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Wiederaufbau nach dem Krieg
Nach dem Ja zur 13. AHV wird es für die Ukraine-Hilfe noch enger

epa11187552 Ukrainian flags wave in front of damaged residential buildings in Orikhiv, near the frontline in the Zaporizhzhia region, southeastern Ukraine, 28 February 2024, amid the Russian invasion. The Orikhiv front is near the Ukrainian-recaptured village of Robotyne. Russian troops have been shelling Orikhiv and the nearby settlements on a daily basis with artillery, anti-aircraft guns, air strikes as well as guided bombs. According to local police, there are no buildings left standing in the town. About a thousand people, mostly elderly, still live there as opposed to the 15,000 inhabitants before the Russian invasion. There is currently no water or gas, electricity is scarcely available and locals spend most of their day seeking shelter in basements to protect themselves from daily shelling. Russian troops entered Ukraine on 24 February 2022 starting a conflict that has provoked destruction and a humanitarian crisis.  EPA/KATERYNA KLOCHKO
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Wie viel soll die Schweiz für den Wiederaufbau der Ukraine bezahlen? Und vor allem: Woher will sie dieses Geld nehmen in einer Zeit, in der beim Bund überall gespart werden muss? Der Nationalrat hat es am Dienstag abgelehnt, einen speziellen Fonds für die Ukraine-Hilfe zu schaffen.

Dieser sollte sicherstellen, dass sich die Schweiz «angemessen» am Wiederaufbau beteiligt. Und verhindern, dass die Gelder, welche die Schweiz für das kriegsversehrte Land spricht, auf Kosten der normalen Entwicklungshilfe gehen. Stattdessen sollte die Schweiz Ausgaben für die Ukraine ausserordentlich verbuchen – sie sollte sich also für die Ukraine stärker verschulden. Dies war der Vorschlag der Finanzkommission des Nationalrats.

Im Rat lehnte eine Allianz aus SVP, FDP und Mitte das nun aber ab. Obwohl Mitte-Finanzpolitiker den Vorschlag noch in der Kommission mitgetragen hatten. SP-Nationalrätin Claudia Friedl sagt auf Anfrage: «Die Mitte hat ihren Kurs plötzlich geändert. Sie beteuert zwar immer, der Ukraine helfen zu wollen. Aber wenn es ernst wird, macht sie nicht mit.»

Mitte sah zuerst die humanitäre Tradition gefährdet

Mitte-Finanzpolitiker Simon Stadler kontert mit einem Argument, mit dem auch der Bundesrat den Ukraine-Spezialfonds bekämpft. Er argumentiert, der Wiederaufbau der Ukraine sei planbar. Daher sei es nicht legitim, die Gelder dafür ausserhalb des Budgets zu verbuchen – respektive sie «an der Schuldenbremse vorbeizuschmuggeln», wie es Stadler nennt.

Stadler argumentiert nun, die Frage des Wiederaufbaus solle nicht überstürzt werden: «Falls Putin die Ukraine einnimmt, werden wir ja keinen Franken für den Wiederaufbau sprechen wollen.» Zudem seien für die kommenden Jahre bereits 1,5 Milliarden an Hilfsgeldern für die Ukraine vorgesehen. Dies reiche vorerst, «und dieses Geld kann innerhalb der Entwicklungshilfe kompensiert werden», so Stadler. 

Nur: In der Vernehmlassung hatte die Mitte genau diese Idee noch kritisiert. Sie schrieb, wenn die Schweiz «auf dem Buckel anderer Krisenherde zugunsten der Ukraine sparen» würde, stehe das «im Widerspruch zur humanitären Tradition der Schweiz»

Stadler verweist auf die vielen finanziellen Ansprüche, die derzeit zueinander in Konkurrenz stehen. Er bekommt jeden Tag Mails – von der Armee, aus der Landwirtschaft, von der ETH oder vom Personalverband des Bundes. Alle würden um die Bundesgelder für ihren Bereich fürchten. Und: «Das Ja zur 13. Rente hat den Verteilkampf noch weiter angekurbelt», so der Mitte-Nationalrat. Die SVP legt das AHV-Ja gar als klares Zeichen aus, dass die Schweizerinnen und Schweizer mehr Geld für sich selbst haben wollen – und weniger fürs Ausland, wie Nationalrat Michael Graber im Parlament argumentierte. 

Stadler sagt, in der aktuellen Situation wäre es falsch, wenn sich die Schweiz zugunsten der Ukraine weiter verschulde. Zumindest nicht auf Dauer. «Es ist unbestritten, dass die Schweiz die Ukraine unterstützen wird. Aber falls wir die Ukraine-Gelder oder die Armee von der Schuldenbremse ausnehmen müssen, dann darf das höchstens vorübergehend passieren.» Ein spezieller Ukraine-Fonds wäre auf Dauer angelegt und daher problematisch.

Auch wenn ein Spezialfonds mit dem Nein des Nationalrats vorerst vom Tisch ist: Die Ukraine bleibt ein wichtiges Thema in Bern. Denn auch der Bundesrat ringt um die Frage, wie viel Geld er für die Wiederaufbauhilfe für das kriegsversehrte Land reservieren und wie er das finanzieren will. Aussenminister Cassis hatte im Bundesrat bereits Anfang Dezember Pläne für ein 6-Milliarden-Paket über zehn Jahre vorgelegt. Er schlug vor, über 60 Prozent davon auf Kosten der Entwicklungshilfe zu finanzieren. Doch seine Bundesratskollegen wollen bis 90 Prozent bei der Hilfe für die ärmsten Länder kompensieren.

Diese Redaktion hat darüber berichtet, gestützt auf mehrere Quellen – offiziell präsentiert hat Cassis den Vorschlag aber bis heute nicht. Friedl kritisiert das: «Der Bundesrat verspricht seit langem, einen Plan vorzulegen – und zögert den Entscheid immer weiter hinaus.» Es sei fatal, wenn über Jahre so viel Geld für Projekte in Entwicklungsländern wegfalle.

Debatte um Enteignung von Russen – zugunsten der Ukraine

Seit Monaten kursiert eine zweite Idee: Das Geld für den Wiederaufbau der Ukraine könnte Russland weggenommen werden. Dafür sollen entweder die eingefrorenen Vermögen von sanktionierten Personen und Unternehmen oder Gelder der russischen Zentralbank konfisziert werden.

Eine Enteignung würde allerdings gegen die Bundesverfassung verstossen. Zu diesem Schluss kam der Bundesrat Ende 2023. In einem Papier aus Parmelins Wirtschaftsdepartement heisst es, aus rechtsstaatlicher Sicht sei es «höchst fragwürdig, Vermögenswerte russischer Unternehmen oder Bürger nur aufgrund von Staatsnähe oder aufgrund bestehender Sanktionen einzuziehen».

Trotzdem diskutiert der Ständerat noch diese Woche über diese Option. Konkret muss er entscheiden, ob sich die Schweiz diplomatisch für einen internationalen Mechanismus einsetzen soll, der es erlaubt, russische Zentralbankgelder an die Ukraine weiterzugeben. Ziel wäre es, eine generelle Regel zu schaffen, die auch künftig für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten anwendbar wäre.

Parlamentarier aus fünf Parteien, von den Grünen bis zur FDP, fordern dies in Vorstössen. Der Nationalrat hat dem Vorschlag schon zugestimmt. Wenn am Donnerstag auch der Ständerat Ja sagt, fasst der Bundesrat einen offiziellen Auftrag des Parlaments, sich international für die Enteignung russischer Gelder einzusetzen.

Die G-20-Staaten haben zuletzt Ende Februar über dieses Thema diskutiert. Laut der US-Finanzministerin sind derzeit 285 Milliarden US-Dollar an russischen Vermögenswerten international eingefroren. Die USA und Grossbritannien versuchen zurzeit, Druck aufzubauen, damit diese Gelder an die Ukraine gehen. Deutschland und Frankreich halten dagegen. Die EU will allerdings die Zinseinnahmen aus eingefrorenen Geldern für die Ukraine verwenden. Das Finanzinstitut Euroclear, das am meisten der in der EU konfiszierten Vermögenswerte aufbewahrt, hat letztes Jahr daraus 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen. Russland hat bereits Vergeltungsschläge angekündigt, falls der Westen russisches Geld an die Ukraine weiterleiten sollte.