Rettungsschwimmer gibt Tipps«Am besten schwimmt man im 45-Grad-Winkel gegen das Ufer»
In den letzten Wochen sind in Flüssen mehrere Personen ertrunken. Christoph Merki von der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft sagt, wie man sich in gefährlichen Situationen verhalten sollte.
Herr Merki, die letzten Wochen hat es stark geregnet, langsam kommt das gute Wetter wieder. Wie sicher ist es aktuell, in der Limmat oder im Rhein schwimmen zu gehen?
Das ändert sich von Tag zu Tag. Aktuell ist die Gefahr relativ hoch, der Wasserspiegel ist über dem Normalzustand. Die Wassermassen sind derzeit sehr schnell und haben eine riesige Kraft. Das muss man wissen, bevor man ins Wasser geht. Sonst kann es für nicht geübte Schwimmer schnell gefährlich werden. Wir raten derzeit grundsätzlich davon ab, in Flüssen schwimmen zu gehen.
Was muss man beachten, wenn man ins Wasser will?
Man muss wirklich gut schwimmen können, den Ort und auch das Gewässer gut kennen. Wo sind gefährliche Stellen, wo sind Hindernisse, wo komme ich wieder raus? Diese Fragen sind wichtig. Am besten, man läuft den Flussabschnitt vor dem Baden noch kurz ab.
Das machen wohl nur wenige. Haben Sie einen anderen Tipp?
Man sollte sich wenigstens im Vorfeld digital über den Fluss informieren. Für die Limmat gibt es auf der Website der SLRG eine Flusskarte. Für den Rhein in Basel gibt es zum Beispiel die «Bachab-Karte». Und vom Bund gibt es die Hydro-Karte, sie zeigt die Durchflussmenge im jeweiligen Fluss auf. Dort kann man nachschauen, welche Gefahrenstufe zurzeit herrscht. Aber Achtung: Sie ist trügerisch, weil ein Fluss auch vor dem Erreichen der Gefahrenstufe gefährlich sein kann.
Im Rhein wurde die starke Strömung zwei Menschen im Gummiboot zum Verhängnis. Sie wurden in Rheinau übers Wehr gespült. Die Frau konnte gerettet werden, der Mann wurde tot geborgen. Was gilt es bei Wehren zu beachten?
Wehre sind auch eine Gefahrenstelle, die man erkennt, wenn man sich im Vorfeld informiert. Weil man vorher aussteigen muss, ist es wichtig, mehrere Ausstiegsstellen zu bestimmen. Weil bei jedem Fluss die Geschwindigkeit wieder anders ist, muss man früh genug mit der Vorbereitung für den Ausstieg anfangen.
Und was, wenn man sich nun schon in einer gefährlichen Situation befindet und wegen der Strömung Mühe hat, aus dem Wasser zu kommen?
Dann muss man versuchen, so schnell wie möglich ans Land zu kommen. Am besten schwimmt man im 45-Grad-Winkel gegen das Ufer. Auf keinen Fall gegen die Strömung schwimmen, das ist bei den jetzigen Fliessgeschwindigkeiten – aber auch sonst meistens – aussichtslos. Sobald man also sieht, dass ein Hindernis im Fluss ist, sollte man so schnell wie möglich ausweichen oder in Ufernähe gehen.
Bei der Werdinsel ist Anfang Juli ein 19-jähriger Mann ertrunken. Er und sein geretteter Freund waren keine guten Schwimmer. Was gilt es zu beachten, wenn man nicht so gut schwimmen kann?
Grundsätzlich gilt: In offene Gewässer gehören nur gute und geübte Schwimmer. Wer sich trotzdem im Fluss abkühlen möchte, sollte in eine offizielle Flussbadi gehen. Dort kann man davon ausgehen, dass einen jemand retten könnte. Sonst empfehle ich einen Schwimmkurs. Es gibt Module zu Seen und Flüssen, dort lernt man, wie die Gewässer beschaffen sind und worauf man beim Baden schauen muss.
In Kursen der SLRG lernt man unter anderem, dass man im Fluss eine Rettungsweste tragen sollte. In der Realität macht das kaum jemand.
In der Badi muss man nicht unbedingt eine Weste haben, aber im Fluss ist es ratsam. Auf dem Gummiboot muss man ja per Gesetz eine dabei haben (ansonsten droht eine Busse von 50 Franken pro Person, Anm. d. Red.).
Hand aufs Herz: Wie wichtig ist «Annetzen» wirklich?
Sehr wichtig. Damit gibt man dem Körper die Chance, sich den kälteren Temperaturen anzupassen. Wenn man einfach so in eiskaltes Wasser springt, verengen sich die Blutgefässe, und es kann zu einem Krampf kommen. Im dümmsten Fall kann man gar einen Kälteschock erleiden.
Und wieso gilt Schwimmen im trüben Wasser als gefährlich?
Im trüben Wasser kommt ein grösseres Gefahrenpotenzial zusammen: Das Einsteigen ist schwerer, weil man den Boden nicht sieht. Man kann umfallen, vom Wasser mitgezogen und unter Wasser gedrückt werden. Man sieht auch nicht, ob es grössere Steine im Wasser hat. Schlussendlich muss man die Gesamtsituation beurteilen und für sich selbst entscheiden, ob man das Risiko eingehen möchte. Es ist schon viel erreicht, wenn man sich diese Gedanken im Vorfeld macht – und sich an die Baderegeln hält.
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