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Vorsicht bei Videokonferenzen
Wenn der Klang der Stimme am Mikrofon über Karrieren entscheidet

Erfolgreicher, bärtiger Geschäftsmann in den 50ern hält ein Videochat mit Partnern in einem modernen Büro, trägt ein Headset und sitzt vor einem Laptop.
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In Kürze:
  • Schlechte Audioqualität in Videokonferenzen führt zu negativeren Bewertungen der sprechenden Person.
  • Gemäss einer Yale-Studie erscheinen Sprechende mit blechernen Stimmen weniger intelligent und glaubwürdig.
  • Besonders bei Bewerbungsgesprächen macht die Tonqualität einen messbaren Unterschied aus.

Eine Videokonferenz mit 400 Zuschauern steht an. Da lässt es sich fast nicht vermeiden, dass die interne Sorgenliste von Stunde zu Stunde wächst. Enorm viele Probleme sind denkbar, doch dieses eine ist vermutlich eher nicht dabei: «Jeder der 400 Leute kann hören, wie Sie durch Ihr Mikrofon klingen – nur Sie nicht», sagt der Psychologe Brian Scholl von der Yale University in einem von der Universität produzierten Video. Er zeigt dabei mit dem Finger auf die Zuschauer. Scholl, so viel wird klar, glaubt, dass die Sache mit dem Mikrofon ein relevantes Problem ist.

Der Wissenschaftler beruft sich in seinem Vortrag auf die Ergebnisse von Experimenten, die er mit einer Kollegin und einem Kollegen gemacht hat – und deren Ergebnisse nun im US-Fachmagazin «PNAS» veröffentlicht wurden. Die Frage des Teams: Wie sehr beeinflusst die Tonqualität in Videokonferenzen die Beurteilung derer, die gerade sprechen?

In sechs Experimenten hatten die Forscher insgesamt mehreren Tausend Teilnehmern identische Audioaufnahmen in zwei verschiedenen Versionen vorgespielt. Ein Teil der Probanden hörte eine Aufnahme in ausgezeichneter Qualität. Die Stimme klang voll, nah, nuancenreich.

Andere Teilnehmer bekamen eine manipulierte Version dieser Aufnahme zu hören. Diesmal kämpfte sich die Stimme blechern, fern und flach aus dem Lautsprecher heraus. So kann es klingen, wenn Sprecher eher billige Mikrofone verwenden, etwa jene, die in älteren Laptops verbaut sind.

Schlechte Tonqualität, schlechte Beurteilung

In allen Experimenten bewerteten die Probanden die blecherne Stimme negativer. Ihr Urheber erschien ihnen weniger intelligent und weniger glaubwürdig. Die Versuchspersonen würden eine Person mit solch einer Stimme auch weniger gern einstellen als jemand mit klangvollerem Timbre. Auch bei der Frage nach der Möglichkeit eines romantischen Treffens war die abgeflachte Mikrostimme vergleichsweise hinderlich.

Die Forscher hatten für die Experimente verschiedene Sprecher eingesetzt. Doch egal, ob Mann oder Frau, ob amerikanischer oder britischer Akzent, ob menschliche oder computergenerierte Stimme – stets wurde die Variante mit der schlechteren Tonqualität mit negativeren Eigenschaften des Sprechers assoziiert.

Am ausgeprägtesten waren die Unterschiede, als die Probanden bewerten sollten, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie einen Sprecher als Verkaufsmanager einstellen würden. Die fiktive Person mit der klangvollen Stimme hatte am Ende einen Zustimmungswert von 76 auf einer Skala von null bis hundert. Der Konkurrent mit der schlechteren Audioqualität kam nur auf einen Wert von 68,5.

Klang der Stimme ist für einige Berufe wichtig

Menschen leiten aus dem Klang der Stimme intuitiv und in Sekundenbruchteilen Eigenschaften und Stimmungen des Sprechers ab, so die Autoren. Das kann bisweilen auch funktionieren. So lasse sich durch die Stimmfärbung beispielsweise oft auf Körpergrösse und Statur schliessen. Zudem kann die Beurteilung des Stimmklangs für manche Berufe von Bedeutung sein.

Doch die mittlerweile in der Arbeitswelt allgegenwärtigen Mikrofone fügen der intuitiven Einschätzung eine künstliche Komponente hinzu, die offensichtlich zu Verzerrungen des Urteils führen kann.

Auch wenn die Effekte in den Experimenten nicht sehr gross waren, vermuten die Forscher, dass sie unter Umständen ernsthafte Konsequenzen haben können. Bei Personalentscheidungen über stark umkämpfte Posten etwa könnten am Ende auch Kleinigkeiten wie der Stimmklang entscheidend sein.

Der wahre Preis eines billigen Mikrofons

Ferner könnten die Effekte Diskriminierung begünstigen, schreiben die Autoren. Denn sehr wahrscheinlich investierten Menschen mit geringerem sozioökonomischen Status besonders selten in hochwertige Mikrofone. Die Autoren zitieren einen Produkttest der «New York Times», nach dem das bestbewertete USB-Mikrofon, das «klare, klangvolle Aufnahmen produziert und die natürliche Wärme der Stimme unseres Sprechers bewahrt», mehr als 100 Dollar kostete.

Und dann ist da eben noch die Tatsache, dass sich viele Menschen des Effekts ihrer Mikrofone wahrscheinlich gar nicht bewusst sind. Sie können zwar ihre eigene Stimme hören – aber nicht die, die bei den Zuhörern ankommt. Die Psychologen, die nach eigenen Angaben keinerlei Interessenkonflikte haben, schliessen ihre Arbeit daher mit dem Rat: «Bevor Sie an Ihrer Videokonferenz teilnehmen, sollten Sie sich vielleicht fragen, wie viel ein billiges Mikrofon Sie wirklich kosten kann.»