Formel-1-Tradition in GefahrWagen sie es tatsächlich, Monaco zu streichen?
Die Königsklasse sucht immer neue Märkte und immer noch mehr Geld – weit weg von den klassischen Rennstrecken in Europa. Der neue Besitzer erwägt sogar das Undenkbare.
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Samstagabend, 22 Uhr: Reich und Schön in Partystimmung, die Casinos voll, die Tribünen an der Rennstrecke ebenso, ein sportliches Feuerwerk bei Nacht mit viel Bling-Bling. So soll es 2023 aussehen.
Aber nicht etwa in Monaco, dem bisherigen Glamour-Grand-Prix der Formel 1, dem Tummelfeld für Hollywood- und Sportstars seit 1950 und der Geburt der Königsklasse; der Klassiker schlechthin, unumstösslich als Teil der Triple Crown des Motorsports, der dreifachen Krone, neben Indianapolis 500 und den 24 Stunden von Le Mans. Nein: In Las Vegas, Ende November, am Thanksgiving-Wochenende soll die Party steigen.
In Monaco sind die Aussichten derweil weniger euphorisch: Die Formel 1 diskutiert tatsächlich darüber, ob es diese einzigartige Hatz durch die engen Gassen am Ufer der Côte d’Azur und vor der imposanten Kulisse mit den vielen gewaltigen Jachten noch will. Der Grund: Der US-amerikanische Mediengigant und Formel-1-Besitzer Liberty Media sucht die neuen Märkte ausserhalb Europas mit noch grösserer Intensität, als dies Vorgänger Bernie Ecclestone schon tat.
Bei 24 Rennen ist Schluss
So wird im nächsten Jahr eben in Las Vegas gefahren und damit gleich dreimal in den USA, wo der Sport auch dank der Netflix-Serie «Drive to Survive» boomt. Zudem steht ab kommendem Jahr Katar im Kalender und kehrt China zurück. Auch wird über eine Rückkehr nach Südafrika nachgedacht.
25 Rennen wären es so mindestens, wenn sämtliche diesjährigen Stationen im Programm verbleiben. Wäre der Vertrag mit dem kriegsführenden Russland nicht aufgehoben worden, wären es gar 26. Das Concorde-Agreement der Formel-1-Rennställe sieht aber eine maximale Anzahl von 24 Rennen vor. Und selbst das ist einigen zu viel.
![Ein Bild, das es bald nicht mehr zu sehen gibt? Die Formel 1 bei ihrem Rennen in Monte Carlo 2019.](https://cdn.unitycms.io/images/7y-rqa57KJBAYt0acTiAvh.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=bgpn3uku3t4)
22 waren es im vergangenen und sind es in diesem Jahr. Diese beiden Saisons gehen damit als Rekordjahre in die Geschichtsbücher des Motorsports ein. Für manche Mechaniker ist dieses eng getaktete Programm schon jetzt eine Tortur, viele bewegen sich an der Grenze der Belastbarkeit. Noch zu Zeiten Michael Schumachers in den 1990er- und 2000er-Jahren waren 16 oder 17 Rennen normal. Doch eben: Der Trend geht nicht Richtung Gesundschrumpfung, sondern in die umgekehrte. Klar ist: Es gibt zu wenig Plätze für jeden aktuellen Grand Prix.
Dass nun ausgerechnet Monaco ins Wanken gerät oder auch der Klassiker im belgischen Spa-Francorchamps sowie das Rennen im französischen Le Castellet hat zum einen damit zu tun, dass die Verträge der dortigen Veranstalter nur bis Ende 2022 laufen. Doch es gibt auch andere Argumente, gerade gegen Monaco: Die Autos werden immer schwerer und breiter. Überholen war in Monte Carlo schon immer schwierig, nun könnte es praktisch unmöglich sein. Dabei ist die aktuelle Generation an Rennwagen doch genau deshalb konstruiert worden: um das Vorbeifahren zu erleichtern.
Auch die Piste von Le Castellet steht wegen mangelnden Spektakels in der Kritik, zudem ist die Anfahrt über enge Zufahrtsstrassen nicht ideal. In Belgien wiederum ist die Infrastruktur in die Jahre gekommen.
Die Europäer zahlen am wenigsten
Vor allem aber, die Formel-1-Besitzer machen nicht einmal einen Hehl daraus, geht es wie so oft um Geld. Durch sein Alleinstellungsmerkmal und die Tradition war Monaco bislang so gut wie befreit von einer Antrittsgebühr, die die Austragungsorte der Formel 1 jährlich entrichten müssen. Das Fürstentum soll lange gar nichts bezahlt haben, nun ist die Rede von 15 Millionen Dollar, die es abgibt. Das klingt nach einer stattlichen Summe, allerdings ist es die tiefste überhaupt. Auch Spa-Francorchamps und Le Castellet liegen mit ihren 22 Millionen Dollar weit unten in der Rangliste.
Am anderen Ende: Staaten wie Saudiarabien, Aserbeidschan oder Katar. 55 Millionen Dollar bezahlen die dortigen Herrscher Jahr für Jahr, um sich und ihr Land für ein Wochenende ins Schaufenster der Sportwelt zu stellen. Da können die Europäer nicht mithalten, kaum ein Rennstreckenbetreiber wird staatlich unterstützt.
Noch ist unvorstellbar, dass an diesem Sonntag letztmals durch die Sainte Devote, am Casino vorbei, durch den Tunnel oder die Rascasse-Kurve gerast wird. Doch dass der Stadtkurs nicht unantastbar ist, beweist Stefano Domenicali, einst Teamchef von Ferrari, heute CEO der Formel 1, mit dieser Aussage: «Natürlich sind wir uns der Wichtigkeit der Tradition bewusst, aber setzen wir nur darauf, hält das nicht lange. Wir müssen das Fundament für die Zukunft der Formel 1 giessen. Und das kann weitere Änderungen der Austragungsorte bedeuten.» Auch sagt der Italiener, als wäre das alles des Drucks auf die europäischen Veranstalter noch nicht genug: «Die Interessenten stehen Schlange.»
![Schon bei der WM-Premiere 1950 eine der Schlüsselstellen: Leader Giuseppe Farina, Alfredo Pian und Jose Froilan Gonzalez beim Grand Hotel Hairpin.](https://cdn.unitycms.io/images/FzutUzsNqWvAsEVmhWmWGf.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=8nONtCZ-ODM)
Eine Möglichkeit wäre, die gefährdeten Rennen im Zweijahresrhythmus stattfinden zu lassen. Michel Boeri, Präsident des Automobile Club de Monaco, will davon nichts wissen und redet davon, dass ein neuer Vertrag bald unterschrieben sein wird. Doch Tradition und Glamour allein werden künftig auch ihm nicht mehr reichen als Argumente. Tradition bringt kein Geld. Und Glamour gibt es eben auch in Las Vegas, Miami oder Singapur.
Christian Horner, Red Bulls Teamchef, sagt es so: «Wäre Monaco eine neue Rennstrecke, würde die Formel 1 dann sagen: ‹Ihr bezahlt die niedrigste Gebühr aller Betreiber, und wir fahren zu euch, obwohl man dort nicht überholen kann›? Niemals würde das Rennen in den Kalender aufgenommen. Wir fahren in Monaco wegen seines Erbes und der Geschichte, das ist es.» Und: «Auch Monte Carlo muss sich weiterentwickeln.»
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