AboKatastrophe im Hafen von Beirut«Viele von uns durchleben die Explosion jede Nacht erneut»
Ein Jahr nach dem verheerenden Unglück steht der Libanon noch immer unter Schock. Sechs Betroffene erzählen vom Leiden unter der Zerstörung, Hyperinflation und Wirtschaftskrise.
Beirut, 4. August 2020, 18.08 Uhr. Eine der grössten nicht-nuklearen Explosionen der Weltgeschichte verwüstet die libanesische Hauptstadt. Im Hafen sind 2750 Tonnen Ammoniumnitrat sowie Feuerwerkskörper in die Luft geflogen, bis zu zehn Kilometer weit zerstörte die Druckwelle alle Fenster und Vitrinen. Die Viertel der Innenstadt nahe dem Hafen sind zertrümmert. Die Bilanz ist verheerend: Es starben zwischen 190 und 210 Menschen, 6500 wurden verletzt und 300’000 verloren ihr Zuhause. Ein Jahr danach steht Libanon noch immer unter Schock.
Was genau passiert ist, bleibt ein Geheimnis. Das Ermittlungsverfahren geht nur langsam voran, weil viele Politiker und Beamte die Kooperation mit den Justizbehörden verweigern. Eins ist klar: Laut Weltbank steckt Libanon in einer der weltweit schlimmsten Wirtschaftskrisen seit 1850. Die Massenproteste im Oktober 2019, die die Korruption der politischen Eliten ins Visier nahmen, schufen Hoffnung auf politische und soziale Veränderung. Dann kamen die Explosion, die Hyperinflation und die politische Dauerkrise. Diese Zeitung hat mit sechs Libanesinnen und Libanesen gesprochen: Wie erlebten sie die Explosion? Was hat sich seitdem verändert?