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Entlassungswelle in den USA
Antiwissenschaftskurs von Trump hat erste Folgen für die Schweiz

Ehemalige Bundesangestellte protestieren am 19. Februar 2025 vor dem Hubert Humphrey Health and Human Services Gebäude in Washington D.C. gegen die Politik der Trump-Regierung. Eine Person hält ein gelbes Schild mit der Aufschrift ’Science Saves Lives’ und wissenschaftlichen Symbolen.
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In Kürze:
  • Massenentlassungen betreffen Tausende Forschende in den USA.
  • Wissenschaftler warnen vor dem langfristigen Verlust von wissenschaftlichem Fachwissen.
  • Der Stellenabbau und die Budgetkürzungen in den USA haben erste konkrete Folgen für die Schweiz.
  • In den USA formieren sich Proteste und es wurden Klagen gegen den Stellenabbau eingereicht.

«Nach fast zwei Wochen überwältigender Ungewissheit war es dann heute so weit», schreibt der Klimaforscher Zachary Labe am 27. Februar auf der Social-Media-Plattform Bluesky. Rund drei Jahre lang arbeitete er an der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) in den USA, die unter anderem Wetter- und Klimamodelle entwickelt. Doch dann traf auch Labe die Entlassungswelle, die gerade einige Bereiche der US-Forschung erfasst. «Ich wurde aus meinem Traum, bei der NOAA zu arbeiten, gefeuert. Es tut mir so leid für alle, die ebenfalls betroffen sind.»

«Das ist schockierend, Zack», kommentiert der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf die Entlassung seines Kollegen. «Ich mache mir Sorgen, dass die USA ihre wissenschaftliche Basis zerstören – Fachwissen kann schnell verloren gehen, wird aber nur sehr langsam aufgebaut. Für mich als Deutschen sind die Anklänge an die 1930er-Jahre deutlich zu hören.»

Neben Zackary Labe erleben Tausende andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesen Tagen einen vergleichbaren Schock. Allein bei der NOAA haben gemäss «New York Times» rund 800 der insgesamt 13’000 Mitarbeitenden ihren Job verloren. Umgesetzt wird der Stellenabbau vom Department of Government Efficiency (Doge) unter der Leitung des Milliardärs und Unternehmers Elon Musk.

Wie schädlich die Entlassungen und Budgetkürzungen sein können, beschreibt ein Experte für Vogelgrippe des US-Landwirtschaftsministeriums gegenüber dem Fachmagazin «Science». Er behielt zwar seinen Job, musste sich aber von mehreren Mitarbeitenden verabschieden: «Wir alle arbeiten an der hochpathogenen Vogelgrippe – es scheint ein absolut unvernünftiger Zeitpunkt zu sein, um qualifizierte Wissenschaftler zu entlassen, die gerade jetzt direkt an der Überwachung und Reaktion auf dieses Virus beteiligt sind.»

Folgen der Entlassungswelle reichen über die USA hinaus

Mittlerweile sind gemäss «Science» mehrere Zehntausend in staatlichen Forschungseinrichtungen Beschäftigte betroffen – wie viele es genau sind, bleibt aktuell unklar. Offen ist auch, ob zumindest einige der Rauswürfe juristisch angefochten werden können. Entsprechende Klagen wurden bereits eingereicht.

Die Folgen der Entlassungen und Budgetkürzungen dürften weit über die USA hinausreichen. «Ein Angriff auf die Wissenschaft irgendwo ist ein Angriff auf die Wissenschaft überall» titelte das Fachmagazin «Nature» in einem Editorial. «Auf internationaler Ebene wird die Entscheidung, sich aus langjährigen Verpflichtungen zurückzuziehen oder diese drastisch zu reduzieren, schwerwiegende Folgen haben», heisst es dort.

Beispielsweise hat die US-Administration unter Donald Trump die Bundesmittel für internationale Klimaschutzprojekte gestrichen, deren Kosten sich im Jahr 2024 auf rund elf Milliarden US-Dollar beliefen. Das entspricht etwa zehn Prozent der jährlichen weltweiten öffentlichen Klimafinanzierung. «Zusammen mit der Entscheidung, aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 auszusteigen, ist dies ein schwerer Schlag für die Bekämpfung des Klimawandels», heisst es in «Nature».

Daten der US-Behörde NOAA wichtig für ETH-Forscher

Auch in der Schweiz zeigen sich erste Konsequenzen, vor allem in Zusammenhang mit der US-Behörde NOAA, die zu den wichtigsten Institutionen weltweit gehört, welche die globalen Veränderungen der Treibhausgase messen. «Die Zusammenarbeit mit der NOAA und die Erhebung der Daten sind akut gefährdet», sagt Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich. Sein Forschungsteam beschäftigt sich unter anderem mit der Fähigkeit des Ozeans, das Treibhausgas CO2 aufzunehmen und zu speichern. «Die Daten werden global von vielen Institutionen erhoben, aber die NOAA ist für etwa 50 Prozent aller CO2-Beobachtungen im Meer verantwortlich», sagt Gruber.

Konkret heisst das: Falls in Zukunft die Daten von der NOAA ausbleiben würden, könnten gewisse Erdsystemmodelle nicht mehr mit Beobachtungen verifiziert werden. Dazu gehören Modelle, die beschreiben, wie stark der Ozean CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt und speichert und damit die Erderwärmung mildert. Für ETH-Forscher Gruber gehen in diesem Fall die Folgen noch weiter: Diese Berechnungen sind relevant für das CO2-Budget, das Auskunft gibt, wie viel CO2 der Mensch noch durch die Verbrennung fossiler Energie produzieren darf, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Meteo Schweiz hat die Thematik intern besprochen

Die neuen Restriktionen der US-Regierung gegenüber der NOAA sorgten anfänglich auch beim nationalen Wetterdienst Meteo Schweiz für Verunsicherung. Wie der Klimatologe Stephan Bader auf Anfrage sagt, wurde die Thematik intern besprochen. Man sei aber schliesslich zur Ansicht gelangt, dass vorderhand keine Auswirkungen auf das meteorologische Tagesgeschäft zu befürchten seien.

Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass in den letzten Jahrzehnten in Europa verhältnismässig viel Geld in die Verbesserung von numerischen Wettermodellen geflossen ist und sich länderübergreifende Kooperationen etabliert haben. Daran ist auch die Schweiz beteiligt.

Für die Wettervorhersage benötigen die Wetterdienste komplexe, leistungsfähige Computermodelle und entsprechende Rechenleistung. In beiden Bereichen sind die Europäer nicht wesentlich auf die USA angewiesen. Im Gegenteil: Das numerische Modell zur Wettervorhersage des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZMWF) zählt zu den Besten weltweit.

Konkrete Folgen für das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut

Konkrete Auswirkungen spürt indes bereits das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH). Hierbei geht es vor allem um die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID). «Der Finanzierungsstopp von USAID trifft wichtige Programme, und die internationalen Entwicklungsbudgets schrumpfen – auch in der Schweiz», schreibt Direktor Jürg Utzinger in einem Beitrag. Beispielsweise würden einem langjährigen Partner, dem Ifakara Health Institute in Tansania, 17,9 Millionen Dollar gestrichen, was die Bemühungen zur Eliminierung der Malaria gefährde. «Vom Swiss TPH geleitete Projekte haben aufgrund der USAID-Kürzungen keine Mittel mehr, um lokale Angestellte zu bezahlen», schreibt der Epidemiologe weiter.

Wie es mit USAID weitergeht, ist unklar. Am Mittwoch untersagten Richter es der Trump-Regierung, die internationalen Hilfsgelder weiterhin einzufrieren.

Andere Wissenschaftsbereiche in der Schweiz scheinen zumindest bis jetzt noch keine direkten Konsequenzen zu spüren. «Bisher habe ich persönlich von keinem konkreten Fall gehört, dass im Rahmen von Genderstudies eine Forschungskooperation aufgegeben hätte werden müssen», sagt Janine Dahinden, Professorin für Transnationale Studien an der Universität Neuenburg. «Aber das Thema ist natürlich absolut präsent, wird diskutiert, und die Universitäten sind damit beschäftigt, sich ein Bild davon zu verschaffen, was das für Forschungskooperationen genau heisst. Das ging ja alles sehr schnell.»

Wie die Medienstelle der ETH Zürich mitteilt, ist zurzeit unklar, ob und welche Projekte von Massnahmen der neuen US-Administration betroffen sein könnten. Auch an der Universität Zürich sind auf Anfrage bisher noch keine konkret spürbaren Auswirkungen auf Projekte von Forschenden bekannt.

Aus Sicht des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) sind die USA der wichtigste Forschungspartner der Schweiz. «Eine Schwächung dieser Forschungszusammenarbeit ist nicht im Interesse der Forschenden beider Länder», teilt der SNF mit. Laufende Vorhaben, darunter auch Klima- und Umweltprojekte, würden momentan weitergeführt. «Sollten die Entwicklungen in den USA Auswirkungen auf vom SNF geförderte Projekte haben, wird der SNF die betroffenen Forschenden in der Schweiz direkt informieren und nach Lösungen suchen.»

Sammelklagen von Gewerkschaften

«Science» berichtet, dass bereits fünf Gewerkschaften, die Bundesbedienstete vertreten, eine Sammelklage eingereicht haben, um die Entlassungen zu stoppen. Gemäss «Nature» formieren sich auch Proteste. Einige Forschende gingen auf die Strasse. Und am 3. März veröffentlichten die Union of Concerned Scientists und 48 wissenschaftliche Gesellschaften einen gemeinsamen Brief an den Kongress, in dem sie die Gesetzgeber auffordern, die steuerfinanzierte Forschung zu schützen. Darin heisst es: «Die Massnahmen dieser Regierung haben der amerikanischen Wissenschaft bereits erheblichen Schaden zugefügt.»

Gut auf den Punkt bringt die Molekularbiologin Shirley Tilghman, ehemalige Präsidentin der Princeton University, die aktuelle Situation. Wie sie gegenüber «Science» sagt, ist dies «wirklich eine nationale Tragödie, die von Leuten verübt wird, die den Wert der wissenschaftlichen Forschung nicht verstehen».

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