USA sind auf die Basen in Deutschland angewiesen
Trumps Botschafter droht Berlin mit dem Rückzug – einmal mehr. Das würde aber vor allem für ein Land teuer: Die USA.
Die europäische Ausgabe des Internetmagazins «Politico» hat Richard Grenell Anfang des Jahres einmal als «Un-Diplomaten» tituliert. Den US-Botschafter in Berlin dürfte das eher geschmeichelt haben. Er hat kein Problem damit, heftig anzuecken.
Jüngst zettelte er auf Twitter, dem Lieblingsmedium seines obersten Vorgesetzten Donald Trump, wieder mal das eine oder andere Scharmützel an. Auch jetzt wieder, als er vor Trumps Europareise der Deutschen Presse-Agentur sagte: «Es ist wirklich beleidigend, zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50'000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden.»
Grenells Kollegin in Warschau, Georgette Mosbacher, hatte getwittert: «Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüssen, wenn die US-Truppen in Deutschland nach Polen kämen.» Nun sei man an dem Punkt angelangt, sekundierte Richard Grenell, an dem der US-Präsident reagieren müsse. Schon war die Schlagzeile in der Welt. «USA drohen mit Truppenabzug» tickerte die Deutsche Presse-Agentur.
Tatsächlich hatte Trump mit dem Gedanken an einen Teilabzug schon vor dem Nato-Gipfel im Juli 2018 in Brüssel gespielt; das Pentagon wurde beauftragt, Kosten-Nutzen-Rechnungen anzustellen. Im Juni hatte Trump dann beim Besuch des polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Washington zugesagt, 1000 zusätzliche US-Soldaten nach Polen zu verlegen – die könnten etwa aus Deutschland kommen. Trump kritisierte, dass Deutschland keine zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investiere, obwohl die deutsche Regierung diese Selbstverpflichtung in der Nato mehrmals mitbeschlossen hat.
Die Vereinigten Staaten haben etwa 34'000 Soldaten in Deutschland stationiert – so viele wie in keinem anderen Land ausser Japan. Die Zahl schwankt mit der Rotation von Truppenverbänden, so sind etwa 2017 amerikanische Einheiten von Standorten in Bayern zeitweise nach Polen verlegt worden. Sie werden aber auch in andere Einsatzgebiete geschickt oder zurück in die USA. Allerdings dürfte das Pentagon bei seinen Analysen zu dem Ergebnis kommen, dass ein umfangreicher Abzug aus Deutschland vor allem für ein Land teuer würde – für die USA.
Drehkreuz Ramstein
Das liegt vor allem an der Art der Einrichtungen, die das US-Militär in Deutschland unterhält. Dazu gehören eine Reihe von Hauptquartieren und Logistik-Stützpunkten, die weit über Deutschland und Europa hinaus Bedeutung für Einsätze und die Verteidigungsplanung der USA haben. So sitzen im Raum Stuttgart die beiden für Europa und Afrika zuständigen Regionalkommandos der US-Streitkräfte, in Böblingen zudem das Kommando der US-Marineinfanterie für Europa und Afrika.
Der Stützpunkt Ramstein ist nicht nur einer der grössten ausserhalb der USA und Hauptquartier der US-Luftwaffe für Europa, sondern das wichtigste Nachschub-Drehkreuz für Einsätze im Nahen Osten, in Afghanistan und Afrika, bedeutend auch für die Steuerung von Drohneneinsätzen dort.
Verwundete aus diesen Einsatzgebieten fliegen die US-Streitkräfte in das Militärspital Landstuhl aus, das grösste ausserhalb der USA. Weniger bekannt, aber ebenso wichtig: das Miesau Army Depot, grösstes Munitionslager der US-Landstreitkräfte ausserhalb der USA, das nur etwa 15 Kilometer von Ramstein entfernt liegt. Der Armeestützpunkt in Vilseck und der Truppenübungsplatz Grafenwöhr, einer der grössten in Europa, haben ihre Bedeutung im gemeinsamen Training von dort stationierten US-Soldaten und Einheiten aus europäischen Nato-Staaten.
Milliarden investiert
Bis 2023 planten die USA, weitere zwei Milliarden Dollar allein in Stützpunkte in Rheinland-Pfalz zu investieren. Ramstein und Landstuhl sind schon für Milliarden Dollar umgebaut und modernisiert worden und sind auf kurze und mittlere Sicht nicht zu ersetzen. Ähnliches gilt für den Stützpunkt Wiesbaden-Erbenheim, der neben dem Europa-Hauptquartier der US-Armee inzwischen auch wichtige Geheimdiensteinrichtungen beherbergt.
Bis September 2020 sollen nach bisherigen Planungen des Pentagon 1500 weitere Soldaten der Armee dauerhaft in Deutschland stationiert werden; einige von ihnen sind bereits eingetroffen. Andere Einheiten könnten nach Polen umgelenkt werden. Allerdings wäre eine dauerhafte Stationierung dort, wie sie neben Polen auch die baltischen Staaten und die Ukraine befürworten, nicht einfach mit der Nato-Russland-Grundakte in Einklang zu bringen.
All das, so ist zu vermuten, wird Botschafter Grenell geläufig sein. Doch weiss er ebenso gut um Mechanismen der Medien, die Reflexe der Politik, die Kunst der Provokation. Grenell war Kommunikationsberater und regelmässig Interviewgast auf Trumps Lieblingssender Fox, er arbeitete lange als Sprecher der US-Mission bei der UNO und für Trumps heutigen Sicherheitsberater John Bolton. «Die Feldherrenpose nutzt sich ab», kommentierte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider Grenells Äusserungen – und verschaffte ihm damit nur noch mehr Aufmerksamkeit.
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