Spucken wird in Wallisellen wohl massiv teurerWie das Spuckverbot auf das ganze Land überschwappte
Als 2007 die Stadt Wallisellen das «Spucken ohne Not» unter Busse gestellt hatte, galt sie als Pionierin. Heute büsst eine Vielzahl von Gemeinden die eklige Unsitte.
«Das Spucken auf öffentlichem und auf öffentlich zugänglichem Grund ohne Not ist untersagt.» Dies steht seit 2007 in der Polizeiverordnung von Wallisellen. Wer dagegen verstösst, muss seither mit einer Busse rechnen.
Das Walliseller Spuckverbot hatte vor 16 Jahren in der ganzen Schweiz für Schlagzeilen gesorgt. Der Passus sei «landesweit wohl einzigartig» berichtete die NZZ. Die «Berner Zeitung» schrieb von einem «in der Schweiz bisher einmaligen» Vorgehen. Das «St. Galler Tagblatt» lobte Wallisellens Kampf gegen ein «schleimiges Ärgernis». Auch das «Migros-Magazin» griff die «Rote Karte für Walliseller Grüsel» auf.
Viele Gemeinden kennen «Choder»-Paragrafen
Dass Wallisellen 2007 ein Spuckverbot eingeführt hat, galt damals als Pioniertat. «Irgendwo töif, töif dinn i üs sy mer alli Walliseller», wusste aber schon die Berner Mundartband Stiller Has. Und tatsächlich: Viele Gemeinden in der ganzen Schweiz haben nach dem Vorbild Wallisellens einen «Choder»-Paragrafen eingeführt. So ist allein im Unterland auch in Oberweningen seit 2008, in Bassersdorf und Glattfelden seit 2010 oder in Dielsdorf seit 2012 das Spucken in der Öffentlichkeit nicht mehr gestattet.
Kleiner Exkurs: Der Vorstoss für ein nationales Spuckverbot fand beim Bundesrat 2020 kein Gehör. Damals machte sich die Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann mit ihrer Anfrage «Auf den Boden spucken und Covid-19» beim Bundesrat dafür stark. Dessen Antwort: «Es gibt keinerlei wissenschaftliche Belege, dass sowohl das Spucken als auch dessen Verbot einen merklichen Einfluss auf das epidemische Verhalten hätte.» Ein nationales Spuckverbot sei deshalb nicht erforderlich.
«Mit Busse bestraft wird, wer im Siedlungsgebiet auf den Boden spuckt oder rotzt.»
Während in Wallisellen ganz einfach das Spucken «ohne Not» gebüsst werden kann, zeigten sich die Behörden anderer Gemeinden bei der Ausformulierung des Spuckverbots zuweilen sehr fantasievoll. So wird in Arbon TG beispielsweise verlangt: «Wer im Siedlungsgebiet oder in öffentlichen Parks und Anlagen der Stadt erbricht oder ausspuckt, sorgt unverzüglich für das Beseitigen des Erbrochenen oder Ausgespuckten.» In Birsfelden BL wird mit Busse bestraft, wer «im Siedlungsgebiet auf den Boden spuckt oder rotzt». Und in Flawil SG wird «die Verrichtung der Notdurft sowie das Spucken auf öffentlichem Grund» als Verunreinigung taxiert, die eine Busse nach sich zieht.
Bussen bis 200 Franken möglich
Auch die Höhe der Bussen ist – je nach Standort – verschieden. Wer heute im Hardwald auf Walliseller Boden seinen übermässigen Speichelfluss an die frische Luft befördert, kann mit 30 Franken belangt werden. Tut man dies ein paar Schritte weiter auf Bassersdorfer Boden, werden bereits 60 Franken fällig.
Am teuersten ist es in der Stadt Bülach. Dort wurde die Polizeiverordnung 2022 revidiert. «Das Spucken auf öffentlichem Grund im Siedlungsgebiet ohne Not» kostet dort sogar 200 Franken.
Weitet man den Spuck-Bussen-Radius auf die ganze Welt aus, kommt man wohl nicht um Singapur herum. Wird man im Stadtstaat, wo das entsprechende Gesetz bereits seit 1992 besteht, beim Ausspucken erwischt, bezahlt man 1000 Singapur-Dollar – nach aktuellem Wechselkurs rund 660 Franken. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schreibt in ihren Reisehinweisen unter «Besondere rechtliche Bestimmungen» für das asiatische Land denn auch: «Unter anderem können folgende Delikte (je nach Schwere des Vergehens) mit Bussen, Haftstrafen und/oder Stockhieben geahndet werden: Spucken.»
Fünf Gemeinden – ein Reglement
Aber zurück nach Wallisellen: Die schon fast kultverdächtige Polizeiverordnung mit dem ganz offensichtlich vorbildhaften Anti-Spuck-Artikel wurde inzwischen totalrevidiert. Am 4. Dezember werden die Wallisellerinnen und Walliseller an der Gemeindeversammlung wohl ihren angestammten Passus verlieren. Denn neu wird unter dem Titel «Schutz des Grundes» das Spuckverbot zusammen mit anderen Vergehen aufgeführt. Konkret lautete der neue Artikel 15: «Es ist verboten, den öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Grund zu verunreinigen, insbesondere durch Wegwerfen oder Liegenlassen von Kleinabfällen (Littering), Spucken, Urinieren, Verrichten der Notdurft an dafür nicht vorgesehenen Orten und dergleichen.»
Wallisellen gehört zusammen mit Bassersdorf, Dietlikon, Kloten und Opfikon zum Polizeiverbund Hardwald. Diese fünf Gemeinden haben sich dazu entschlossen, eine «gemeinsame, gleichlautende, harmonisierte Polizeiverordnung» zu erarbeiten. Das Stadtparlament von Opfikon hat die neue Polizeiverordnung bereits an seiner Sitzung vom 2. Oktober genehmigt. Die öffentliche Auflage läuft momentan. In Bassersdorf wird die Gemeindeversammlung am 12. Dezember darüber befinden. In Kloten und Dietlikon, die als einzige der fünf Gemeinden noch kein Spuckverbot kennen, befinden sich die jeweiligen Erlasse noch in der politischen Diskussion. Wird die neue Polizeiverordnung in allen Gemeinden angenommen, kostet das Spucken neu überall satte 200 Franken.
Nützt das Spuckverbot überhaupt?
Über Sinn oder Unsinn des Spuckverbots dürften die Meinungen geteilt sein. Ohne Zweifel kann jedoch gesagt werden: In Wallisellen bringen die Spuck-Bussen die Kassen nicht wie verrückt zum Klingeln. «Zwischen fünf und zehn» Spucker wurden bis 2010 gebüsst, hiess es in einer ersten Bilanz nach rund drei Jahren aus dem Gemeindehaus.
Wie viele Menschen bis zum heutigen Tag in Wallisellen gebüsst wurden, konnte nicht restlos geklärt werden. Marcel Amhof, Kommunikationsverantwortlicher der Stadt Wallisellen, sagt dazu: «Im Zusammenhang mit dem Thema Littering wurden durch die Stadtpolizei in den vergangenen Jahren rund 30 Ordnungsbussen ausgestellt.» Eine Aufschlüsselung nach genauem Vergehen wie Littering oder Spucken werde nicht vorgenommen. «Zu diesen rund 30 Ordnungsbussen kommen noch von der Kantonspolizei und den Regionalpatrouillen ausgestellte Bussen. Das Gesamttotal der Ordnungsbussen für Littering auf dem Gebiet der Stadt Wallisellen kann deshalb nicht genannt werden.»
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