Spanien und sein Fussball-Juwel GaviVerliebt in diesen Rotzlöffel
Nationalspieler noch vor dem ersten Profivertrag: Der 18-jährige Gavi hat einen kometenhaften Aufstieg zu Spaniens doppeltem Rekordspieler hinter sich. Die Schweiz ist gewarnt.
Es reichte ein einfacher Personalentscheid, und Luis Enrique musste sich wieder mal einiges anhören. «Respektlos» sei er gegenüber gestandenen spanischen Fussballern, ach was, gleich gegenüber dem ganzen spanischen Fussball, befanden Medien und Experten. Wie könne es der Nationaltrainer nur wagen, für das Final Four der Nations League im Herbst 2021 einen eben erst 17-jährig gewordenen Rotzlöffel namens Gavi aufzubieten, der zum Zeitpunkt der Bekanntgabe gerade mal fünf Profispiele absolviert hatte?
Die Aufregung hielt rund zehn Tage an, sie wurde kurzzeitig noch etwas grösser, als Gavi im Halbfinal gegen Italien in der Startaufstellung stand, flachte während der Partie aber immer mehr ab – und verwandelte sich zunehmend in Euphorie.
Als hätte Gavi einen Lollipop im Mund
Obwohl, dieser Pablo Martín Páez Gavira, wie der junge Mann mit vollem Namen heisst, hat tatsächlich etwas von einem Rotzlöffel, oder zumindest seine Art Fussball zu spielen. Der Mittelfeldspieler vereint Qualitäten wie die Frechheit, den Ball auch am eigenen Strafraum über den Gegner zu lupfen, und eine ziemlich grosse Portion Aggressivität, die ihn im Übermut auch mal den ballführenden Spieler über den Haufen rennen lässt. Wenn er dazu seine Zunge gegen die Wange drückt, sieht es tatsächlich so aus, als hätte er einen Lollipop im Mund. Das alles tut er meist mit offenen Schnürsenkeln, weil sie ihm nach ein paar Spielminuten halt wieder aufgehen und er sie danach entweder nicht mehr binden will (sagt er) oder kann (sagen Mitspieler).
Dass er schon immer ein Lausbub war, zeigt auch die Episode, wie er während seiner Zeit in Barças Talentschmiede La Masia mal von seinem Zimmerkollegen getrennt werden musste, weil die beiden mit ihren Flausen im Kopf die Mitspieler fast die ganze Nacht lang wach hielten.
Er legt sich mit den Grossen an
Vor allem aber ist dieser Gavi mit einer Technik und einer Spielintelligenz gesegnet, die ihn mit 17 Jahren und 62 Tagen zum jüngsten spanischen Nationalspieler und mit 17 Jahren und 304 Tagen zum jüngsten Länderspiel-Torschützen des Landes werden liessen. Es ging ziemlich schnell, und Luis Enrique war nicht mehr respektlos, sondern mutig, fast schon ein Visionär.
Seit einem Jahr ist Gavi nämlich nahezu unverzichtbar. Für den FC Barcelona und fürs spanische Nationalteam. Jüngst unterschrieb er seinen ersten Profivertrag mit einer Ausstiegsklausel von einer Milliarde Euro, anderthalb Monate nach seinem 18. Geburtstag. Als zusätzliche Belohnung neben der saftigen Gehaltserhöhung steckte ihm ein weiblicher Fan bei der Autogrammstunde die Handynummer zu. Er reagierte mit einem «muchas gracias» – und einem schelmischen Lächeln.
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Gavi ist in Barcelona längst einer der Publikumslieblinge, seine Unerschrockenheit gefällt. Der mit 1,73 Meter weder besonders grosse noch besonders kräftige Jüngling scheut in Clásicos gegen Real Madrid auch nicht davor zurück, sich mit dem doppelt so alten Luka Modric oder mit dem fast doppelt so breiten Éder Militao anzulegen, wenn er es für nötig befindet. Und das kann beim jungen Hitzkopf schnell einmal vorkommen.
Xavis väterliche Kritik
Auch deshalb sagte Barcelona-Trainer Xavi Hernandez vor der Saison, Gavi müsse lernen, sein Temperament zu zügeln. Tatsächlich sind 13 Gelbe Karten und ein Platzverweis eine stolze Zahl, im schnell einmal hysterisch werdenden Barça-Umfeld wurde die Aussage dennoch als verbale Ohrfeige interpretiert, wobei sich schnell herausstellte, dass es höchstens ein liebevolles, väterliches Tätscheln war. Denn in der laufenden Saison kam Gavi in jedem einzelnen Spiel zum Einsatz, dazu nannte Xavi die Vertragsverlängerung des Mittelfeld-Juwels die «wichtigste Nachricht der Woche».
Die Worte des Barça-Coachs schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen, in der laufenden Saison kam Gavi bisher noch ohne Verwarnung aus. Vor allem aber machte er, der als Elfjähriger aus Sevilla in die Barça-Jugend gewechselt hatte, den nächsten Entwicklungsschritt, Xavi bezeichnet ihn mittlerweile auch «Herzstück des Teams». Es ist vor allem Gavis Schuld, dass Spieler wie Frenkie de Jong, der vor drei Jahren für 85 Millionen Euro verpflichtet wurde, oftmals von Beginn an auf der Ersatzbank sitzen.
Es ist davon auszugehen, dass Gavi gemeinsam mit Pedri, auch so einem Riesentalent im Mittelfeld von Barça und Spanien, am Samstag (20.45 Uhr) gegen die Schweiz von Beginn an auflaufen wird. Schliesslich findet es Luis Enrique «wunderbar, Gavi beim Spielen zuzuschauen», das sagte er vor wenigen Tagen. Und er ergänzte: «Es ist verrückt, mit welcher Persönlichkeit ein eben erst 18 Gewordener auftreten kann. Er kann und muss Verantwortung übernehmen, wie es sonst ältere Spieler tun.»
Solche Sätze gehören zu den gar nicht mal so häufigen Aussagen des streitbaren Nationaltrainers, über die es in Spanien keine zwei Meinungen mehr gibt. Respektlos ist Gavis Nomination längst für niemanden mehr.
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