Angebliche LiebesbeziehungUNO entlastet Ex-UNRWA-Chef von Vorwürfen – Schweiz schweigt
Wegen eines mutmasslichen Fehlverhaltens in der Führung stellte die Schweiz als erstes Land Zahlungen an das Palästinenser Hilfswerk ein. Ein Bericht entlastet nun den damaligen Generalkommissars Pierre Krähenbühl.

Die Schweiz hat als erstes Land im Juli 2019 eine Zahlung an das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge UNRWA wegen eines geleakten internen Berichts suspendiert, der ein schlechtes Licht auf die Unrwa-Führung warf. Die Vorwürfe liessen sich laut UNO aber nicht bestätigen. Die Schweiz schweigt dazu.
Der neuste Bericht des UNO-Aufsichtsdienstes Oios bekräftigt die Entlastung des damaligen Schweizer UNRWA-Generalkommissars Pierre Krähenbühl und dreier weiterer Personen von Vorwürfen. Bereits im November 2019 hatte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres mitgeteilt, es sei weder zu Betrug noch zu Veruntreuung von Geldern gekommen.
Nun schreibt Oios in seinem vertraulichen Schlussbericht, er habe keine Belege dafür gefunden, dass «die Beziehung zwischen Krähenbühl und der (für die Beschaffung von Geldern zuständigen) Beraterin mehr als beruflich war.» – In dem geleakten UNRWA-Bericht war Krähenbühl eine Liebesbeziehung zu ihr vorgeworfen worden (wir berichteten).
Laut Oios hat Krähenbühl die Ernennung des Ehemannes seiner Stellvertreterin für einen Kaderposten gebilligt – das erlauben die UNO-Regeln.
Die UNO-Untersuchung war mit der Forderung nach Transparenz begründet worden. Die Ergebnisse wurden jedoch nicht öffentlich gemacht. Die Journalistin Anne-Frédérique Widmann, die über eine Kopie des Schlussberichts verfügt, berichtete in der Sendung «Temps Présent» des Westschweizer Fernsehens RTS im Dezember zuerst darüber. Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA hatte Einblick in die Ergebnisse des Berichts.
«Politische Botschaft»
Die Entscheidung, ob der Bericht veröffentlicht werde, liege bei der UNO, teilte das Aussendepartement EDA auf Anfrage mit. Die Schweiz hatte bereits vor dem Zahlungsstopp den ordentlichen Beitrag für 2019 von 22,3 Millionen Franken überwiesen.
«Es war eine politische Botschaft», sagt Ständerat Carlo Sommaruga (SP/GE) mit Blick darauf, dass die Schweiz als erstes Land Beiträge aufgrund der internen Beschwerden strich. «Die Vorwürfe gegen Krähenbühl wurden von der Schweiz als Mittel benutzt, um sich an der Schwächung des UNRWAzu beteiligen.»
Zeitgleich mit der Entlastung Krähenbühls hatte Guterres im November 2019 festgehalten, es blieben noch einige Managementfragen zu klären, bis dahin beurlaube er den UNRWA-Generalkommissar. Das akzeptierte Krähenbühl, der die Vorwürfe immer zurückgewiesen hatte, jedoch nicht, und er trat zurück.
Dass Guterres Krähenbühl suspendierte, sieht der Aussenpolitiker Sommaruga als Schritt, UNRWAvor weiterem Druck seitens der USA zu schützen. Die USA erklärten Ende August 2018, die Zahlungen an UNRWAeinzustellen, es trage zur Verlängerung des Nahost-Konfliktes bei. 2017 zahlten die USA noch 360 Millionen Dollar.
Offizieller Abschluss erwartet
Krähenbühl erwartet nun, «dass es zu einem offiziellen Abschluss kommt», wie er auf Anfrage sagte. Die UNO könnte sagen, die Vorwürfe hätten sich nicht bestätigen lassen. Als Schweizer würde es ihn auch freuen, wenn es in Bern zu einem Treffen käme, um die Zweifel aufzuheben.
Dagegen ist das EDA der Ansicht, es sei nicht an ihm, sich zu den Umständen von Krähenbühls Rücktritts zu äussern. Das sei eine interne Angelegenheit der UNO.
Sommaruga bedauert, dass sich die Schweiz nicht zum Schlussbericht äusserte, aber Krähenbühl ganz plötzlich die politische Unterstützung entzogen hatte. Der Zahlungsstopp habe die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe bestärkt, Krähenbühl sei im Zentrum von Korruption.
Bundesrat Ignazio Cassis hatte zuvor die Unterstützung des UNO-Hilfswerks in Frage gestellt («Cassis wälzt die Schuld auf eine humanitäre Organisation ab», das Interview mit Pierre Krähenbühl). UNRWA sei Teil des Problems und nicht der Lösung im Nahen Osten, sagte er im Mai 2018 und sorgte damit für Aufsehen. Der Gesamtbundesrat stellte darauf klar, dass er an der bisherigen Nahost-Politik und der Unterstützung des UNO-Hilfswerks festhalte.
Inzwischen nahm die Schweiz die Zahlungen an UNRWA wieder auf. Laut Sommaruga sanktioniert sie das UNO-Hilfswerk aber weiterhin, indem sie die Beiträge nur für zwei statt wie früher für vier Jahre spricht.
Störendes Rückkehrrecht
Sommaruga erkennt darin Bemühungen, UNRWA zu delegitimieren, und sieht dies im Zusammenhang mit dem in UNO-Resolutionen verankerten Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge. Entweder müssten sie wieder integriert oder entschädigt werden. Das Rückkehrrecht erinnere Israel an seine Pflicht gegenüber den palästinensischen Flüchtlingen und ihren Nachkommen. Wer Flüchtling ist, definiert das Völkerrecht.
UNRWA wurde 1949 geschaffen, um palästinensische Flüchtlinge bis zur Lösung des Nahost-Konflikts zu unterstützen. Heute kümmert sich das Hilfswerk um 5,5 Millionen registrierte Flüchtlinge – Menschen, die 1948 im Zuge von Israels Staatsgründung vertrieben wurden oder flohen, und ihre Nachkommen. UNRWA führt vor allem Schulen und Spitäler.
SDA/step
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