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Klimagipfel endet so spät wie nie und trotzdem ohne Fortschritte

Betretene Gesichter: Die Weltklimakonferenz unter Leitung von Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt (in Rot) hat in vielen Punkten keine Einigung erzielt. Bild: Keystone/EPA
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Die Weltklimakonferenz in Madrid hat sich am Sonntag nach 41-stündiger Verlängerung ihrer Sitzungen auf einen Kompromiss zur Abschlusserklärung geeinigt. Das Plenum erinnert darin alle rund 200 Staaten an ihre Zusage, im nächsten Jahr ihre Klimaschutzziele für 2030 möglichst zu verschärfen.

Bei einem wichtigen Punkt gab es allerdings zunächst noch keine Einigung: Vier Jahre nach der Verabschiedung des Klimaabkommens von Paris sollte das Plenum auch Regeln für die internationale Zusammenarbeit beschliessen, insbesondere den Handel mit Klimaschutz-Gutschriften. Das ist gescheitert.

Die Konferenz hatte eigentlich die letzte grosse Leerstelle des Pariser Klimaabkommens von 2015 füllen sollen – die Frage, wie Industrieländer Klimaschutz auch im Ausland betreiben können. Ein Marktmechanismus sollte entstehen, mit dem Investoren durch grüne Projekte in Entwicklungsländern Klimaschutz-Zertifikate generieren können, die dann wiederum andere Länder oder auch Unternehmen auf ihre Klimaziele anrechnen können. Das Paris-Abkommen sieht das vor; nur die Funktionsweise war unklar.

Doch das Thema scheiterte im vorigen Jahr in Kattowitz, und es scheiterte auch in Madrid – unter anderem wegen Maximal-Forderungen aus Brasilien. «Bedauerlicherweise konnten wir nicht zu einer Einigung in dieser wichtigen Frage kommen», sagte Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt, die sichtlich frustrierte Präsidentin der Konferenz. Brasilien störte sich an einer Fussnote jenes Beschlusses, mit dem eine Entscheidung auf die nächste Klimakonferenz in Glasgow verschoben werden soll.

Mindesstandards: Keine Einigung

So bleibt nicht viel von dieser Klimakonferenz. Die Staatengemeinschaft will sich weiter mit Schäden und Verlusten befassen, die durch den Klimawandel in Entwicklungsländern entstehen; auch Geld soll es dafür geben. Aber keinen Mechanismus, der die Reichen zur Hilfe für die Armen verpflichtet. Es gibt eine Schlusserklärung, in der sich die Staaten besorgt zeigen über die Ausmasse des Klimawandels.

Vor allem bekräftigen sie aber darin, was im Pariser Abkommen ohnehin schon steht. Und selbst hier blockierte Brasilien plötzlich: Einer Klausel, die auch die Ozeane und die Landmassen in den Fokus rückt, wollte Brasiliens Delegierter nicht mehr zustimmen. «Tut uns entsetzlich leid, aber das können wir so nicht annehmen.» Erst als sich buchstäblich alle anderen Staaten zu den Paragrafen bekannten, knickte er ein.

Um in den Verhandlungen Druck zu machen, hatten 17 Staaten gemeinsam Mindeststandards für den internationalen Handel mit Klimaschutz-Gutschriften gefordert. In der Endphase der Verhandlungen veröffentlichten diese 17 Staaten ihre Ansprüche. Unter anderem heisst es darin, dass der Schutz der Umwelt gewährleistet sein müsse und der Handel auch wirklich dazu führen müsse, dass der weltweite Treibhausgas-Ausstoss zurückgehe. Zudem fordern sie ein Verbot, alte Gutschriften aus der Zeit vor dem Pariser Klimaabkommen weiterhin zu nutzen.

Doch darauf konnten sich die Teilnehmerstaaten nicht einigen. Die Verhandlungen sollen beim nächsten Klimagipfel 2020 in Glasgow fortgesetzt werden.

Noch nie so lange überzogen

Im kommenden Jahr sollen die Staaten eigentlich neue, ehrgeizigere Ziele im Kampf gegen Klimawandel verbindlich zusagen. Alle fünf Jahre soll es solche Verschärfungen geben, wie es der Pariser Klimaschutzvertrag vorsieht. Anders gilt das Ziel, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu halten, als nicht erreichbar. Im Madrid war eigentlich erwartet worden, dass erste Staaten bereits ambitioniertere Ziele zumindest in Aussicht stellen. Stattdessen ist in der Abschlusserklärung nur allgemein die Rede davon, dass die Staaten mehr CO2 einsparen sollten.

Noch nie hat eine Weltklimakonferenz ihre Beratungen so lange überzogen wie in diesem Jahr. Am Sonntagmorgen war in Madrid weiter verhandelt worden – mehr als 40 Stunden nach dem ursprünglich geplanten Ende. Etliche Delegierte mussten deshalb schon vor dem offiziellen Schluss der Konferenz abreisen, waren für die endgültigen Abstimmungen nicht mehr in Madrid.

Empörung der Umweltgruppen

Umweltgruppen und Klimaschützer zeigten sich empört, dass der Prozess aus dem Pariser Abkommen von 2015 ins Stocken geraten sei: «Diese Klimaschutzkonferenz war ein Angriff auf das Herz des Pariser Abkommens. Sie verrät all jene Menschen, die weltweit längst unter den Folgen der Klimakrise leiden und nach schnellen Fortschritten rufen», sagte Greenpeace-Deutschland-Geschäftsführer Martin Kaiser.

Die Umweltschutzorganisation WWF bezeichnete die Beschlüsse als «so müde wie die Delegierten nach zwei durchverhandelten Nächten» und betonte, die Konferenz sei «ein gruseliger Fehlstart in das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so entscheidende Jahr 2020».

Luisa Neubauer, führende Aktivistin der Klimabewegung Fridays For Future, erklärte, die Regierungen seien damit gescheitert, ihre Ambitionen der Krisenrealität anzupassen. «Die COP25 lässt uns nach einem Jahr mit beispiellosen Klimaprotesten ohne signifikanten Fortschritt zurück.»

Die Hilfsorganisation Brot für die Welt machte insbesondere den Industriestaaten schwere Vorwürfe. «Es ist extrem verantwortungslos, egoistisch und kurzsichtig, dass sie Finanzzusagen gegenüber den ärmsten Staaten für die Bewältigung von Klimaschäden verwehren», bilanzierte die Organisation.

USA und Brasilien am Pranger

Die internationale Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan sagte: «Die Regierungen müssen sich komplett neu aufstellen, denn das Ergebnis der COP25 ist völlig inakzeptabel.»

Greenpeace machte vor allem die USA sowie Brasilien als Bremser aus. Die USA haben zwar ihren Austritt aus dem Klimavertrag beschlossen, sind aber derzeit noch an den Verhandlungen beteiligt. Brasilien wird vorgeworfen, vor allem beim Kernthema der diesjährigen Konferenz blockiert zu haben.

Mitglieder der brasilianischen Delegation während der Schlusserklärung in Madrid. Bild: Keystone

Dabei geht es darum, dass Staaten, die in anderen Ländern Klimaschutz finanzieren, sich dies auf ihre eigenen Anstrengungen anrechnen lassen können. Dies würde etwa gelten, wenn Windräder an der Küste Brasiliens errichtet würden. Vor allem die Europäer wollen aber verhindern, dass sich in diesem Fall Brasilien die Klimaschutzeffekte auf seine eigenen Ziele gutschreibt und so zusammen mit den finanzierenden Staaten eine Doppelanrechnung entsteht.

Die Delegierten trafen sich am Sonntag noch zu einem Abschlussplenum an dessen Rande sich vor allem die verwundbarsten Länder enttäuscht zeigten. Der Chef-Unterhändler einer Allianz von Inselstaaten, Carlos Fuller, sprach davon, dass die kleinen Staaten in den Gesprächen an die Seite gedrängt worden seien.

Schweiz bedauert fehlende Regeln für Emissionsverminderungen

Die Schweiz bedauert, dass an der Klimakonferenz keine Regeln für Marktmechanismen verabschiedet wurden, die eine doppelte Anrechnung von im Ausland erzielten Emmissionsverminderungen ausschliessen.

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«Ich bin enttäuscht von den Ergebnissen der Weltklimakonferenz. Wir haben uns für klare Marktregeln eingesetzt, die auch wirklich greifen», schrieb Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Sonntag auf Twitter. Die Schweiz sei jetzt umso mehr gefordert, mit starken Klimaschutzmassnahmen im Inland voranzugehen.

Die Schweiz hatte sich für griffige Regelungen eingesetzt, die eine wirksame Umsetzung des Übereinkommens von Paris sicherstellen, wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) am Sonntag mitteilte. Sie forderte insbesondere, dass Emissionsverminderungen im Ausland nicht mehrfach – sowohl im Geber- als auch im Empfängerland – angerechnet werden können, weil dies den Anspruch und die Wirksamkeit des Pariser Abkommens bedrohen würde.

Eine kleine Gruppe von Schwellenländern verhinderte jedoch die Verabschiedung der entsprechenden Regeln. «Die Schweiz bedauert den Entscheid und hat sich gemeinsam mit anderen ambitionierten Partnerländern im Rahmen der 'San José Prinzipien für hohe Ambition und Integrität' verpflichtet, robuste Regeln für den Handel mit Emissionszertifikaten anzuwenden», heisst es in der Mitteilung des Bafu. Dies, bis eine Einigung im Rahmen einer COP gefunden werde.

Besorgt über mangelnde Transparenz

Besorgt zeigt sich das Bafu darüber, dass sich die Länder an der COP25 nicht darauf einigen konnten, wie sie über ihre Emissionsverminderungen und die Unterstützung, die sie dafür selber erhalten oder anderen Ländern geben, Bericht erstatten.

Die Berichterstattung und die Prüfung der Länderberichte seien wesentliche Bestandteile des Pariser Übereinkommens. «Da die Transparenzregeln für das Vertrauen unter den Vertragsparteien grundlegend sind, ist dieses Resultat aus Sicht der Schweiz besorgniserregend», schreibt das Bafu. Die Länder haben nun noch bis 2020 Zeit, um sich auf solche Regeln zu einigen.

Die Schweiz selbst hat an der COP25 im Rahmen des sogenannten «Multilateralen Assessment» über die Fortschritte und Herausforderungen bei der Erreichung ihrer Klimaziele berichtet. Das Assessment sei ein wichtiges Element des Übereinkommens, um Transparenz über die Anstrengungen der Länder zur Emissionsverminderung zu schaffen.

Schweizer Beiträge zur Klimafinanzierung

Die Schweiz kündigte an der Klimakonferenz Beiträge an den Anpassungsfonds der Vereinten Nationen und ein Programm der Weltbank zum Ausbau der erneuerbaren Energien im Umfang von insgesamt 31 Millionen Franken an. Mit diesen Beiträgen unterstreicht die Schweiz ihre Zusage, einen fairen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung zu leisten.

Im Oktober hatte die Schweiz bereits rund 150 Millionen US-Dollar für den Green Climate Fund (GCF) zugesagt. Dieser stellt Gelder für Projekte zur Minderung von Treibhausgasemissionen und zur Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern bereit. Insgesamt waren an einer GCF-Geberkonferenz Zusagen von rund 9,8 Milliarden US-Dollar zur Wiederauffüllung des Fonds gemacht worden.