TV-Kritik zur Superbowl-HalbzeitshowMänner. Werbung. Männer. Werbung. Und dazwischen: Usher
Der Auftritt des Sängers in der Halbzeitshow ist einer der Pop-Höhepunkte des Abends. Usher performt 13 Songs, tanzt mit Alicia Keys, grüsst seine Mutter und zieht sich aus.
Für so ein europäisches Gehirn ist die Superbowl eine sehr verwirrende Angelegenheit. Beim amerikanischen Sportereignis des Jahres werden da im raschen Wechsel gezeigt: knapp zwei Dutzend erwachsene Männer, die aussehen, als würden sie vergeblich versuchen, einen einzigen heruntergefallenen Keks aufzuheben. Dann Werbeclips. Dann wieder die Männer. Werbung. Männer. Aber alles immer nur jeweils gefühlt 90 Sekunden. Männer. Werbung. Männer. Werbung.
Dieses Jahr wurde zwischendurch auch ein paarmal Taylor Swift eingeblendet, weil sie einen der NFL-Sportler datet. Und die Halbzeitshow? Die übernahm der Sänger Usher; sie dauerte rund 15 Minuten und war damit das längste ununterbrochene Segment der ganzen Angelegenheit. Ushers Performance gab Zuversicht. Stabilität. Im direkten Vergleich zu dem ganzen Hin und Her drumherum kam sie einem so ausgedehnt und fruchtbar vor wie das römische Reich. Usher imperium diu pacem attulit et tunicam exuit! (Falls Sie keine Lust aufs Googeln haben: Usher brachte dem Reich für lange Zeit Frieden und zog seine Tunika aus!)
Apple Music, das den Auftritt präsentierte, hatte vorher gewarnt, Usher könne «Beziehungsprobleme auslösen». Das lag daran, dass er sich auszog. Er hatte das angekündigt, und er tat es auch. Aber nicht gleich als Erstes. Das wäre ja auch unhöflich.
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Usher performte 13 Songs
Usher performte mit seinen Gaststars 13 Songs. Er begann mit «Caught Up», in einem weissen Anzug von einem Thron herabtanzend. Man hätte es fast vergessen, aber der Mann kann tatsächlich tanzen – es ist verblüffend, wie schnell der 45-Jährige seine Füsse bewegen kann. Wenn er während der Spielzeit auf dem Feld gewesen wäre, hätte es keine Overtime gegeben. Über «You Don’t Have To Call» und «Superstar» groovte er sich zu «Love in This Club». Offenbar hatte er den Las Vegas Strip geplündert, denn um ihn herum turnten fedrige Showgirls ohne Ende. Sein Anzug blieb weiss. Er grüsste seine Mutter. Eine Brosche funkelte an seinem Jackett.
Plötzlich war alles voller Blechbläser. Es waren so viele Blechbläser, dass Phil Spector vor Neid erblasst wäre. Und einige Stars unterstützten Usher bei seinem Auftritt. Die Justin-Bieber-Fans waren traurig, dass Bieber nicht dabei war. Der sass faul im Publikum herum. Dafür gab es Alicia Keys, in Rot an einem ebenfalls roten Flügel. Sie spielte «If I Ain’t Got You». Ihr erster Ton klang etwas schief, was aber im Kontext dieser hyperproduzierten Performances eher erfrischend war. Immerhin nicht Playback. Usher und Alicia umschlangen sich zu «My Boo».
Der Tontechniker war offenbar krank
Spätestens bei «Burn» schwitzte Usher am ganzen Leib. Er liess die Hüften schwingen und zog erst sein Pailettenshirt und dann sein Tanktop aus. Überall auf der Welt fielen wohl Grossmütter und -väter vor Erregung in Ohnmacht. Das ist nicht derogativ gemeint, eine gesunde Sexualität im Alter ist etwas sehr Schönes. H.E.R. gesellte sich zu Usher und tat so, als ob sie Gitarre spielte. Vielleicht spielte sie auch wirklich Gitarre, der Tontechniker von CBS war offenbar krank, denn der Sound der Übertragung war nicht besonders, deswegen konnte man es nicht genau sagen. Auf einmal trugen alle Rollschuhe. Eine Stripperin fiel im Hintergrund fast von ihrer Stange. Dann folgten «OMG» mit will.i.am, «Turn Down For What» mit Lil Jon und schliesslich «Yeah!» mit Lil Jon und Ludacris.
Die Halbzeitshow ist eine Gelegenheit für etablierte Weltstars, eine kommende Tour oder ein neues Album zu bewerben. Das gilt auch für Usher, der aber immerhin ein Performer der alten Schule ist und sein Bühnenhandwerk vollendet beherrscht. Sein Auftritt war einer der Pop-Höhepunkte des Abends – neben Beyoncés Ankündigung, neue Musik zu veröffentlichen.
Am schönsten war allerdings eigentlich der Moment vor dem Spiel, als Usher, der König des R’n’B, von Bodyguards begleitet und in eine Decke gewickelt beim Super Bowl ankam. Dieser Look bediente viel mehr als jeder nackter Oberkörper die Wünsche der Zielgeneration der Show. Denn was braucht man mehr als eine Kuscheldecke, die einen vor der finsteren Wirklichkeit beschützt? Eben.
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