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Sturm in La Chaux-de-Fonds
Kurzes Unwetter mit schweren Folgen: Ein Toter, 40 Verletzte und viel Schaden

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Ein Sturm mit seltener Stärke zog am Montag über die Stadt La Chaux-de-Fonds im Neuenburger Jura. Ein Mensch kam ums Leben, rund 40 weitere Personen wurden verletzt. Das Unwetter richtete grosse Schäden an. Der Bahnverkehr ist unterbrochen.

Der Sturm traf mit einer geschätzten Böe von 217 km/h gegen 11:30 Uhr auf die Uhrenmetropole. Laut Meteorologen dürfte es sich bei dem meteorologischen Ereignis am ehesten um eine schwere Gewitterfallböe gehandelt haben. Zunächst war auch von einem Tornado die Rede gewesen.

Der Sturm werde in La Chaux-de-Fonds unauslöschliche Spuren hinterlassen, sagte Stadtpräsident Jean-Daniel Jeanneret am frühen Montagabend vor den Medien. Die Situation sei vorerst unter Kontrolle. Zugleich forderte er die Einwohnerinnen und Einwohner zu grösster Wachsamkeit bei Bewegungen in der Stadt oder in der Natur auf. Von Reisen nach La Chaux-de-Fonds rieten Polizei und Feuerwehr ab.

Kran stürzt auf Auto

Beim Sturz eines Baukrans am Bahnhofplatz kam eine Person in den Fünfzigern ums Leben, wie die Kantonspolizei Neuenburg mitteilte. Der Kran fiel auf ein Auto, das daraufhin Feuer fing. Rund 40 Menschen ohne lebensbedrohliche Verletzungen wurden in Neuenburger Spitäler eingeliefert.

Der heftige Sturm hinterliess eine Spur der Verwüstung. Viele Fahrzeuge wurden zerstört, Dächer abgerissen, Dutzende Bäume wurden entwurzelt oder einfach geköpft. Ein Teil des Daches der Eisbahn von Mélèzes wurde abgedeckt. Mehrere tausend Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Besonders betroffen waren 200 Gebäude im Stadtteil Crêt-du-Locle, wo sich viele Industrie- und Gewerbebetriebe befinden. Auf den Strassen lagen Stühle und Tische von Terrassen, zerbrochene Fenster und abgerissene Fensterläden sowie Ziegel herum.

Das genaue Ausmass der Schäden war noch nicht absehbar. Die Arbeiten zur Sanierung der Infrastruktur werden auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Aufgrund von Netzschäden sei mit Stromausfällen zu rechnen, hiess es.

An den Einsätzen waren mehr als 100 Polizisten beteiligt. Die Feuerwehr und der Rettungsdienst des Neuenburger Juras zählten 83 Feuerwehrleute und 15 medizinische Einsätze.

Unversehrt blieben alle Tiere im Muzoo Park. Es seien keine Verletzungen oder Ausfälle zu beklagen, erklärte Zoo-Direktor Xavier Huther. Alle Einrichtungen – Zoo, Museum, Vivarium – bleiben jedoch bis auf Weiteres geschlossen.

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Verkehr beeinträchtigt

Der Bahnverkehr wurde am Bahnhof La Chaux-de-Fonds sowie in Richtung St-Imier BE, Hauts Geneveys NE und Le Locle NE unterbrochen. Die Reparaturarbeiten an diesen Abschnitten würden mehrere Tage dauern, gaben die SBB bekannt.

Ein Busservice wurde eingerichtet. Zwischen La Chaux-de-Fonds und St-Imier stürzten rund 30 Bäume auf die Gleise sowie auf einen Hochspannungsmast einer Firma. Fahrleitungselemente sind beschädigt. Die Reparaturarbeiten werden voraussichtlich bis mindestens Freitagmorgen dauern.

Der Schaden zwischen La Chaux-de-Fonds und Le Locle ist noch grösser. Die Verbindung wird frühestens am 7. August wieder instand gesetzt sein.

Unwetter auch im Kanton Freiburg

Wie die Kantonspolizei Freiburg mitteilt, ereignete sich aufgrund des Unwetters auch ein Verkehrsunfall mit mehreren beteiligten Fahrzeugen. Die starken Windböen rissen auf der Autobahn A12 das Dach eines Lastwagens ab. Die Trümmer des Daches fielen auf die Fahrbahn, wo neun Autofahrende diesen nicht mehr ausweichen konnten. Der Polizei zufolge entstanden dabei platte Reifen sowie Schäden an den Stossstangen und Windschutzscheiben. Verletzt wurde niemand.

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Laut Alertswiss wurden auch Bahngleise durch entwurzelte Bäume blockiert. Aufgrund der Schäden sind Stromausfälle zu erwarten. Meteo Schweiz warnt im gesamten Jurabogen vor schweren Gewittern.

Auf Twitter gibt Meteonews die höchste Windgeschwindigkeit mit 217 km/h an, ohne diesen Wert bestätigen zu können. Der Wert werde in den nächsten Tagen überprüft. Falls sich die Grössenordnung bestätigt, wären die 217 km/h gemäss Meteo Schweiz eine der höchsten jemals in tieferen Lagen in der Schweiz gemessenen Windspitzen. Die bislang stärkste Gewitterböe in den Niederungen hatte den Angaben zufolge eine Geschwindigkeit von 190 km/h. Sie wurde am 15. Juli 1985 in Glarus gemessen.

Bunderatspräsident Alain Berset äusserte sich per Twitter zum Unwetter im Kanton Neuenburg. «Die Bilder aus dem vom Sturm verwüsteten La Chaux-de-Fonds lassen uns ungläubig staunen. Eine Person ist gestorben, mehrere sind verletzt. Meine Gedanken sind bei den von den Unwettern betroffenen Menschen sowie bei den Einsatzkräften, die für die Bevölkerung im Einsatz sind.»

Gewitterfallböe oder Tornado?

Nach dem schweren Unwetter in La-Chaux-de-Fonds ist noch unklar, wie dieses meteorologisch einzuordnen ist. Am ehesten handelte es sich um eine schwere Gewitterfallböe («Downburst»). Doch auch einen Tornado schlossen Fachleute zunächst nicht aus.

Klar sei, dass es sich um ein extremes Windereignis im Zusammenhang mit einem sogenannten Superzellengewitter gehandelt habe, teilte Meteoschweiz, das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, am Montagnachmittag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.

Ob man es mit einem Tornado oder einer Fallwindböe zu tun habe, lasse sich aufgrund der derzeit vorliegenden Messungen nicht abschliessend klären, hiess es. Eine genauere Einordnung sei allenfalls später anhand der Schadensbilder möglich. Meteoschweiz tendiere jedoch im Moment eher zu letzterem, nämlich einem sogenannten Downburst.

Die Gewitterzelle rollt am Montagmorgen auf La-Chaux-de-Fonds zu. 

Der Wetterexperte dieser Redaktion hat das bisher vorhandene Bild- und Videomaterial studiert. Seiner Einschätzung zufolge deuten die Informationen aus La Chaux-de-Fonds eher auf einen Downburst hin. Downburst sind kalte Abwinde, die aus Gewittertürmen herausströmen. Am Boden können diese «herabstürzenden» Fallböen enorme Windgeschwindigkeiten (bis um 250 km/h) erreichen und grosse Verwüstungen anrichten. Fallböen weisen eher ein «gradliniges» Schadensbild auf, das heisst Bäume stürzen meist mehrheitlich in dieselbe Richtung um.

Aber: Etwas weiter westlich – an der Grenze zur Gemeinde Le Locle – hat das gleiche Unwetter ein Schadensbild hinterlassen, welches durchaus auch einem Tornado zugeordnet werden könnte. Bei einem Tornado finden sich oft chaotische Schadensbilder. Unter anderem liegen Baumstämme und Trümmerteile auf kleinstem Raum kreuz und quer verstreut.

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Klar ist: Tornados sind im Jura nicht so selten, wie man vielleicht annehmen könnte. Die stärksten in der Schweiz dokumentierten Tornadoereignisse stammen alle aus dieser Gegend.

So richtete ein Tornado der Kategorie F4 auf der Fujita-Skala (das bedeutet Windspitzen von 333 bis 418 km/h) am 26. August 1971 im Vallée de Joux enorme Verwüstungen an. Und am 12. Juni 1926 wurde die Stadt La Chaux-de-Fonds von einem F3-Tornado getroffen.

Was genau an diesem Montagmorgen über La Chaux-de-Fonds hereingebrochen ist – Tornado oder Downburst – werden aber wohl erst die Schadensanalysen in den kommenden Tagen zeigen.

«Plötzlich wurde es dunkel.»

Laurent Duvanel, Journalist

Journalist Laurent Duvanel, der selber in La Chaux-de-Fonds wohnt, berichtet vom Sturm: «Plötzlich wurde es dunkel, dann kam Hagel und schliesslich der schwere Sturm.» Die Hauptstrasse sei übersät mit Ziegelsteinen und Betonelementen von Kaminen und Häusern. «Ich sah unzählige Autos mit eingeschlagenen Scheiben vorne und hinten», so der Medienschaffende.

«Viele Strassen sind gesperrt», sagt Journalist Laurent Duvanel. «Die Leute hier in La Chaux-de-Fonds sind sehr betroffen. Es gibt derzeit nur ein Gesprächsthema.»

Die Gewitterzelle zog anschliessend weiter Richtung Nord-Osten. Um 13 Uhr erreichte sie Zürich. Das Unwetter wurde begleitet von starker Blitzaktivität. Meteo Schweiz hat für mehrere Regionen die zweithöchste Gefahrenstufe ausgerufen. 

«Gewitterschienen» von West nach Ost

Gewitter bilden sich in der Schweiz vor allem im Frühling und im Sommer. Dann sind ausreichend Wärme und Luftfeuchtigkeit vorhanden, damit die Luft aufsteigen kann und sich Cumulonimbi bilden können.
Auf der Alpennordseite bilden sich in den Sommermonaten über dem Jura und den Voralpen besonders oft Gewitter. Meistens verlagern sich diese Gewitter dann – wie auf Schienen – von West nach Ost. Daher ist in der Meteorologie auch von «Gewitterschienen» die Rede.

Gewitter sind ein fester Bestandteil des hiesigen Klimas. Dabei sind sie Fluch und Segen zugleich. Einerseits spielen sie vor allem im Sommer eine wichtige Rolle für die Wasserbilanz. Ohne Gewitter wären die Niederschlagsmengen im Sommer in der Schweiz viel geringer.

So unberechenbar Gewitter auch sind: Das Gefahrenpotenzial beim Herannahen einer Gewitterzelle lässt sich mit etwas Übung anhand bestimmter Merkmale durchaus einschätzen. «Es macht auf jeden Fall Sinn, bei einer Gewitterlage nicht nur das Wetterradar auf dem Handy, sondern auch den Himmel aufmerksam zu beobachten», sagt dazu der Zürcher Gewitter- und Unwetterforscher Christian Matthys.

Die Gefährlichkeit eines Gewitters lässt sich auch anhand des Wolkenbildes einschätzen. Grundsätzlich gilt: Wenn eine Gewitterwolke dunkel und bedrohlich wirkt, dann birgt sie auch Gefahrenpotenzial. «Eine schwarze Wand am Horizont, in der es häufig blitzt, deutet auf ein Unwetter hin», sagt Christian Matthys.

Aufpassen sollte man auch, wenn eine Gewitterwolke eine grünliche Färbung aufweist. Oft – aber nicht immer – ist das ein Anzeichen für sehr intensiven Niederschlag oder sogar Hagel.

SDA/aru/mst/fal