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Zweiter Lockdown in Österreich
«Treffen Sie niemanden! Jeder Kontakt ist einer zu viel!»

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Österreich geht am Dienstag zum zweiten Mal in der Corona-Krise für drei Wochen in den sogenannten Lockdown. Die Regierung um Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verkündete die Massnahmen am Samstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Jegliche Arbeit soll, wenn möglich, auf Homeoffice umgestellt werden. Geschäfte, Schulen und Kindergärten müssen schliessen, das Verlassen des privaten Wohnraums ist nur aus triftigen Gründen wie Grundbedürfnissen, der Arbeit, der Hilfe etwa für Angehörige und zur Erholung im Freien erlaubt.

«Auch wenn sich niemand einen zweiten Lockdown wünscht, so ist der zweite Lockdown das einzige Mittel, von dem wir verlässlich wissen, dass es funktioniert», sagte Kurz. Der Mini-Lockdown, der seit dem 3. November gilt, hat gemäss Kurz nicht genug gebracht, die Neuinfektionen steigen weiter. Selbst wenn es noch zu einer Besserung käme, würde es zu lange gehen, um aus dem gefährlichen Bereich herauszukommen. In den Spitälern wird der Platz bereits knapp, das Bundesland Vorarlberg, das an die Schweiz grenzt, hat schon am Freitag von einer «dramatischen Situation» gesprochen.

Die Beschränkungen des zweiten harten Lockdowns gelten ab Dienstag, 17. November, und bis zum Sonntag, 6. Dezember. Die Ausgangsregeln müssen alle zehn Tage vom Hauptausschuss des Parlaments neu genehmigt werden. Das Ziel sei, am 7. Dezember Schulen und Handel wieder öffnen zu können.

Österreich hat Schweiz überholt

Offen bleiben im Lockdown nur Geschäfte für die Deckung des täglichen Bedarfs, etwa Supermärkte, Drogerien, Apotheken und Banken. Schulen stellen auf Fernunterricht um und bieten wie auch Kindergärten Betreuung bei Bedarf. Private Treffen sind auf einzelne engste Angehörige oder Bezugspersonen beschränkt. «Meine eindringliche Bitte für die nächsten Wochen ist: Treffen Sie niemanden! Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel», sagte Kurz.

Auch Gottesdienste und religiöse Andachten zunächst sollen nicht mehr stattfinden. Die österreichische Regierung habe mit allen Religionsgemeinschaften das Gespräch gesucht, sagte Kurz. Sie hätten zugesagt, auf öffentliche Gottesdienste verzichten zu wollen.

Schon seit dem 3. November sind in Österreich die Gastronomie, der Tourismus sowie Kulturbetriebe und Freizeiteinrichtungen geschlossen. Die Ausgangsbeschränkungen in diesem Mini-Lockdown galten bisher von 20 bis 6 Uhr.

Die Infektionszahlen sind seit Anfang November zunächst weiter gestiegen, am Freitag lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen 7 Tagen bei 554,2, in einzelnen Regionen gar bis zu 850. Mediziner befürchten einen Zusammenbruch der Intensivversorgung.

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Der Zielwert bei den Neuansteckungen binnen sieben Tagen liege bei weniger als einem Zehntel des aktuellen Werts, betonte Kurz. Behörden könnten mittlerweile 77 Prozent der Neuansteckungen nicht zurückverfolgen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte, aktuell stecke jeder Corona-Infizierte statistisch gesehen 1,2 andere Menschen an. Diese sogenannte Reproduktionszahl müsse auf 0,9 gesenkt werden – dann würden 10 Erkrankte rechnerisch 9 Menschen anstecken.

Anschober warnte, dass das Gesundheitssystem in vielen Bereichen an seine Grenzen komme. «Wir brauchen deshalb eine Notbremsung und das wirklich sofort», sagte er. Der Bremsweg – die Zeit bis zu einer nachhaltigen Senkung der Zahlen – betrage zwei Wochen.

Die Krankenhäuser sehen bereits dem Limit entgegen, wie am Samstag unter anderem der oberste Intensivmediziner des Landes erneut warnte. «Wenn das Ganze in den nächsten Tagen in dieser Geschwindigkeit zunehmen sollte, kommen wir in die Situation einer Triage», sagte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin, Klaus Markstaller. Ärzte müssten dann auswählen, welche Patienten intensivmedizinisch behandelt werden können.

Wie konnte es soweit kommen?

Doch wie konnte sich die Lage überhaupt wieder derart negativ entwickeln? Gab es Versäumnisse? Darüber wurde am Samstag teils heftig gestritten. Die Regierung hatte immer wieder betont, mit allen Mitteln einen Lockdown verhindern zu wollen. Gesundheitsminister Anschober hatte noch vor fast genau einem Monat solche strikten Massnahmen praktisch ausgeschlossen. «Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen», sagte er am 11. Oktober dem Sender ORF. Das sei nur vor einem flächendeckenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems möglich. «Davon sind wir Gott sei Dank meilenweit entfernt», sagte er damals.

Die Oppositionsparteien warfen der Regierung nun Kontrollverlust vor. «Jetzt bekommen alle Österreicher die Rechnung für das Managementversagen der Bundesregierung präsentiert», sagte etwa die Chefin der Sozialdemokraten, Pamela Rendi-Wagner. Die Regierung habe die Kontaktnachverfolgung vernachlässigt und die Länder und Krankenhäuser bei der Vorbereitung der Intensivstationen alleingelassen.

Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz appelliert an seine Bevölkerung, alle sozialen Kontakte für die nächsten drei Woche zu vermeiden.

Ein grosser Streitpunkt blieb das Schliessen der Schulen. Die Corona-Expertenkommission hatte sich Medien zufolge am Donnerstag dagegen ausgesprochen. Das Bundeskanzleramt war ein Befürworter der Massnahmen. Die Schulen müssten geöffnet bleiben, betonte dagegen Rendi-Wagner. Die Vorsitzende der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger, kündigte an, wegen der Schulschliessungen rechtliche Schritte zu prüfen.

«Offene Schulen waren unser Ziel, weil wir vom Wert der Bildung und der sozialen Funktion der Schulen überzeugt sind», sagte Bildungsminister Heinz Fassmann (ÖVP) am Samstag. Die Lage sei aber prekär und die Gesundheit habe Priorität. «Die Schulen sind keine Treiber der Infektionen, aber sie sind auch nicht frei von Infektionen.» Schulen und Lehrer seien besser auf die Schliessungen vorbereitet als im Frühjahr.

SDA/anf