Verhaftung von Ekrem ImamogluErdogan wirft Opposition Schädigung der Wirtschaft vor
Nachdem sein wichtigster Konkurrent hinter Gittern sitzt, droht der Präsident der Opposition mit neuen rechtlichen Schritten. Istanbul stimmt derweil über einen vorläufigen Bürgermeister ab.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der Opposition Verrat an der Wirtschaft des Landes vorgeworfen. Der Aufruf der Partei des verhafteten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu zu einem Boykott von Unternehmen, die ihrer Meinung nach Erdogans Regierung unterstützen, sei «Sabotage, die auf die türkische Wirtschaft abzielt», sagte Erdogan am Mittwoch vor Abgeordneten seiner Partei AKP. Die Opposition sei «so verzweifelt, dass sie das Land und die Nation ins Feuer werfen würde» und «die Wirtschaft versenken» wolle. Das solle vor Gericht geklärt werden.
Imamoglu gilt aus aussichtsreichster Gegenspieler Erdogans bei möglichen Präsidentschaftswahlen und wurde vor einer Woche verhaftet. Er ist zusammen mit etwa 90 anderen Verdächtigen wegen Korruption und Unterstützung des Terrorismus in der Stadtverwaltung von Istanbul angeklagt. Ein Gericht erliess am Sonntag Haftbefehl. Ein Verhandlungstermin wurde noch nicht bekannt gegeben.
Im ganzen Land protestierten Zehntausende gegen die Verhaftung Imamoglus. Während seine Partei CHP erklärt hat, dass sie keine Massenkundgebungen vor dem Istanbuler Rathaus mehr organisieren wird, protestieren Studenten in der ganzen Türkei weiter. Demonstrationen in Istanbul, Ankara und Izmir sowie in kleineren Städten und Gemeinden verliefen weitgehend friedlich. Nach Angaben von Innenminister Ali Yerlikaya wurden in der vergangenen Woche 1.418 Menschen wegen der Proteste festgenommen.
Abstimmung über interimistischen Bürgermeister Istanbuls
Am Mittwoch soll das Istanbuler Stadtparlament über einen amtierenden Bürgermeister abstimmen, der den vom Amt suspendierten Imamoglu vertreten soll. Imamoglus CHP verfügt über eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung und wird wahrscheinlich Imamoguls Stellvertreter Nuri Aslan wählen.
Viele halten das Verfahren gegen Imamoglu für politisch motiviert. Die Regierung beteuert, die Justiz sei frei von politischem Einfluss. Die Beweise gegen Imamoglu wurden nicht offiziell bekannt gegeben. Viele türkische Medien haben berichtet, dass sie sich weitgehend auf «geheime Zeugen» stützen. Derartige Zeugenaussagen wurden bereits in früheren Strafverfahren gegen Oppositionspolitiker verwendet.
In der Türkei stehen erst 2028 wieder Wahlen an, Erdogan könnte die Wahlen aber vorziehen, um eine weitere Amtszeit anzustreben. Imamoglu ist als Kandidat der CHP bestätigt worden und hat in den letzten Umfragen gut gegen Erdogan abgeschnitten.
DPA/sme
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