Zürichs Rechnung im Corona-JahrÜberraschung: Der Kanton Zürich schreibt ein Riesenplus
Budgetiert waren im letzten Jahr rund 60 Millionen Franken Überschuss. Trotz Corona sind es nun deutlich mehr: 499 Millionen Franken.
Mit Spannung ist der Auftritt von Finanzdirektor Ernst Stocker erwartet worden. Kaum je war die finanzielle Lage des Kantons unberechenbarer gewesen als jetzt nach einem Jahr Corona-Pandemie. Am Freitagmorgen hat Stocker nun die Rechnung präsentiert – und diese überrascht.
Wie hat Corona den Jahresabschluss 2020 beeinflusst?
Der Kanton Zürich hat im vergangenen Jahr ein Plus von 499 Millionen Franken verzeichnet. Ursprünglich war ein Plus von 61 Millionen budgetiert. Damit wiederholt sich trotz Pandemie, was sich auch in den vergangenen Jahren abgespielt hat: Stocker tritt vor die Medien und präsentiert ein Plus, das deutlich über dem budgetierten liegt. Doch wie ist das möglich? «Ausschlaggebend für die Verbesserung waren mehrere nicht budgetierte Effekte», heisst es in der Mitteilung. Insbesondere die zweite, dritte und vierte Ausschüttungstranche der Schweizerischen Nationalbank (356 Millionen Franken), eine Aufwertung der Liegenschaften im Finanzvermögen wegen gestiegener Marktwerte von 143 Millionen Franken und die ZKB-Sonderdividende von 100 Millionen Franken hätten zur Ergebnisverbesserung beigetragen.
«Das vorteilhafte Rechnungsergebnis hilft mit, die weniger guten Aussichten für die kommenden Jahre zu mildern, in denen die Finanzplanung hohe Defizite aufweist», schreibt die Finanzdirektion. Erst ab 2021 würden die millionenschweren Corona-Härtefallprogramme in die Rechnung einfliessen. «Im abgelaufenen Jahr haben der Regierungsrat und seine Direktionen zusätzliche, pandemiebedingte Ausgabenbeschlüsse von 262 Millionen Franken bewilligt – ohne Härtefallprogramme.»
Wie haben sich die Steuereinnahmen entwickelt?
Bei den Einnahmen spürte der Kanton die Pandemie gesamthaft noch wenig. Die Auswirkungen der Corona-Krise hätten sich bei den Steuererträgen vorerst noch im Rahmen gehalten, da sie zu einem grossen Teil auf dem guten Jahr 2019 beruhten, lautet die Erklärung. 7,8 Milliarden Franken Steuern hat der Kanton eingenommen. Im Hintergrund gab es hingegen beachtliche Verschiebungen.
Bei den natürlichen Personen haben die Erträge der laufenden Periode die Erwartungen mit einem Plus von 82,1 Millionen Franken übertroffen. Hier habe sich die Pandemie noch nicht ausgewirkt, schreibt die Finanzdirektion, da die sich die in Rechnung gestellten Beträge auf die Vorjahre beziehen. «Bei den Nachträgen der natürlichen Personen für frühere Jahre konnte das Steueramt mit 790,7 Millionen Franken gar 22 Prozent oder 144,7 Millionen Franken mehr verbuchen als erwartet.
Anders präsentiert sich die Bilanz bei den Unternehmen. Ihnen konnten die Steuerämter für die laufende Periode 2020 1,2 Milliarden Franken in Rechnung stellen. Im Vergleich zu früheren Jahren sei das noch immer eine beachtliche Summe, schreibt die Finanzdirektion, aber sie bliebe 128,4 Millionen Franken hinter dem Budget zurück. Der Grund: Auch grosse Unternehmen hätten ihre provisorischen Rechnungen aufgrund der Corona-Krise nach unten korrigieren lassen. «Mit 180,5 Millionen Franken gegenüber dem Budget war das Minus bei den Nachträgen der Unternehmen noch grösser.»
Wie hat sich die Verschuldung des Kantons entwickelt?
Die Verschuldung im Kanton Zürich ist gesunken, und zwar um weitere 113 Millionen Franken auf 4,3 Milliarden Franken, das ist etwa die Hälfte von Ende der 90er-Jahre. Gleichzeitig investierte der Kanton 1,33 Milliarden Franken, das entspricht dem höchsten Wert der letzten 25 Jahre. Dies habe angesichts der wirtschaftlichen Verunsicherung aufgrund der Corona-Pandemie dazu beigetragen, zahlreiche Arbeitsplätze zu erhalten, schreibt die Finanzdirektion.
Wie sind die finanziellen Aussichten für die kommenden Jahre?
Für die kommenden Jahre macht die Finanzdirektion negative Prognosen. Nicht nur wegen der Corona-Krise. Sie gehe davon aus, dass die Erträge in den kommenden Jahren nochmals zurückgehen werden, da ab 2021 erstmals der reduzierte Gewinnsteuersatz aufgrund der Unternehmenssteuerreform zur Anwendung gelangen werde und Unternehmen mit defizitären Abschlüssen diese bis zu sieben Jahre verrechnen können, heisst es in der Mitteilung. Aber Ernst Stocker betonte an der Pressekonferenz auch: Der Kanton sei finanziell gut aufgestellt. Es werde in den kommenden Jahren weder eine Steuererhöhung noch ein Sparprogramm nötig sein.
Was sagen die Parteien?
Die SVP zeigte sich zwar erfreut über das Plus und lobte den Abschluss als «hervorragend», erhob zugleich aber den Warnfinger: «Es ist zu befürchten, dass aufgrund des positiven Abschlusses mehr Staatsausgaben verlangt werden. Dies würde aber unweigerlich auch zu Steuererhöhungen führen.» Und solche «Ansinnen» würde die SVP bekämpfen, schreibt sie in einer Mitteilung.
Am anderen Ende des politischen Spektrums warnt die AL: Es gebe keinen Anlass zur Euphorie. Es räche sich jetzt, dass der Kanton Zürich über Jahre hinweg die Steuern für Konzerne und Grossverdiener senkte. «Das Resultat davon ist, dass dem Kanton in den Planjahren 2021 bis 2024 – ohne Pandemiekosten – rund 2 Milliarden Franken fehlen.»
Die SP ist für einmal glücklich über das unerwartete Plus. Hohe Rechnungsüberschüsse seien finanzpolitisch eigentlich kein gutes Zeichen, weil sie auf wenig realistische Budgets hinweisen. In diesem Jahr sei das Resultat aber positiv zu werten, teilt die Partei mit. Der Kanton könne die finanzielle Herausforderung der Corona-Krise stemmen und müsse nun Verantwortung übernehmen und all jene bestmöglich unterstützen, welche von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen sind.
Auch die Grünliberalen haben Ideen, was mit dem Geld angestellt werden soll. Die Überschüsse der Rechnung sollen noch dieses Jahr in nachhaltige Massnahmen investiert werden, schreibt die Partei in einer Mitteilung. Konkret solle der Kanton die Digitalisierung und eine nachhaltige Wirtschaft vorantreiben und Fehlanreize bei der Besteuerung abschneiden, zum Beispiel die klimaschädlichen Pendlerabzüge bei den Steuern.
Die Freisinnigen blicken nach vorn: Nun müssten die Weichen gestellt werden, um für die Nachwehen der Pandemie gewappnet zu sein. «Die Rahmenbedingungen für Unternehmen müssen attraktiv bleiben und die Steuern moderat.» Wie schnell eine Krise die Wirtschaft aus dem Gleichgewicht bringen und Arbeitsplätze gefährden könne, habe man im vergangenen Jahr gesehen.
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