Untersuchung gegen CS geht weiter
CEO Thiam wird abgesetzt. Der neue Chef steht bereits fest. Ethos fordert Änderungen im Präsidium. Die Finanzmarktaufsicht bleibt aktiv.
Verwaltungsratspräsident Urs Rohner hat den Machtkampf an der Spitze der Credit Suisse vorerst für sich entschieden: Konzernchef Tidjane Thiam tritt per 14. Februar zurück. Neuer CEO wird der derzeitige CS-Schweiz-Chef Thomas Gottstein. Rohner bleibt wie geplant bis April 2021 Verwaltungsratspräsident.
Der Verwaltungsrat habe in einer Sitzung am Vortag einstimmig den Rücktritt von Thiam angenommen und Gottstein zum neuen CEO der Credit Suisse Group AG ernannt, teilte die Bank am Freitag mit. Am 13. Februar ist wie bereits bekannt noch die Präsentation des Ergebnisses für das Geschäftsjahr 2019 geplant. Danach werde der 57-Jährige die Credit Suisse verlassen.
Im Interview mit SRF erklärt Rohner, wieso Thiam gehen muss. Persönlich hätten er und Thiam keine Differenzen gehabt. Nach der Beschattungsaffäre sei die Situation in den letzten Wochen aber schwieriger geworden, sagt der Verwaltungsratspräsident, «insbesondere nachdem ein zweiter Fall einer Beschattung eines Geschäftsleitungsmitglieds bekannt wurde». Es habe einen Wechsel gebraucht und das habe auch Tidjane Thiam verstanden. Der Verwaltungsrat habe einstimmig beschlossen, dass der Wechsel auf CEO-Stufe vorzunehmen sei und nicht beim Präsidenten, also bei Rohner.
Gründe für die Absetzung des erfolgreichen Thiam gebe es eigentlich nicht, «es war einfach eine Situation, bei der es um die Reputation der Gesellschaft insgesamt und um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ging. Wir haben gesehen, dass die Situation sich nicht verbessert und dass wir einen Wechsel vornehmen müssen, um wieder in ein normales Fahrwasser zu kommen», sagt der Verwaltungsratspräsident.
Auf die Frage, ob der Abgang nicht zu spät erfolge, sagte Rohner: «Man wechselt nicht einen erfolgreichen CEO einfach so aus.»
Rücktritt von Rohner gefordert
Der Stimmrechtsberater Ethos fordert auch den vorzeitigen Abgang von Verwaltungsratspräsident Urs Rohner. «Der Verwaltungsrat hat auch eine Verantwortung», sagte Ethos-Chef Vincent Kaufmann auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP am Freitag. Der Abgang von Thiam ändere nichts an der grundsätzlichen Meinung des Westschweizer Stimmrechtsberaters, dass eine Veränderung auch im Präsidium nötig sei, sagte Kaufmann.
Für die Glaubwürdigkeit wäre es wichtig, wenn dies an der anstehenden Generalversammlung in diesem Jahr geschehe und nicht erst wie geplant 2021. Seit 2017 fordert Ethos den Rücktritt von Rohner. Die Beschattungsaffäre habe Ethos in seiner Auffassung bestätigt, hatte es bereits am Donnerstag geheissen.
Aktien geben nach
Die Aktien der Grossbank sind am Freitag im frühen Handel stark unter Druck geraten. Der angekündigte Wechsel an der Konzernspitze scheint am Markt nicht besonders gut aufgenommen zu werden. Die Titel der CS Group gaben zu Handelsbeginn stark nach und verloren fast fünf Prozent. Danach erholten sie sich bis Mittag auf minus 2,5 Prozent gegenüber dem Vortag. Konkurrent UBS verlor gleichzeitig rund 0,6 Prozent, der SMI 0,2 Prozent.
Die Frage, ob Thiam nach der Überwachungsaffäre um den ehemaligen CS-Manager Iqbal Khan noch tragbar sei, stand seit Wochen im Raum (lesen Sie hier die Details zur Beschattungsaffäre). Der Verwaltungsrat gelangte angesichts immer neuer Enthüllungen und der laufenden Untersuchung der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) zur Einsicht, dass ein Befreiungsschlag notwendig ist.
Mehrere Grossaktionäre schlugen sich aber in den letzten Tagen auf die Seite Thiams und forderten den Rücktritt Rohners.
«Keinerlei Kenntnisse»
Der scheidende Chef liess sich in einer Medienmitteilung der Bank mit folgenden Worten in der Mitteilung zitieren: «Ich bin mit dem Verwaltungsrat übereingekommen, dass ich die Bank verlassen werde.» Er sei gleichzeitig «stolz darauf, was das Team während meiner Zeit erreicht hat.» Die Credit Suisse sei erfolgreich transformiert worden.
Erneut betonte Thiam zudem, dass er nichts von den Beschattungen von Top-Managern gewusst habe, deren Bekanntwerden seit dem Herbst 2019 für grosse Aufregung gesorgt hatte. «Ich hatte keinerlei Kenntnisse von der Beschattung zweier ehemaliger Kollegen.» Aber: Zweifellos habe dies der Credit Suisse geschadet und zu Verunsicherung und Leid geführt. «Ich bedauere das Vorgefallene, und es hätte nie passieren dürfen.»
Noch vor zwei Tagen war Thiam voller Zuversicht. Er stellte ein Bild auf Instagram, auf dem das gesamte Topmanagement fröhlich in die Kamera lächelt.
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Thiam kam im Juli 2015 vom britischen Versicherer Prudential zur Credit Suisse und wurde damit Nachfolger von Brady Dougan. In dieser Zeit dampfte er das riskante Investmentbanking ein und setzte stärker auf die Vermögensverwaltung für reiche Privatkunden.
Ausserdem machte er die Bank unter anderem mit zwei milliardenschweren Kapitalerhöhungen krisenfester. Allerdings verlor der Aktienkurs im Verlauf seiner Amtszeit auch etwa die Hälfte an Wert.
Zum Verhängnis wurde dem Konzernchef nun aber die Beschattungsaffäre. Im vergangenen September deckte die «SonntagsZeitung» auf, dass die Credit Suisse den früheren Topmanager Iqbal Khan von Privatdetektiven beschatten liess. Eine Untersuchung ergab allerdings, dass der mittlerweile entlassene COO Pierre-Olivier Bouée in Eigenregie handelte. CEO Thiam soll der Untersuchung zufolge nichts davon gewusst haben.
Kurz vor Weihnachten flog dann auf, dass die Beschattung Khans kein Einzelfall war, sondern auch Personalchef Peter Goerke ebenfalls überwacht worden war (lesen Sie hier, was bei Goerke anders lief als bei Khan). Auch Greenpeace soll ausspioniert worden sein (lesen Sie hier, wie die Grossbank Zugriff auf interne Mails der Umweltorganisation bekam).
Staatsanwaltschaft und Finma untersuchen
Khan, der mittlerweile zur Konkurrentin UBS als Co-Leiter der weltweiten Vermögensverwaltung gewechselt ist, hatte im September Strafanzeige erstattet. Daraufhin wurde ein Strafverfahren eröffnet, wie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich bestätigte. Es werde geprüft, ob sich jemand in Zusammenhang mit der Überwachung eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens schuldig gemacht habe.
Zudem hat die Finanzmarktaufsicht Finma im Zusammenhang mit der Beschattungsangelegenheit eine Untersuchung eingeleitet. Auch die CS-interne Untersuchungen liefen weiter, bestätigte ein Sprecher zuletzt.
Rohner soll bleiben
Der Verwaltungsrat sprach derweil Präsident Urs Rohner am Freitag das Vertrauen aus. Severin Schwan, der bei der CS Vizepräsident und «Lead Independent Director» ist, erklärte, dass der seit 2011 amtierende Präsident bis April 2021 bleiben soll. «Urs Rohner hat den Verwaltungsrat während dieser turbulenten Zeit in anerkennenswerter Weise geführt», erklärte Schwan, der auch Chef des Pharmakonzerns Roche ist. «Alle Schritte des Verwaltungsrates erfolgten einstimmig und nach sorgfältigen Beratungen.»
Kritische Aktionäre hatten in den letzten Tagen gewarnt, dass Rohner selber unter Druck kommen werde, sollte er Thiam absetzen. Ob sie ihre Drohungen nun wahrmachen und doch gegen Rohner und den Verwaltungsrat vorgehen, war zunächst unklar. Eine nächste Gelegenheit böte die Generalversammlung am 30. April.
Im Interview mit SRF sagt Rohner, dass er im Dialog mit allen Aktionären sei und er auch mit den grossen gesprochen habe. «Viele haben mir bestätigt, dass sie den Kurs des Verwaltungsrates mittragen und unterstützen», gibt er sich zuversichtlich.
Rohner seinerseits würdigt die Leistung des Zurückgetretenen: «Tidjane Thiam hat der Credit Suisse einen enormen Beitrag geleistet. Es ist klar sein Verdienst, dass die Credit Suisse heute wieder als grundsolide Bank dasteht und in die Gewinnzone zurückgekehrt ist».
Nach Ansicht der ZKB wäre die CS deshalb mit Thiam besser gefahren als mit einem neuen CEO, gerade weil Thiam die Kosten derart gut gemanagt habe, schreibt Analyst Javier Lodeiro.
Gottstein seit 20 Jahren bei der CS
Thomas Gottstein, der neu ernannte Group CEO, verfügt gemäss der Medienmitteilung der CS über 30 Jahre Bankerfahrung, davon verbrachte er mehr als 20 Jahre bei der Credit Suisse. Sein Leistungsausweis basiere sowohl auf leitenden Funktionen im Investmentbanking – davon 13 Jahre in London – als auch im Private Banking. Seit 2015 ist er als CEO der Credit Suisse Schweiz AG und Mitglied der Konzernleitung für den Heimmarkt Schweiz verantwortlich.
Verwaltungsratspräsident Urs Rohner äussert sich zum Wechsel an der Spitze der Konzernleitung von Credit Suisse: «Thomas Gottstein ist aufgrund seines grossen Erfahrungsschatzes in unserem Geschäft bestens positioniert, die Credit Suisse erfolgreich in die Zukunft zu führen. Wir sind froh, dass wir mit seiner Ernennung eine starke bankinterne Nachfolge ankündigen können. Ich danke ihm, dass er sich für dieses verantwortungsvolle Amt zur Verfügung stellt und freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm in seiner neuen Rolle.»
sda/reuters/ij/anf
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