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Knapper Entscheid zum Schutzstatus S
Parlament will Ukraine-Flüchtlinge nach Regionen unterscheiden

*Ukraine-Gedenkanlass* im Grossmuenster mit verschiedenen Rednern, unter anderem Pfarrer  Christoph Sigrist und Stadtpräsidentin Corinne Mauch.
24.02.2023
(Urs Jaudas/Tages-Anzeiger)
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In Kürze:
  • Das Parlament will den Schutzstatus S für Personen aus umkämpften Gebieten reservieren.
  • Geflüchtete aus relativ sicheren Regionen müssen künftig ein normales Asylgesuch stellen.
  • Die Gegner argumentierten, das Kriegsgeschehen verändere sich rasch.
  • Bundesrat Jans sagte, die Solidarität werde untergraben.

Im Ständerat war der Entscheid just an dem Tag gefallen, an dem der Präsident des ukrainischen Parlaments, Ruslan Stefantschuk, das Bundeshaus besuchte. Es war der Tag, an dem sich SVP-Nationalrat Thomas Aeschi Polizisten widersetzte. Damals nahm der Ständerat eine Motion von Esther Friedli (SVP) an, die Verschärfungen für ukrainische Flüchtlinge forderte.

Am Montag hatte nun der Nationalrat darüber zu befinden. Er nahm einen Punkt des Vorstosses an – mit 96 zu 87 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Durchsetzen konnten sich die SVP und die FDP, mit Unterstützung einiger Stimmen aus der Mitte-Partei.

Der Nationalrat wich allerdings von der Ständeratsversion ab. Er präzisierte, dass es ausschliesslich um die künftigen Gesuche geht: Den Schutzstatus S soll nur noch erhalten, wer aus einem von Russland besetzten Gebiet oder einem Gebiet kommt, in dem «mehr oder weniger intensive Kampfhandlungen» stattfinden. Abgelehnt hat der Nationalrat dagegen die weiteren Punkte der Motion – darunter die Forderung, den Schutzstatus für jene aufzuheben, die bereits hier sind und nicht in einem umkämpften Gebiet lebten.

Der Bundesrat hatte den Schutzstatus S nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Frühjahr 2022 aktiviert. Das Ziel: Die Kriegsflüchtlinge sollten rasch Schutz erhalten, ohne dass die Asylstrukturen überlastet werden. Der Bundesrat betonte stets, dass er koordiniert mit der EU vorgehen wolle, die eine ähnliche Regelung kennt. 

Normales Leben in manchen Regionen

Das Parlament will nun aber den teilweisen Alleingang. Die Befürworter argumentierten, nicht überall fänden Kämpfe statt. Die Ukraine sei riesig, und vielerorts sei das Leben normal, sagte FDP-Nationalrat Peter Schilliger. SVP-Vertreter Pascal Schmid kritisierte, dass auch wehrpflichtige Ukrainer in der Schweiz seien. 

Die Gegner erwiderten, die Unterscheidung nach Regionen sei praktisch nicht umsetzbar. Die Lage sei in der gesamten Ukraine unsicher und verändere sich schnell. Ohnehin sei unklar, was «mehr oder weniger intensive Kampfhandlungen» bedeute. Und ein Alleingang der Schweiz sei nicht sinnvoll. Der Bundesrat stellte sich ebenfalls gegen den Vorstoss. «Diese Motion hilft letztlich nur Russland», sagte Bundesrat Beat Jans. Und sie untergrabe die Solidarität in Europa. 

Vorläufige Aufnahme statt Status S?

Ein Ja zur Aufhebung des Schutzstatus S für die bereits Anwesenden hätte nicht zwingend zu deren Rückkehr geführt: Würde der Schutzstatus S aufgehoben, könnten die betroffenen Ukrainerinnen und Ukrainer ein Asylgesuch stellen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) müsste die Gesuche einzeln prüfen, was mit erheblichem Aufwand verbunden wäre.

Auch künftige Flüchtlinge aus der Ukraine, die keinen Schutzstatus S erhalten, können ein Asylgesuch stellen. Sie dürften eine vorläufige Aufnahme erhalten, solange das SEM keine Region als sicher einstuft. Kommt es zum Schluss, dass eine Rückkehr in bestimmte Regionen zumutbar ist, könnten Betroffene dies vor dem Bundesverwaltungsgericht anfechten. Das Gericht hätte somit das letzte Wort.

Missbrauch stärker bekämpfen

Angenommen hat der Nationalrat auch einen Vorstoss von Ständerat Benedikt Würth (Mitte), der ebenfalls Anpassungen beim Schutzstatus S fordert. So soll der Status aberkannt werden, wenn eine Person ihn missbräuchlich erlangt hat, für eine bestimmte Dauer ausreist oder nach dem Bezug von Rückkehrhilfe erneut in die Schweiz einreist. 

Der Bundesrat stellte sich auf den Standpunkt, dass die Forderungen bereits erfüllt seien. Gemäss heutiger Regelung erlischt der vorübergehende Schutz, wenn eine Person den Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt. Das SEM kann den Schutzstatus S widerrufen, wenn eine Person sich wiederholt oder länger als 15 Tage in der Heimat aufgehalten hat. Auch der mehrmalige Bezug von Rückkehrhilfe ist nicht möglich.

Der Nationalrat wollte dennoch ein Zeichen setzen. Das Ziel sei, die Akzeptanz des Schutzstatus S in der Bevölkerung zu erhalten, sagte Kommissionssprecher Nicolo Paganini (Mitte).