Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Jo Lang über Pazifismus und Waffen
«Wagenknecht will verhindern, dass Putin den Krieg verliert»

Kurz vor dem ersten Jahrestag protestierten Alt-Nationalrat Jo Lang und weitere Personen an einer Kundgebung in Bern gegen den Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Herr Lang, Sie sind Friedensaktivist. Was spricht dagegen, sich für einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg und für Friedens­verhandlungen einzusetzen, wie dies Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer mit ihrem Manifest fordern?

Solange Putin seine Truppen nicht hinter die Grenzen von vor dem 24. Februar 2022 zurückzieht, machen Verhandlungen keinen Sinn. Ein Waffenstillstand wäre heute nur im Interesse von Putin, da der Krieg nicht so verläuft, wie er sich das vorgenommen hat. Sahra Wagenknecht will vor allem verhindern, dass Putin diesen Krieg verliert.

Wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung?

Sie sperrt sich vehement gegen die Sanktionspolitik des Westens. Wagenknecht hat nie mit ihrer stalinoiden Vergangenheit gebrochen, und ihr Engagement für Friedensverhandlungen erachte ich als unredlich. Die grosse Unterstützung für das Manifest finde ich bedenklich, weil sie die russische Aggression verharmlost.

Die gibt es auch in der Schweiz, wie die Demonstration vom vergangenen Wochenende in Zürich gezeigt hat, wo ebenfalls ein Waffenstillstand oder ein Abbau der Nato-Präsenz gefordert wurde.

Tatsächlich wurden dort Forderungen präsentiert, die prorussischer Propaganda zum Verwechseln ähnlich sind. Beim Ostermarsch vom 10. April besteht indes der Konsens, dass wir für Sanktionen gegen Russland sind. Wer diesen nicht mitträgt, hat bei uns nichts verloren. Deshalb haben wir bereits die Schweizerische Friedensbewegung ausgeladen, weil sie demonstrativ Verhandlungen statt Sanktionen fordert und weil sie sogar infrage stellt, ob das Massaker in Butscha tatsächlich von Russen verübt worden sei.

Wie wollen Sie das durchsetzen, es kann doch jeder am Ostermarsch teilnehmen?

Offiziell wird es keine prorussische Präsenz geben, aber wir können ja nicht Gewissensprüfungen der einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer vornehmen. Aber Transparente gegen Sanktionen werden nicht geduldet.

Und wenn trotzdem jemand solche mitbringt?

Ich erachte diese Gefahr als relativ gering, da die Szene der prorussischen Kräfte in der Schweiz sehr klein ist.

In Zürich wurde auch ein Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert. Dem müssten Sie als Pazifist doch zustimmen?

Ohne Waffenlieferungen aus Nato-Ländern würde Putin wohl gewinnen. In den 60er-Jahren wäre das Schlimmste für den Pazifismus gewesen, wenn die USA als Kriegsherr gegen Vietnam gewonnen hätten. Das Gleiche gilt heute für Putin, sollte er diesen Krieg gewinnen. Immer wenn ein Aggressor einen Konflikt zu seinen Gunsten wenden kann, führt das zu einer Schwächung des Friedens, und zwar weltweit.

«Die Debatte um Waffen­lieferungen lenkt von dem ab, was die Schweiz für die Ukraine tun kann und muss.»

Weshalb soll die Schweiz die Wiederausfuhr beispielsweise von nach Deutschland gelieferter Panzermunition nicht ermöglichen?

Die Schweiz hat Putin massiv aufgerüstet. Mit Rohstoff- und Oligarchengeldern füllte sie die Kriegskasse. Und dank sogenannten Dual-Use-Gütern konnte und kann Putin Bomber und Raketen herstellen. Diese schwere Schuld kann die Schweiz nur tilgen, wenn sie massive Hilfe zum Wiederaufbau der Ukraine leistet. Die Debatte um Waffenlieferungen lenkt von dem ab, was die Schweiz für die Ukraine tun kann und muss. Die Bürgerlichen wehren sich dagegen, ernsthaft über eine Enteignung von Oligarchen und eine Kriegsgewinnsteuer zu diskutieren. Dabei wären hier jährlich mehrere Milliarden von Franken zu holen, die der Ukraine wirklich helfen könnten.

Sind Sie jetzt als grüner Politiker und Mitglied der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) für oder gegen eine Wiederausfuhr?

Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Leute eine Wiederausfuhr von Schweizer Waffen befürworten. Ich bin dagegen, weil es mit dem Neutralitätsrecht nicht vereinbar ist. Und militärisch wäre die Wirkung dieser Lieferung äusserst marginal. Die Schweiz hat andere Hebel, die der Ukraine mehr bringen.

Wird die GSoA das Referendum ergreifen?

Wir ergreifen ein solches nur, wenn die derzeit laufende Diskussion im eidgenössischen Parlament darin mündet, dass künftig auch eine Wiederausfuhr etwa nach Saudiarabien möglich würde.

«Bei der GSoA ist man sich einig, dass Putin schuld am Krieg ist und nicht die Nato.»

Die SP ist inzwischen für eine solche Wiederausfuhr. Spaltet Putins Angriffskrieg die Linke in der Schweiz?

Ich sehe keine nachhaltige Spaltung der Linken durch diese Diskussion, auch wenn wir Grünen gegen eine Wiederausfuhr sind und die Mehrheit der SP dafür ist. Eine nachhaltige Spaltung gibt es zwischen jenen, die Putin als Kriegstreiber sehen, und jenen, welche die Nato als Hauptverantwortliche für diesen Konflikt bezeichnen. Aber letztere Strömung ist innerhalb der Linken im Gegensatz zu Deutschland sehr klein.

Gibt es auch innerhalb der GSoA Spannungen?

Bei der GSoA ist man sich einig, dass Putin schuld am Krieg ist und nicht die Nato. Einig sind wir uns auch, dass die Schweiz Putin aufgerüstet hat und sich jetzt finanziell am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen muss. Uneinig sind wir uns, ob andere Staaten Waffen an die Ukraine liefern sollen oder nicht – aber das haben wir nicht zu entscheiden, deshalb hat diese Differenz keine internen Folgen.

Die Schweiz beteiligt sich ja bereits am Wiederaufbau. So hat Aussenminister Ignazio Cassis erst letzte Woche weitere 140 Millionen Franken Soforthilfe für die Ukraine und Moldau versprochen.

Das ist eine schöne Geste, aber ein Bruchteil dessen, was die Schweiz der Ukraine schuldet. So wäre eine Kriegsgewinnsteuer aus rechtlicher Sicht problemlos einzuführen, hierfür braucht es lediglich den politischen Willen. Auch die Enteignung von Oligarchengeldern ist möglich, wenn man den Artikel 72 des Strafgesetzbuches anwendet, den sogenannten Mafiaartikel. Der Ukraine-Krieg hat uns hierzulande eines mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt: dass das schweizerische Geschäftsmodell in diesem Bereich unhaltbar ist. Das müssen wir ändern.