LiveUnterschriften-Bschiss«Keine belastbaren Indizien» – Bundesrat verzichtet auf notrechtliche Massnahmen
Laufende Unterschriftensammlungen sollen wie geplant weiterlaufen. Der Bundesrat verzichtet nach dem Bekanntwerden von mutmasslichen Betrugsfällen auf drastische notrechtliche Massnahmen.
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Zusammenfassung: Unterschriftensammlungen sollen wie geplant weiterlaufen
Keine Nachkontrollen und Sistierungen hängiger Initiativen und Referenden: Laufende Unterschriftensammlungen sollen wie geplant weiterlaufen. Der Bundesrat verzichtet nach dem Bekanntwerden von mutmasslichen Betrugsfällen auf drastische notrechtliche Massnahmen.
Sistierungen hängiger Initiativen und Nachkontrollen der Unterschriften für Volksbegehren, die zustande gekommen, aber noch nicht zur Abstimmung gelangt sind, seien nicht vorgesehen, teilte der Bundesrat am Freitag mit. «Beides wäre rechtlich problematisch und hätte politische Unsicherheit zur Folge.»
«Es liegen bis heute keine belastbaren Indizien dafür vor, dass Volksbegehren nur dank gefälschter Unterschriften zustande gekommen wären», hielt der Bundesrat fest. Er stützt damit die Analyse und die Vorschläge der Bundeskanzlei.
«Bedingungen für Notrecht nicht erfüllt»
Den Behörden fehlten überdies die rechtlichen Grundlagen sowohl für die Sistierung der Behandlung von Volksinitiativen wie für die Nachkontrolle von Unterschriften, schrieb die Landesregierung. «Die Bedingungen, um per Notrecht entsprechende Grundlagen zu schaffen, sind nicht erfüllt.»
Nachkontrollen würden laut dem Bundesrat eine stichprobenartige Nachbefragung bei denjenigen Personen voraussetzen, deren Unterschrift für eine Volksinitiative von der Gemeinde bescheinigt und von der Bundeskanzlei als gültig gezählt wurde. «Solche Nachkontrollen wären von beschränkter Aussagekraft.»
Sie wären den Angaben der Landesregierung zufolge zudem staatspolitisch problematisch, weil sie den von gesetzlichen Fristen getakteten Behandlungsprozess der aktuell hängigen Volksinitiativen stark verzögern und infrage stellen würden. Auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) hatte sich vor einer Woche gegen die Nachkontrolle von Unterschriften ausgesprochen.
Weitere Massnahmen dürften folgen
Die direktdemokratischen Instrumente und Prozesse sollten gewahrt und nicht eingeschränkt werden, schrieb der Bundesrat weiter. Der Bundesrat will den unlauteren Praktiken bei Unterschriftensammlungen für Volksbegehren stattdessen mit strafrechtlicher Verfolgung, Prävention sowie Verbesserung der Abläufe entgegentreten.
Die Bundeskanzlei wird gemäss Mitteilung demnächst einen Runden Tisch einberufen. Die an den Unterschriftensammlungen und -kontrollen beteiligten Parteien, Verbände, Komitees, Sammelorganisationen und Behörden sollen die derzeitigen Prozesse analysieren und mögliche Massnahmen zur Vermeidung von Missbrauch konkretisieren.
«Eines der Ziele ist die Entwicklung effizienter und pragmatischer Standards, zu deren Einhaltung die Akteure sich selber verpflichten», schrieb der Bundesrat weiter. Auf diese Weise könne schnell Transparenz geschaffen werden darüber, woher Unterschriften stammen und von wem und auf welche Weise sie gesammelt wurden. Für die Einführung obligatorischer Transparenzmassnahmen fehle derzeit eine rechtliche Grundlage.
Laut dem Bundesrat soll auch die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft gesucht werden, um die Möglichkeit technischer Lösungen zu prüfen, die Unterschriftensammlungen gegen Missbrauch und Betrug besser schützen könnten. (SDA)
Müssten die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden?
Mehrfach habe der Bund darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Grundlagen fehlen würden, um Nachkontrollen zu machen. Müsste da gesetzlich nachgebessert werden? Rossi verneint zum aktuellen Zeitpunkt die Frage.
Wie viele der Unterschriften für die Blackout-Initiative sind gefälscht?
Die Fragerunde beginnt. Ein Journalist will wissen, wie viele der Unterschriften für die Blackout-Initiative gefälscht seien. Bundeskanzler Rossi antwortet darauf: «Ich mache keine Schätzung darüber.» Rossi wiederholt sich, dass bis heute keine belastbaren Indizien dafür vorlegen würden, dass ein Volksbegehren nur dank gefälschter Unterschriften zustande gekommen wäre.
«Es soll einfach und unkompliziert bleiben»
Der Prozess des Unterschriftensammelns und dessen Kontrolle soll verbessert werden. Die Bundeskanzlei wolle deswegen demnächst einen Runden Tisch einberufen, so Rossi. Mit den beteiligten Akteuren sollen die aktuellen Prozesse analysiert werden und mögliche Massnahmen ausarbeiten.
«Eines der Ziele ist die Entwicklung effizienter und pragmatischer Standards, zu deren Einhaltung die Akteure sich selber verpflichten.» Der «pragmatische Charakter der direktdemokratischen Prozesse» solle aufrechterhalten werden: «Es soll einfach und unkompliziert bleiben, Unterschriften zu sammeln», betont Rossi.
«Keine belastbaren Indizien»
Bundeskanzler Rossi eröffnet die Medienkonferenz. Hauptaussage: Es gibt keine Nachkontrollen und Sistierungen hängiger Volksbegehren. Rossi sagt dazu: «Es ist ein Entscheid nach der Devise: Im Zweifel für die Volksrechte.» Rossi wolle nicht das Vertrauen in die demokratischen Institutionen untergraben, sondern nach vorne schauen. Es gebe keine Indizien dafür, dass Volksbegehren nur dank gefälschter Unterschriften zustandegekommen wären.
Unterschriftensammlungen sollen wie geplant weiterlaufen
Keine Nachkontrollen und Sistierungen hängiger Initiativen und Referenden: Laufende Unterschriftensammlungen sollen wie geplant weiterlaufen. Der Bundesrat verzichtet nach dem Bekanntwerden von mutmasslichen Betrugsfällen auf drastische notrechtliche Massnahmen.
Nachkontrollen und Sistierungen hängiger Initiativen seien nicht vorgesehen, teilte der Bundesrat am Freitag mit. Er stützt damit die Vorschläge der Bundeskanzlei. «Es liegen bis heute keine belastbaren Indizien dafür vor, dass Volksbegehren nur dank gefälschter Unterschriften zustande gekommen wären», hielt der Bundesrat fest.
Den Behörden fehlten überdies die rechtlichen Grundlagen sowohl für die Sistierung der Behandlung von Volksinitiativen wie für die Nachkontrolle von Unterschriften. «Die Bedingungen, um per Notrecht entsprechende Grundlagen zu schaffen, sind nicht erfüllt.»
Der Bundesrat will den unlauteren Praktiken bei Unterschriftensammlungen für Volksbegehren stattdessen mit strafrechtlicher Verfolgung, Prävention sowie Verbesserung der Abläufe entgegentreten. (SDA)
Bundesrat nimmt nicht an MK teil
Bundeskanzler Viktor Rossi informiert um 14.30 Uhr zu den missbräuchlichen Unterschriftensammlungen und den Umgang mit hängigen Initiativen.
Wieso wird die Bundeskanzlei kritisiert?
Im Kreuzfeuer der Kritik steht nach dem Bericht zu den mutmasslichen Fälschungen die Bundeskanzlei. Die Mitglieder der zuständigen Parlamentskommissionen haben erst über die Medien vom möglichen Unterschriftenbetrug erfahren. Die Bundeskanzlei habe von Unregelmässigkeiten gewusst, aber weder sie noch der Bundesrat hätten darüber aktiv kommuniziert, lautet die Kritik.
Aufgrund des Amtsgeheimnisses und der laufenden strafrechtlichen Verfahren war es der Bundeskanzlei nach eigenen Angaben «nicht möglich, die Öffentlichkeit über dieses Problem zu informieren». Das erste Anliegen sei es, dass allfällige Täter gefasst werden, hält sie fest. Es gelte auch zu vermeiden, dass die Bundeskanzlei mit ihren Informationen die Meinungsbildung zur einen oder anderen Initiative beeinflusse. Sie begrüsse jedoch die Diskussion, die nun angestossen wurde. Bundeskanzler Viktor Rossi räumte jedoch in einem Gespräch mit Radio SRF ein, dass die Bundeskanzlei die Öffentlichkeit aktiver über die mutmasslich gefälschten Unterschriften hätte informieren müssen.
Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (GPK-S) hat Abklärungen eingeleitet.
Was ist die Rolle der Bundeskanzlei?
Sie prüft die gesammelten Unterschriften und teilt im Anschluss mit, ob eine Volksinitiative oder ein Referendum zustande gekommen ist oder nicht. Nach Einreichung der Unterschriftenlisten vor Ablauf der Sammelfrist durch das Initiativkomitee bei der Bundeskanzlei prüft ein Auszählteam, ob die eingereichten Unterschriftenlisten und Stimmrechtsbescheinigungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und somit gültig sind. Die Bundeskanzlei steht im regelmässigen Austausch mit Kantonen, Gemeinden und Komitees. Gemäss eigenen Angaben geht die Bundeskanzlei «seit einigen Jahren» gegen mögliche Unterschriftenfälschungen vor.
Die Bundeskanzlei hat im Jahr 2022 selber Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht und diese Anzeige mehrfach um neue Verdachtsfälle ergänzt, wie sie schreibt. Seit Anfang Jahr wurden der Bundeskanzlei weitere Fälle von auffälligen Unterschriftenlisten gemeldet, bei denen der Verdacht besteht, dass Dritte anstelle der eingetragenen Stimmberechtigten die Unterschriftenlisten ausgefüllt und unterzeichnet haben. Sie bereitet deshalb eine zweite Strafanzeige vor. Ging es zu Beginn schwergewichtig um Unterschriftenlisten aus Gemeinden der Westschweiz, sind seit vergangenem Winter zunehmend auch Verdachtsmeldungen aus der Deutschschweiz zu verzeichnen.
Wurden Unterschriften ohne Auftrag gesammelt?
Gut eine Woche nach den ersten Berichten hat die Affäre einen neuen Dreh erhalten: Laut der Bundeskanzlei sollen gewisse Organisationen, die für Geld Unterschriften sammeln, dies ohne Auftrag getan und Komitees zum Kauf dieser nicht bestellten Unterschriften gedrängt haben. Sie stützt sich dabei auf eine Strafanzeige, über die sie informiert worden ist. Dies könne die Rechte von Stimmberechtigten und die Integrität des Sammelprozesses beeinträchtigen, schrieb die Bundeskanzlei. Namen der Organisationen nannte sie nicht, informierte aber Komitees von Volksinitiativen und Referenden im Sammelstadium und sicherte ihnen Unterstützung zu.
Worum geht es?
Tamedia-Recherchen deckten vergangene Woche auf, dass mutmasslich Tausende Unterschriftendaten für Volksinitiativen gefälscht worden sind. Diese Redaktion sprach von einem «Unterschriften-Bschiss», der die Schweiz erschüttere. Das Ausmass der Fälschungen kann nicht abgeschätzt werden. Verschiedene Strafuntersuchungen laufen. Die Meldungen über Verdachtsfälle betreffen in unterschiedlichem Ausmass rund ein Dutzend eidgenössische Volksinitiativen. Aus heutiger Sicht liegen laut der Bundeskanzlei jedoch keine belastbaren Indizien vor für die Vermutung, dass über Vorlagen abgestimmt wurde, die nicht rechtmässig zustande gekommen sind.
SDA/jaw
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