Gegen Gewalt an FrauenTürkei tritt aus Istanbul-Konvention aus – Tausende demonstrieren
Präsident Erdogan hat den Austritt aus der internationalen Vereinbarung bekannt gegeben. Der Entscheid sorgt für Kritik, tausende Menschen gehen auf die Strasse.
Die Türkei ist aus der sogenannten Istanbul-Konvention ausgetreten, die Gewalt an Frauen verhindern und bekämpfen soll. Eine entsprechende Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde in der Nacht zu Samstag im Amtsblatt veröffentlicht.
Die internationale Vereinbarung war 2011 vom Europarat ausgearbeitet worden und sollte einen europaweiten Rechtsrahmen schaffen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Erdogan selbst hatte die Konvention in Istanbul – dem Ort der finalen Einigung – unterschrieben, damals noch als Ministerpräsident. Später wurde sie in der Türkei zwar auch entsprechend ratifiziert, laut der Organisation «Wir werden Frauenmorde stoppen» aber nie angewendet.
Gewalt an Frauen ist in der Türkei, wie in vielen Ländern, ein verbreitetes Problem. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Diskussionen um einen möglichen Austritt aus der Konvention. Nach dem Vollzug riefen die Aktivistinnen von «Wir werden Frauenmorde stoppen» nun via Twitter zu Protesten gegen die Entscheidung auf.
Demonstration und Kritik aus dem Ausland
In Istanbul forderten die Teilnehmer einer Kundgebung am Samstag Staatschef Erdogan auf, die Entscheidung zu revidieren und dem Abkommen wieder beizutreten. Die Demonstranten zeigten Plakate mit den Porträts ermordeter Frauen. Kleinere Kundgebungen gab es laut Medienberichten auch Ankara und Izmir.
Deutschland kritisiert den Austritt. Dies sei ein falsches Signal an Europa, aber vor allem an die Frauen in der Türkei, erklärte am Samstag eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. «Klar ist: Weder kulturelle, religiöse noch anderweitige nationale Traditionen können als Deckmantel dienen, um Gewalt gegen Frauen zu ignorieren.»
Das Ministerium erinnerte daran, dass Präsident Erdogan erst vor Wochen einen Aktionsplan für Menschenrechte vorgestellt habe, der sich auch mit der Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen beschäftigt. «Die Kündigung einer wichtigen Konvention des Europarats dazu wirft die Frage auf, wie ernst es die Türkei mit den im Aktionsplan angekündigten Zielen meint», erklärte die Aussenamtssprecherin.
Leben von Millionen von Frauen gefährdet
Die Generalsekretärin der Organisation Fidan Ataselim sagte, die Regierung gefährde mit dem Austritt das Leben von Millionen Frauen. Sie forderte die türkische Führung auf, die Entscheidung zurückzunehmen und die Konvention anzuwenden. In einem auf Twitter geteilten Video sagte sie: «Ihr könnt Millionen Frauen nicht zu Hause einsperren, ihr könnt Millionen Frauen nicht von den Strassen und Plätzen ausradieren.»
Nach Angaben der Organisation wurden allein im vergangenen Jahr mindestens 300 Frauen in der Türkei von Männern ermordet. Erst kürzlich heizten die Vergewaltigung und der Mord an einer 92-Jährigen sowie das Video einer brutalen Tat, bei der sich ein Mann an seiner Ex-Frau verging, die Diskussion um Gewalt gegen Frauen an.
Zum Internationalen Frauentag hatten am 8. März in Istanbul Tausende Menschen friedlich für Gleichberechtigung und gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Erdogan hatte an dem Tag gesagt, man wolle stärker gegen Gewalt an Frauen vorgehen und Familien, deren Fundament «Mann und Frau» seien, als Institution stärken.
SDA
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