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Medizincheck im Fussball
Und dann verarscht der Spieler den Arzt

Der Schweizer Nationalspieler Denis Zakaria absolviert im Januar vor seinem Wechsel zu Juventus Turin den Medizintest.
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Der Medizincheck ist gerade allgegenwärtig: keine Transfermeldung, in der er nicht erwähnt wird, kein Wechsel, der ohne diesen zum Abschluss kommt. Der Test ist die letzte Hürde für den Spieler vor dem nächsten Karriereschritt – manchmal gar vor der Erfüllung eines Traums.

Als Bradley Fink vergangene Woche vor seinem Wechsel aus Dortmunds Nachwuchs zum FC Basel stand, sagte er, er sei so nervös, dass er in der Nacht zuvor kaum geschlafen habe. Die meisten Spieler seien beim Medizincheck angespannt, sagt YB-Arzt Jan Montagne. Er versucht deshalb, eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Oft beginnt mit dem Medizincheck ein langjähriges Vertrauensverhältnis.

Weshalb die Zähne wichtig für die Leistungsfähigkeit sind

Bevor ein Spieler zum Test erscheint, haben die Ärzte schon so viele Informationen wie möglich gesammelt. Bei Transfers innerhalb der Schweiz ist das leicht. Die Teamärzte kennen sich, mit Einwilligung der Spieler darf schon die Krankenakte eingesehen werden. Gerade bei Zugängen aus ärmeren Weltregionen wie Afrika ist die Informationsbeschaffung hingegen eine Herausforderung.

«Heutzutage schauen die Berater, dass die Spieler gesund sind. Schliesslich wollen sie mit ihnen Geld verdienen.»

Felix Marti, langjähriger Arzt des FC Basel

Im ersten Teil in der Arztpraxis, der rund zweieinhalb Stunden dauert, werden frühere und aktuelle Beschwerden erhoben, der Impfstatus kontrolliert, Bewegungsapparat und sämtliche Organe geprüft, eine ausgedehnte Blutuntersuchung sowie ein Lungenfunktionstest vorgenommen, die Gelenke geröntgt, die Zähne gecheckt.

Schlechte Zähne können sich etwa durch Entzündungen auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Die Zähne der Spieler hätten sich in den letzten zwanzig Jahren enorm verbessert, sagt Felix Marti, der bis 2021 während 42 Jahren Clubarzt des FC Basel war. Früher sei es üblich gewesen, dass Fussballer aus ärmeren Regionen mit Löchern anreisten, sodass ein rascher Eingriff vonnöten gewesen sei. «Heute ist der Transfermarkt völlig professionalisiert. Die Berater schauen, dass die Spieler gesund sind. Schliesslich wollen sie mit ihnen Geld verdienen», sagt Marti.

Wäre der Fall Haller in der Schweiz möglich?

In einem anderen Fall ergab der Augentest, dass ein potenzieller Basler Zugang auf dem linken Auge bestens sah, auf dem rechten aufgrund einer juvenilen Linsentrübung aber nur zwanzig Prozent. Der Spieler meinte zu Marti, dass er den Teamkollegen jeweils gesagt habe, sie sollten ihn, wenn immer möglich, von links anspielen. Er wurde vom FCB trotzdem verpflichtet, seine Linse korrigiert. Später konnten ihn die Basler für einen Millionenbetrag weiterverkaufen.

Falls während der Untersuchungen Unsicherheiten entstehen, wird für weitere Abklärungen eine Magnetresonanztomografie (MRI) vorgenommen. Beim FCB ist dieses mittlerweile sogar Standard, da Marti einst getäuscht wurde. Ein Spieler verschwieg ihm bei der Kontrolle Knieprobleme, die Röntgenbilder lieferten keinen Befund. Worauf der FCB den Transfer vollzog. Nach wenigen Trainings klagte der Spieler über Schmerzen und fiel länger aus. Das MRI hätte den chronischen Schaden angezeigt. «Das war sehr ärgerlich», sagt Marti. «Wir schworen: Das passiert uns nicht mehr.»

Da konnte er noch lachen: Bei Sébastien Haller wurde kurz nach seinem Wechsel zu Dortmund diesen Sommer ein Hodenkrebs festgestellt.

Allerdings lassen sich trotz aufwendiger Testerei nicht alle Risiken ausschliessen. Bei Sébastien Haller wurde einen Monat nach seinem Wechsel für 31 Millionen Euro von Ajax zu Dortmund ein Hodenkrebs entdeckt. Diesen hätte man beim Check nur erkennen können, wenn er beim 28-jährigen Stürmer schon weit fortgeschritten gewesen wäre, sagt YB-Arzt Montagne. Oft würde ein solcher Hodentumor aber innert kurzer Zeit wachsen. In der Schweiz sind wie in Deutschland beim Medizincheck keine krebsspezifischen Tests vorgeschrieben. «Das Krebsrisiko bei jungen Menschen ist so gering, dass eine solche Untersuchung kaum Sinn ergibt», sagt Montagne.

Wie Sanogos Transfer scheiterte – obwohl er gesund war

Sékou Sanogos Wechsel nach Stuttgart scheiterte 2016 aufgrund des Medizinchecks, bei YB erlebte er später Höhenflüge in der Champions League mit.

Manchmal lässt ein Medizincheck auch Träume platzen. 2016 stand YB-Mittelfeldmotor Sékou Sanogo vor dem Wechsel zu Stuttgart, dann stellten die Ärzte des Bundesligisten Knorpelschäden in beiden Knien fest. Der VfB sah vom Transfer ab, Sanogo gelang der Sprung in eine grosse europäische Liga nicht mehr. Aber er gewann mit YB den Meistertitel. 33-jährig, spielt er mittlerweile für Roter Stern Belgrad.

Körperliche Abnutzungen seien bei Profisportlern normal, sagt Montagne, es sei deshalb auch immer ein Abwägen, wie hoch das Risiko sei, dass sich diese bemerkbar machen würden. Marti erinnert sich, wie er Basels sportlicher Führung einst nahelegte, einen Transfer nicht zu vollziehen. Sie tat es dann zu günstigeren Konditionen dennoch. Die Verpflichtung lohnte sich für den Verein, der Spieler blieb über Jahre fast beschwerdefrei.

Der Abstieg begann mit dem Medizincheck

Im zweiten Teil des Tests, der rund eineinhalb Stunden dauert, erfolgen ein Herzultraschall und ein Belastungstest auf dem Laufband (wie oben im Bild bei Denis Zakaria). 2017 scheiterte Raphael Dwamenas Wechsel vom FC Zürich nach Brighton im letzten Moment, weil ein kleiner Herzfehler entdeckt wurde. Der Premier-League-Club wäre bereit gewesen, 15 Millionen Franken für den Stürmer zu bezahlen. Es war der Anfang des schleichenden Abstiegs. Ein Jahr später wechselte Dwamena zwar nach Spanien zu Levante, sein Wert hatte sich da aber schon mehr als halbiert. Er wurde in der Folge mehrmals verliehen, war zwischenzeitlich vereinslos.

Beim FC Zürich war er gefeiert, aber mit einem Medizincheck begann der Abstieg von 
Raphael Dwamena.

In Österreich brach der Ghanaer 2021 beim Cupspiel seines Clubs Blau-Weiss Linz auf dem Feld zusammen, der Defibrillator, den er sich ein Jahr zuvor hatte einsetzen lassen, rettete ihm wohl das Leben. 26-jährig bangt Dwamena um die Fortsetzung seiner Laufbahn. Er trainiert in Basel bei den Old Boys aus der 2. Liga interregional mit.

Marti erinnert sich, dass vor Jahren beim Eintrittscheck eines Spielers aus Portugal das Elektrokardiogramm (EKG) aussah, als hätte er einen akuten Infarkt. Obwohl sich der Spieler völlig gesund fühlte, wurde er nach Absprache mit dem Kardiologen im Basler Unispital sofort untersucht. Rückfragen beim Arzt in Portugal ergaben, dass beim Spieler ein früheres EKG gleich aussah. Der FCB verpflichtete die Offensivkraft dann doch, sie wurde zu einer prägenden Figur. Mittlerweile ist diese auf den ersten Blick krankhafte EKG-Veränderung bei bestimmten Spitzensportlern als harmlos bekannt. 

Dass ein Transfer wegen eines Medizinchecks scheitert, ist äusserst selten. Marti erinnert sich während seiner langen Karriere an zwei Fälle, bei Montagne, seit 2011 dabei, ist es einer. In der Regel können die Ärzte nach einem intensiven Tag mit etlichen Untersuchungen der Vereinsführung via Whatsapp melden: «Transfer medizinisch okay.»

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