein Prozent, können die Gesundheitskosten pro Kopf um noch 1,2 Prozent zunehmen. Ist der Anstieg höher, müssen Bundesrat und Kantone eingreifen. Mögliche Massnahmen wären Tarifsenkungen oder Leistungseinschränkungen.

Dem Bundesrat und der nationalrätlichen Gesundheitskommission ist die Kostenbremse zu starr. Denn die Kosten und damit auch die Prämien stiegen bisher jährlich im Schnitt um 3 bis 4 Prozent. Würde die Ausgabenregel strikt umgesetzt, drohe eine Rationierung von Gesundheitsleistungen. Die Mitte verweist hingegen auf das ungenutzte Sparpotenzial im Gesundheitswesen. Ohne Qualitätseinbussen könnten jährlich 6 Milliarden Franken eingespart werden, etwa indem die Medikamentenpreise gesenkt, unnötige Eingriffe vermieden oder mehr Spitalbehandlungen ambulant durchgeführt würden.

Bundesrat will ein Kostenziel

Auch der Bundesrat will die Kosten und damit den Prämienanstieg bremsen. Er bringt als Gegenvorschlag zur Initiative der Mitte ein Kostenziel, das jährlich von Bund und Kantonen festgelegt wird. Faktoren wie die Alterung der Gesellschaft und der medizinische Fortschritt, die beide zum Anstieg der Gesundheitskosten führen, sollen berücksichtigt werden. Der Bremseffekt des Gegenvorschlags, der im Nationalrat ebenfalls diskutiert wird, wäre geringer als bei der Kostenbremse. Aber auch beim Bundesratsvorschlag sind Eingriffe vorgesehen, falls das Kostenziel verfehlt wird. Gesundheitsminister Alain Berset nennt als Beispiel degressive Tarife: Wenn Ärzte oder Spitäler einen medizinischen Eingriff hundertmal erbracht haben, würden die nächsten hundert Eingriffe geringer vergütet. Auch könnten die Kantone weniger neue Arztpraxen bewilligen, falls ein Überangebot besteht.

Welches Rezept hat die besten Chancen?

Die Kostenbremse-Initiative der Mitte wird von den anderen Fraktionen abgelehnt und ist im Parlament chancenlos. Das bundesrätliche Kostenziel ist aber ebenfalls umstritten. FDP und SVP lehnen diesen Gegenvorschlag mit dem Argument ab, dass Kostenvorgaben zu Staatsmedizin und Rationierung führten. Wie stark der Widerstand gegen verbindliche Kostenvorgaben ist, zeigt die Diskussion über ein vom Bundesrat vorgeschlagenes Kostenmonitoring. Nach anfänglichem Widerstand hat im März der Nationalrat nach dem Ständerat dem Kostenmonitoring mit hauchdünner Mehrheit zugestimmt: Steigen in einem medizinischen Bereich die Kosten stark an, ohne dass es dafür eine nachvollziehbare Erklärung gibt, müssen sich die Krankenversicherer mit der Ärzteschaft, den Spitälern oder anderen medizinischen Leistungserbringern auf Tarifkorrekturen einigen.

Treibende Kraft gegen verbindliche Kostenziele ist die Verbindung der Ärztinnen und Ärzte FMH. Diese warnt bei allen Vorschlägen vor einer Rationierung der Medizin und dürfte sowohl gegen das Kostenziel wie auch das Monitoring das Referendum ergreifen. Als negatives Beispiel nennt die FMH Deutschland, wo manche Arztpraxen gegen Ende Jahr auf Behandlungen verzichten, weil ihr Budget ausgeschöpft ist. Besonders ältere und chronisch Kranke würden darunter leiden. An ihrer Seite weiss die FMH den Kassenverband Curafutura, der ebenfalls davor warnt, dass verbindliche Kostenziele die medizinische Versorgung gefährdeten.

Linke will mehr Prämienverbilligung

Während die Bürgerlichen und der Bundesrat die Kosten ins Visier nehmen, setzt die Linke vor allem auf einen Ausbau der Prämienverbilligung. In der dritten Sessionswoche diskutiert der Nationalrat über die Prämienentlastungsinitiative der SP. Kein Haushalt soll mehr als 10 Prozent seines verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien aufwenden müssen. Stärker belastete Haushalte sollen so viel Geld erhalten, dass die 10-Prozent-Marke nicht überschritten wird. Dazu müsste die Prämienverbilligung gemäss Schätzungen des Bundesrats bei Inkrafttreten der Initiative 2025 um 6 Milliarden Franken erhöht werden. Den grösseren Teil davon hätte der Bund zu übernehmen.

Die SP-Initiative wird der Nationalrat zur Ablehnung empfehlen. Mit einem Gegenvorschlag will die Gesundheitskommission aber die bestehende Prämienverbilligung um über 2 Milliarden ausbauen. Die Kantone müssten ein Prämienziel festlegen, das aber über 10 Prozent liegen könnte. Zudem sollen Bund und Kantone die Prämienverbilligung für Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen separat finanzieren. Damit wird mehr Geld frei, um die Prämien der übrigen Versicherten zu verbilligen. Bereits heute geben Bund und Kantone 5,5 Milliarden Franken zur Prämienverbilligung aus.