Interview mit Experte Gibbons«Viele denken, dass du karierte Hosen und einen Bentley brauchst»
Der Engländer Ian Gibbons hat in seinen 23 Jahren in der Schweiz markante Veränderungen miterlebt. Er erklärt die Schweizer Golfszene und gibt Einsteigern Tipps.
Wer in Lipperswil Mitglied ist, bezahlt pro Jahr 3100 Franken. Ein happiger Batzen.
Es ist schon viel. Aber wenn man Golf als Hobby betrachtet, ist es vergleichbar mit sehr vielen anderen Sportarten und Freizeitaktivitäten, etwa Skifahren oder Reitsport. Wenn ich eine Harley kaufen würde, würde ich im Jahr mehr ausgeben, wahrscheinlich für die gleiche Nutzung. Wir sagen allen Anfängern, die aus der Golfschule kommen: Ist Golf dein Haupthobby? Dann sind die Investitionen eigentlich gering. Wenn es nur eines von vielen Hobbys ist, ist es verhältnismässig teuer.
Ist Golf immer noch ein Sport der Besserverdienenden?
Das spielt heute keine Rolle mehr. Es gibt Angebote für jedermann. Wir haben Mitglieder, die spielen fast jeden Tag, und das sieben, acht Monate im Jahr. Dann wird eine Runde sehr billig. Aber wir haben auch Mitglieder, die gar nie spielen.
Warum müssen Public-Golf-Mitglieder in einigen Clubs, auch Lipperswil, höhere Spielgebühren bezahlen als Clubmitglieder anderer Clubs?
Das ist eine bewusste Strategie. Für uns geht es darum, dass clubfreie Golfer unseren Mitgliedern kein Gegenrecht bieten können, weil sie selber keine Anlagen besitzen. Und es geht auch darum, dass wir unsere eigenen Mitglieder schützen, speziell am Wochenende, wenn so viele spielen wollen.
Wie hat sich die Schweizer Golfszene verändert, seit Sie 1999 in die Schweiz kamen?
Die grösste Veränderung ist die Public-Golf-Bewegung, mit der Migros und der ASGI. Die hat am meisten neue Golfer generiert. Wir waren im Jahr 2000 der 73. Golfclub der Schweiz, jetzt sind es 98. Und: Golf ist ein modernerer Sport geworden.
Inwiefern?
Die Atmosphäre hat sich gewaltig verändert. Dabei kommst du nicht darum herum, von Tiger Woods zu sprechen. Er hat als Frontfigur enorm viel in Bewegung gesetzt. In der Schweiz haben wir keine solche Frontfigur, leider – es würde uns sehr helfen.
Sind die Public-Golf-Organisationen eine Bedrohung für Privatclubs?
Einerseits sind sie eine Konkurrenz, andererseits aber auch eine Quelle, aus der man neue Mitglieder gewinnen kann. Wenn Leute hier spielen und sich wohlfühlen, bleiben sie vielleicht. Man muss dann einfach das passende Angebot haben.
Diese Angebote haben sich schweizweit erweitert.
Ja. 2001 führten wir ein Temporärspielrecht ein, 2007 eine Fünf- und Zehnjahreskategorie, die sich aber nicht bewährt hat. Fünf Jahre sind populär. Das ist ein Sprungbrett für den Neugolfer, der so sechs Jahre Zeit hat, um zu schauen, ob es ihm passt.
Dann wird aber auch der Rest der Eintrittsgebühr fällig, noch 13’000 Franken. Happig!
Die Eintrittsgebühr lag schon bei 26’000 Franken, sie ist also billiger geworden. Die grösste Einnahmequelle für uns sind die Jahresbeiträge. Die Tendenz der Eintrittsgebühren ist allgemein sinkend. Von unseren 900 Mitgliedern sind aber noch immer 606 Vollmitglieder. Und die natürlichen Abgänge und Wegzüge können wir durch Neugolfer auffangen.
«Ich sage immer: Die wichtigste Karte im Ausland ist die Kreditkarte, nicht die Mitgliederkarte.»
Die Einstiegshürde im Golf ist in der Schweiz hoch. Im Ausland kommst du, zahlst eine Green-Fee und spielst, keiner will einen Mitgliederausweis oder eine Handicapkarte sehen. Warum ist das so?
Ich sage immer: Die wichtigste Karte im Ausland ist die Kreditkarte, nicht die Mitgliederkarte. In Mitteleuropa ist die Platzreife eine Absicherung, dass sich die Leute auf der Anlage einigermassen zurechtfinden auf der Runde. Und einen Punkt dürfen wir nicht vergessen.
Nämlich?
In unseren Ländern gibt es keine einfachen Golfplätze für alle. In England beispielsweise ist es üblich, dass es im Innern von Pferdeanlagen Neunlochplätze gibt. Da kann jeder hingehen, fünf Pfund zahlen, alles ist sehr einfach gestaltet, ohne Wasser, ohne Sandbunker, ohne Hindernisse, alles flach. Die Leute können einfach probieren. Das fehlt bei uns.
Bei uns spielen Anfänger und Profis auf den gleichen Plätzen?
Tendenziell ja, auch wenn inzwischen immer mehr kleinere Übungsanlagen mit Löchern entstehen. Je mehr Leute in Berührung kommen mit dem Sport, desto besser. Das sind Zwischenstufen, die die Hemmschwelle zum Golf abbauen. In England beginnst du auf Pitch-and-Putt-Anlagen, dann wechselst du auf Public-Plätze, wo alle etwa gleichgestellt sind. Erst dann bewegt man sich Richtung Privatclubs, wo die Plätze besser sind und auch ein Clubleben stattfindet.
Wenn Sie Anfängern einen Tipp geben würden: Welche Fehler gilt es zu vermeiden?
Dass man mit Kollegen versucht, Golf zu spielen, und nicht mit Golflehrern. Die Einstiegsmöglichkeiten und das Angebot an Kursen sind heute viel zahlreicher. Es gibt genügend bezahlbare Angebote für Golfunterricht im Hinblick auf eine Platzreife. Mit einem Golfpro sind der Spassfaktor, die Erfolgsquote und die Lerngeschwindigkeit viel grösser, als wenn man sich Golf selber beibringen will.
Sie vermissen die einfachen, billigen Plätze. Denken Sie, dass solche in der Schweiz noch kommen könnten?
Schwierig. Die Landpreise sind sehr hoch, die Nutzung von Land wird sehr stark eingeschränkt. In Deutschland gibt es 9-Loch-Anlagen der österreichischen Firma Golf Range. Die liegen alle in der Nähe von Grossstädten und sind relativ einfach, ohne Luxus. Aber das, was man braucht, ist bezahlbar und gut erreichbar. Das ist auch eine Form von Public Golf. Und wissen Sie, was mir aufgefallen ist? Die Pandemie hat uns geholfen.
Inwiefern?
Die Leute sehen es jetzt als Freizeitbeschäftigung an der frischen Luft mit viel Abstand und wenig Berührungspunkten. Viele sagten in den letzten zwei Jahren, sie hätten schon immer mal mit Golf anfangen wollen, jetzt sei der richtige Zeitpunkt gekommen. Das sehen wir auch in unserer Golfschule.
Trotzdem will die Grenze von 100’000 Golfenden einfach nicht fallen.
Es gibt geschätzt 20’000 Graugolfer, die nirgendwo registriert sind und vielleicht nur in den Ferien mal spielen, damit wären wir klar über 100’000. Aber ich denke auch, dass die Zahl in der Schweiz nicht mehr stark steigen wird. Zumal das Wachstum der Golfanlagen reglementarisch stark beschränkt ist.
«Viele denken, Golfanlagen seien geschlossen und dass du karierte Hosen und einen Bentley brauchst. Das ist vorbei.»
Spüren Sie immer noch eine Art Schwellenangst in Golfclubs?
Sie ist kleiner geworden, aber noch vorhanden. Das merkt man auch am Golfrestaurant, das öffentlich ist, was viele gar nicht wissen. Viele denken, Golfanlagen seien geschlossen und dass du karierte Hosen und einen Bentley brauchst. Das ist vorbei. Es ist aber auch gut, dass nicht alle Golfanlagen gleich sind, dass es da eine gewisse Diversität gibt.
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