Impfaktion in WädenswilAltersheim-Präsident bedauert, dass er sich hat impfen lassen
Im Wohnzentrum Fuhr liessen sich nicht nur Bewohner und Personal, sondern auch Vorstandsmitglieder impfen. Der Präsident verteidigt den Entscheid.
Seit der zweiten Impfung gegen das Coronavirus geniessen die Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Personal am Wohnzentrum Fuhr wieder etwas mehr Sicherheit und Freiheit. Aber nicht nur sie: Auch der Vorstand des Trägervereins darf die Frühlingstage etwas unbeschwerter geniessen als andere. Einige Vorstandsmitglieder nutzten nämlich die Gelegenheit, sich im Rahmen der Impfkampagne am Wohnzentrum Fuhr ebenfalls eine Impfdosis verabreichen zu lassen. Das Brisante: Keines der sieben Vorstandsmitglieder ist über 75 Jahre alt, keines entspricht also zumindest in Bezug auf das Alter der Zielgruppe, die das Bundesamt für Gesundheit derzeit zur Impfung zulässt.
Von einem «Impf-Bschiss» am Wohnzentrum Fuhr in Wädenswil schreibt das Onlineportal «Inside Paradeplatz» folglich und stützt sich dabei auf Aussagen einer anonymen Quelle, die sich auch bei der «Zürichsee-Zeitung» gemeldet hat. Deren Vorwürfe sind harsch: Es sei schamlos, dass der Vorstand des Wohnzentrums in Anbetracht knapper Impfdosen im Kanton Zürich der Risikogruppe nicht den Vorrang gewähre.
Behörden schlugen es vor
Auf die Vorwürfe angesprochen, bestätigt Vorstandspräsident Erich Schärer gegenüber dieser Zeitung, dass er sich habe impfen lassen. Zu den anderen Vorstandsmitgliedern könne er keine Angaben machen. Bei dem Entscheid habe er sich auf die Vorgaben des Kantons und des Verbands Curaviva gestützt. Diese seien unmissverständlich gewesen: Alle, die im Wohnzentrum Fuhr ein und aus gehen, hätten die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. «Laut den Behörden gehören da auch der Vorstand sowie ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu», sagt Schärer.
Dies bestätigt André Müller, Präsident von Curaviva Zürich. «Die Idee war es, zu Beginn der Impfkampagne Altersheime so breit wie möglich zu schützen.» Wenn der Vorstand im Wohnzentrum verkehre, solle sich auch dieser impfen lassen. So sei auch die Partnerin eines Vorstandsmitglieds zum Zug gekommen, weil diese gleichzeitig eine freiwillige Mitarbeiterin des Wohnzentrums sei.
Wie viel Kontakt gibt es?
Gemäss den Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit ist es so, dass das Personal, das mit Bewohnern in den Alters- und Pflegeheimen in Kontakt steht, sich bereits heute impfen lassen kann. Es stellt sich also die Frage, wie oft die Vorstandsmitglieder mit Bewohnern des Wohnzentrums Fuhr in Kontakt treten. «Der Vorstand trifft sich regelmässig zu Sitzungen im Wohnzentrum», sagt Schärer, «ich selber bin wöchentlich dort.» Gerade in den letzten Monaten sei die Belastung sehr gross gewesen. Schärer betont dabei, dass er seine Tätigkeit, die rund 200 Stunden im Jahr in Anspruch nimmt, ehrenamtlich ausführe und nur eine marginale Entschädigung erhalte.
Für ihn sei klar: «Wenn ich meine Arbeit zufriedenstellend ausführen will, dann muss ich wieder in Kontakt treten können mit Bewohnerinnen und Bewohnern.» Viele kenne er persönlich. Die Impfung habe diesen «unbelasteten» Kontakt wieder möglich gemacht – und deshalb habe er auch kein schlechtes Gewissen, die Impfung so früh erhalten zu haben.
Heute würde er abwarten
Und doch müssen viele Risikopatienten derzeit noch auf eine Impfung warten, weil der Impfstoff im Kanton Zürich knapp ist. «Als wir uns für die Impfung entscheiden mussten, war der Impfstoffmangel noch kein Thema», entgegnet Schärer. André Müller von Curaviva Zürich stimmt dem zu. Wenn zu Beginn der Kampagne eine Dosis übrig geblieben sei, habe man diese eben auch an Freiwillige geimpft, die mit dem Wohnzentrum in Verbindung stehen würden. «Heute würden wir anders handeln und aktiv nach weiteren Risikopatienten suchen», sagt Müller.
Und auch Vorstandspräsident Erich Schärer würde in der heutigen Situation mit der Impfstoffknappheit anders entscheiden: «Ich würde mit der Impfung warten und die Kontakte weiterhin einschränken.»
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