Rudy Giuliani im PorträtVom 9/11-Helden zur Witzfigur
Nach den Anschlägen in New York bewährte sich Rudy Giuliani als Bürgermeister und Krisenmanager. An der Seite von Donald Trump begann sein Niedergang.
Als der Terror vor 20 Jahren New York brutal traf, war Rudy Giuliani der Mann, an dem sich die Menschen der verwundeten und geschundenen Metropole aufrichten konnten. Als Bürgermeister von New York bewährte sich Giuliani als Krisenmanager. Für die Bevölkerung war er sichtbar, und er fand die richtigen Worte.
Den Trauernden spendete Giuliani Trost, den Verängstigten sprach er Mut zu. «Wir haben enorme Verluste zu beklagen, und wir werden furchtbar um sie trauern», sagte der Bürgermeister vor den Ruinen von Ground Zero. «Aber New York ist immer noch hier, und es wird immer hier sein.» Besonnen führte er New York in eine neue Normalität. Dank Führungsstärke und Mitgefühl stieg er zum populärsten Politiker der USA auf.
«Bürgermeister Amerikas»
Giuliani war in seiner bisherigen Amtsführung seit 1994 nicht unumstritten gewesen, unter anderem wegen seiner knallharten Law-and-Order-Politik. Nach den Terroranschlägen vom 9. September 2001 avancierte er jedoch zum «Bürgermeister Amerikas». Diesen Titel verlieh ihm Talkshow-Königin Oprah Winfrey.
Die US-Zeitschrift «Time» kürte Giuliani zur Person des Jahres 2001, und wenige Monate später ernannte die britische Queen Elizabeth II. Giuliani sogar zum Ehrenritter. Giuliani erzählte damals, er habe sich nach 9/11 den britischen Kriegspremier Winston Churchill zum Vorbild genommen. «Churchill hat mich gelehrt, wie man einer sterbenden Nation neuen Mut macht.»
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2002 musste Giuliani das Amt des Bürgermeisters von New York turnusgemäss nach zwei Amtsperioden aufgeben. Der Jurist gründete ein Beratungsunternehmen für Notfall- und Krisenmanagement. Als Vortragsredner verdiente er Millionen, und er schrieb einen Bestseller: «Verantwortung in schwierigen Zeiten. Meine Prinzipien erfolgreicher Führung». Als Held von 9/11 hatte er längst Weltruhm erlangt.
Im Wahlkampf 2008 kandidierte Giuliani als Präsidentschaftskandidat der Republikaner, scheiterte aber vorzeitig, weil er in der Partei als zu moderat galt. Diese Niederlage dürfte ihn tief gekränkt haben.
Rudy Giuliani, inzwischen 77-jährig, wäre wohl heute noch ein allseits respektierter Mann, wenn er sich nicht auf einen guten alten Bekannten aus New York eingelassen hätte – Donald Trump. 2016 stiess er zum Wahlkampfteam des späteren US-Präsidenten. Im Weissen Haus agierte Giuliani als Rechtsberater und persönlicher Anwalt des Präsidenten sowie als Spezialist für grenzwertige und mutmasslich illegale Aktionen, wie zum Beispiel in der Ukraineaffäre, die Ende 2019 Trump das erste Impeachment einbrachte.
Eine sehr unrühmliche Rolle spielte Giuliani auch nach der Wahlniederlage Trumps im letzten November. Giuliani gehörte zu den eifrigsten Verschwörungstheoretikern, die von Wahlbetrug sprachen, wofür es allerdings nie Beweise gab. Umso peinlicher gerieten jedoch die Medienauftritte Giulianis. Ein Tiefpunkt war eine Medienkonferenz in Philadelphia, die wegen eines Einladungsfehlers nicht in einem Luxushotel, sondern an einem tristen Ort zwischen einem Pornoshop und einem Bestattungsinstitut stattfand. (Lesen Sie auch den Artikel «Trump-Anwalt Rudy Giuliani zweifach für ‹Goldene Himbeere› nominiert».) Zuletzt soll auch Trump Giuliani verspottet haben («Rudy ist betrunken, Rudy ist fett»). Giuliani ist zur Witzfigur verkommen.
Das Streben nach erneuter Grösse in der US-Politik ist Giuliani zum Verhängnis geworden. «Er ist zu nahe an die Sonne gekommen und hat sich die Flügel verbrannt», schrieb sein früherer Sprecher Ken Frydman in einem Kommentar für die «New York Times», der den Niedergang Giulianis erklären sollte.
«Das alles wird für Rudy schlecht enden.»
Sein erratisches Wirken an der Seite von Trump hat Giuliani auch viel juristisches Ungemach eingetragen. Der Wahlmaschinenhersteller Dominion Voting System verklagte ihn im letzten Januar auf einen Schadenersatz von 1,3 Milliarden Dollar. Im April durchsuchte das FBI die Wohnung und das Büro von Giuliani in Manhattan, im Zuge der Ermittlungen zur Ukraineaffäre beschlagnahmte es 18 Telefone und Computer.
Und im Juni bestätigte ein New Yorker Berufungsgericht den Entzug der Anwaltslizenz von Giuliani – als Folge der Behauptungen über Wahlmanipulationen. Er habe als Rechtsberater des ehemaligen Präsidenten Trump «nachweislich falsche und irreführende Aussagen gegenüber Gerichten, Gesetzgebern und der Öffentlichkeit» gemacht. Giuliani habe den Ruf des gesamten Berufsstandes der Juristen beschädigt, befand das Gericht.
Ob Giuliani in seiner Not Hilfe von Trump bekommt, ist fraglich. Der Ex-Präsident lasse Giuliani fallen, sagte Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen kürzlich dem «Business Insider». Cohen hatte als «Fixer» viele Jahre schmutzige Arbeit für Trump erledigt, bevor er wegen Falschaussagen und Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Aus eigener Erfahrung ist es für Cohen darum klar: «Das alles wird für Rudy schlecht enden.»
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